Volltext: Der Naturarzt 1868 (1868)

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ungen und Infection ausgenommen — nur ein Beweis der 
Erkrankung der ganzen Säftemasse sind, zwangen 
mich, auch bei der Erforschung der Krankheitsursache der 
Zuckerharnruhr mein Augenmerk zuerst auf die bisherige 
Lebensweise der Kranken zu richten und darnach in jedem 
einzelnen Falle entsprechend zu verfahren.“ 
„Ich habe nun, auf Grund einer Reihe von mir theils 
geheilter, theils wesentlich gebesserter Fälle von Diabetes 
mellitus, die Ueberzeugung, 
„daß die Verdauungsorgane der Grundsitz der 
Krankheit sind, und bin der Ansicht, daß allée Ur— 
sachen, welche einen Magencatarrh hervorrufen, 
durch welchen eine umgeéänderte (perverse, verderbte, ver— 
kehrte) Thätigkeit des Vagus (des herumschweifenden Ner— 
ven) bedingt wird, die Veranlassung zur Zuckerbildung 
im menschlichen Organismus sein und Diabétes 
zur Folge haben können.“ 
„Alle Symptome bei einem Diabetiker, wie sie sich in 
den Verdauungs-, Athmungs- und Blutströmungs-Organen 
zeigen, können auf die behinderte Innervation des 
Vagus (Belebung, Bethätigung des herumschweifenden 
Nerven) zurückgeführt werden.“ 
„Der Diabetiker hat eine belegte Zunge, unreinen, 
säuerlichen, seltener stinkenden Athem, viel Aufstoßen, auf⸗ 
getriebenen Magen, *) der bei dem Druck, besonders auf 
die Herzgrube, schmerzhaft ist. Außerdem klagen alle 
Kranken über Reiz im Magen, der sich nicht als Hunger, 
sondern mehr als Gefräßigkeit zeigt; aufgetriebener Leib; 
Kothabgang in der Regel als Kothballen.“ 
„Daß eine krankhafte Säftemischung in Folge unpas— 
sender Nahrungsmittel und krankhaster Speisesaftbildung 
schon lange vorgelegen hat, läßt sich auch daraus schließen, 
daß die meisten Diabetiker an Ausschlag, Furunkeln, Eczem 
u. s. w. gelitten haben. —“ 
„Wenn Einer, so beweist es der Diabetiker, daß der 
Mensch nicht von dem lebt, was er genießt, sondern 
von dem, was er verdaut; denn der Diabetiker ver— 
hungert wirklich, wie so unendlich viele Menschen den 
Hungertod sterben: nicht, weil sie zu wenig genießen, son— 
dern weil ihre Verdauungs- und Aufsaugungsorgane rui— 
nirt sind, durch die Art und Menge der zugeführ— 
ten Speisen im Verhältniß zu ihrem Verbrauche. 
Bei allen meinen Kranken war der Hunger zeitweise außer— 
ordentlich und der Durst dabei unlöschbar; je mehr aber 
die Kranken aßen und tranken, desto magerer wurden sie. 
Dabei stimmte der massenhafte Abgang des Urins 
nicht mit der Einnahme der Getränke.“ 
„Bei der unverhältnißmäßig großen Menge der Zufuhr 
von Nahrungsmitteln mußte ich mir also natürlich sagen: 
der krankhafte Zustand des Magens muß dadurch 
immer mehr befördert und die Verletzung (Schä— 
digung, Kränkung) des Vagus eine immer größere, 
die Bereitung eines normalen Speisebreies mehr 
und mehr verhindert werden.“ 
„Aus einem verdorbenen Chymus ist die normale 
Bildung des Blutes, und aus abnormem Blute die Bildung 
normaler Elemente des Körpers unmöglich.“ 
*), Man sehe die größere Abhandlung über den chronischen Magen— 
catarrh in den Nr. 11 bis 16 des vor. Jahrganges dieses Blattes. 
Der Herausgeber. 
„Eine wiederholte Reizung des Magens, sei es durch 
zu reichliche, sei es durch zu reizende Zufuhr, muß natür—⸗ 
lich den Vagus in seinen in den Häuten der Magen— 
vandung verlaufenden Endigungen am meisten reizen und 
nicht allein auf seine Thätigkeit als Nerv der Verdauungs— 
organe, sondern auch reflectorisch (zurückwerfend, mitthei— 
lend) auf die Athmung — (nervus recurrens) — und die 
Blutströmung beeinträchtigend wirken.“ 
„Ich halte den Vagus nicht allein für den Regulator 
Ordner) der Herzthätigkeit, sondern schreibe ihm dieselbe 
Einwirkung, ja selbst beherrschende Eigenschaften, — sei 
es oft in Verbindung mit dem Sympathicus, — (Nervus 
sympathicus, der sympathische Nerv)*) — auf alle Or— 
gane zu, in die seine Zweige sich erstrecken.“ 
„Enthaltung muß also die unbedingte Anforderung 
zu Erhaltung des Lebens sein.“ 
„Darauf mich stützend, beschränke ich meine Kranken 
auf drei, höchstens vier in bestimmten Zwischenräumen 
zu nehmende Mahlzeiten. Dieselben bestehen für den Tag 
aus 5 bis 8 Loth Reis, Graupen oder Buchweizengrütze 
(Haidekorn), 24. bis 1Pfd. Fleisch **) und Compot von 
getrockneten Aepfeln, Pflaumen oder Kirschen in geringen 
Mengen.“ 
„Man sieht hieraus, daß ich die (von den ersten Me— 
dicinern bisher für einzig wissenschaftlich richtig angesehene) 
absolute Fleischdiät für überflüssig halte, da es mir, wie 
man später sehen wird, hauptsächlich darauf ankommt, 
daß die Zufuhr mit dem Verbrauch im Organis— 
mus in Einklang gebracht werde.“ ***) 
„Zwischen den Mahlzeiten bekämpfe ich den andrän— 
genden Hunger mit Eis und eisversetztem Wasser, welches 
auch in den Nächten genommen wurde. Daß das Eis im 
Stande war, den Heißhunger zu stillen, also gleichsam die 
Nahrung zu vertreten, beweist, daß nicht so sehr unbezähm— 
barer Hunger, als andauernder Reiz im Magen die Kranken 
früher gezwungen hatte, so außergewöhnliche Mengen Nah— 
rung zu sich zu nehmen.“) 
„Schlaf am Tage erlaube ich, aber nur vor den 
Mahlzeiten und im Bette in gerader, ausgestreckter Lage.“ 
„Des Morgens ließ ich nüchtern in einzelnen Fäl— 
len einige Gläser Karlsbader Sprudel trinken und darauf 
*) Der M. vagus entspringt aus dem verlängerten Mark des 
Gehirns, und vertheilt sich in einer Menge Aesten und Zweigen an 
die Organe des Halses, der Brust und der Bauchhöhle.“ Der sym⸗ 
pathische Nerv ist mehr ein eigenes Nervensystem für sich, obschon 
er in allen seinen Zweigen mit Rückenmark und Hirn directe Ver— 
bindung unterhält. Auch er verläuft vorzugsweise an den Organen 
des Halses, der Brust und der Bauchhöhle. 
Der Herausgeber. 
**) Herr Dr. von Düring dürfte, zum Vortheile seiner Kran— 
ken, auch diesem Restchen Fleisch noch gar den Abschied geben; man 
sehe die folgende Note. Der Herausgeber. 
*x*) Ganz recht; aber die Menge wird am Wesentlichsten durch 
die Art und Beschaffenheit bestimmt. Man lasse auch das Fleisch 
noch fallen und verweise die Kranken auf durchaus und gänzlich reiz— 
lose, wahrhaft naturgemäße Nahrung, und die Zufuhr wird bald, sehr 
bald im vollen Einklang mit dem Bedürfniß siehen, der Grundsatz 
der naturgemäßen Heilweise der Zuckerharnruhr klar und rein her— 
gestellt, und damit die rascheste und sicherste Heilung zur ersten und 
Haupthälfte eingeleitet sein. Der Herausgeber. 
) Es hätte auch ein Trinkwasser von natürlicher Quellentem— 
peratur von 8 bis 100 R. vollkommen genügt, den nöthigen Reiz zu 
bieten. Eis und eisige Temperatur ist auf die Dauer sogar vom 
Uebel. Der Herausgeber. 
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