Volltext: Der Naturarzt 1868 (1868)

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sich jene ja nur immer tiefer und allgemeiner und ver- Gehirn⸗- und Nerven-, sowie Säfte- und Verdauungsleiden 
derbenbringender ein. obenanstehen: Gehirnentzündung, Wasserkopf, Rückenmark— 
Klinische Balneologie von Dr. G. Ludwig Ditterich, entzündung, Fraisen, gestörte Verdauung, schlechter Stuhl— 
Prof. an der Universiklät zu München Zweite Ausgabe Jang, mangelhafte Ernährung und Auszehrung, Scrofeln. 
1867. München, C. Meerhof's Verlag. 2 Bände. Geistige Stumpfheit, Blödsinn und wirkliche Geisteszer— 
2 Thlr. 20 Sgr. — 4 Fl. 40 kr. rhn.“ VIII u. 391 xrüttung sind gar oft die weitern Folgen. Als die schlimmste 
und IX u. 454 S. Folge aber stellt sich der damit eingeflößte Hang zur 
Wir bedauern, nicht mit dem Verfasser auf dem glei- päteren Genuß- und Trunksucht, mit allen ihren häß— 
chen medicinisch-, bez. balneo-therapeutischen Standpunkt zu lichen Aus- und Mißgeburten in Leib, Geist und Gemüth, 
stehen, wir müßten das Buch alsdann unbedingt aus Sitte und Character der Menschen heraus. Diesem Hange 
einer ganzen Reihe von Gründen empfehlen: Zweckmäßige zur Genuß- und Trunksucht, zur leiblichen und geistigen 
Anlage des Buches, außerordentlich reiche Belesenheit und Verdummung verfielen schon ganze Völker und verfallen 
eigene Erfahrung; dazu schöne äußere Ausstattung und auch jetzt noch in Hoch- und Uebermuth sich blähende 
billige Preisstellung von Seiten des Verlegers. große und kleine Nationen, an ihrer Spitze oft hoch— 
Der Standpunkt des Verf. ist eben der specifisch medi. gerühmte Männer sogenannter Wissenschaft. 
cinische; die ganze Wirkung der Mineralwässer begründet Ein Partheigänger des Charlatanismus. (Vergl. 
er nach deren mineralischem, bez. medicinischem Inhalt. Jahrg. 1867 d. Bl. N. 14, S. 115.) der bekannte 
Diesen Standpunkt aber theilen die Leser des „Naturarzt“ Dr Barry „Dubarry“, der Barnum des Linsenmehls 
bekanntlich nicht, sie sagen mit Prof. Bock: „So wirkt Reévaleuata arabiea“ — war bekanntlich früher Kam— 
bei vielen Badekuren vorzugsweise das Wasser und die merdiener gewesen und der renommirte Arzt Dr. Thomm— 
Luft heilend, nicht aber die im Wasser enthaltenen Mine— son wollte den zu großem Ruf und Reichthum gelangten 
ralbestandtheile oder gar der Brunnengeist;“ oder mit Mann persönlich kennen lernen und besuchte ihn in seiner 
Rausse: „Wenn während der Brunnenkur eine temporäre prächtig ausgestätteten Wohnung in einem der belebteften 
Erholung eintritt, so ist's die Wirkung — nicht der Mi- Stadttheile Londons. Dr. Thoͤmmson hatte durch seine 
neralien im Wasser, sondern — des Wassers trotz der Unterhaltung mit Barry sich sehr bald davon überzeugt, 
Mineralien, der Bewegung, der freien Luft und des daß dieser Mann von der Heilkunde nichts verstand; er 
sorglosen Schlaraffenlebens.“) hatte auch bald den früheren Kammerdiener in ihm er— 
In einem Anhang beider Bände zählt der Verf. auch fannt, und äußerte unverholen sein Erstaunen über die 
die jetzt bestehenden Kaltwasser- und diätetischen Heilan- enormen Erfolge seiner Schwindelei neben der reellen 
stalten, so wie die klimatischen Traubenkurorte auf, frei- medicinischen Wissenschaft.*) Barry führte lächelnd den 
lich nur äußerst kurz und flüchtig, und eine Besprechung Dr. Thommson an das offene Fenster, und auf die 
der Wirkung derselben im Allgemeinen wie im Besonderen sich in der Straße drängende Menschenmenge hinweisend, 
fehlt ganz. fragte er den Doctor: „Wie groß, mein Herr, schätzen 
Sie wohl die Zahl der Menschen, die wir hier sehen?“ 
Thommson antwortete: „Vielleicht Tausend.“ Barry 
fragte weiter: „Wie viele darunter halten Sie für wirklich 
zebildet und verständig genug, um zu begreifen, wodurch 
und wie Kranke zu heilen sind?“ Mit Achselzucken sagte 
Thomson: „Nicht Viele, vielleicht Acht bis Zehn.“ 
„Richtig — fuhr Barry fort — der Meinung bin auch 
ich; aber darin liegt auch der Schlüssel zur Erklärung 
meiner Erfolge. Die Acht oder Zehn Vernünftigen sind 
Ihre Patienten oder die eines andern Arztes, aber die 
übrigen 990 oder 992 sind meine und meiner Genossen 
Leute!“ Dagegen konnte Thommson natürlich nichts 
einwenden. 
Mißbrauch geistiger Getränke bei Säuglingen. Be— 
sonders in den Wein-, Bier- und Mostländern, wo der 
Krug mit dem geistigen Inhalt den ganzen Tag nicht leer 
vom Tische kommt, hat sich der Mißbrauch eingerissen, 
den Kleinen, ja selbst schon den Säuglingen, in der übel— 
verstandenen Meinung, solche Getränke würden die Klei— 
nen stärken, oder wenigstens ihnen nicht schaden, häufig 
des Tages schluckweise und selbst in längern Zügen aus 
dem immer bereit stehenden Glase oder Kruge anzubieten. 
Nichts aber wirkt schädlicher auf die geistige und körper— 
liche Entwickelung der Kleinen, als der Genuß von Spi— 
rituosen schon in so frühen Jahren. Geneigtheit zu 
Krankheiten überhaupt, sowie die Geneigtheit, in sonst 
auftretenden Krankheiten schlimmeren Grades und mit 
bösartigeren Zufällen zu erkranken, ist noch die geringste 
Folge des so frühen Spirituosengenusses. Bedeutungs— 
voller schon ist die Heranbildung von selbstständigen, direct 
durch den Genuß erzeugten Krankheiten, unter denen die 
*) Zu solchem Erstaunen lag für Dr. Thommson wahrlich 
kein Grund vor. Die medicamentöse Medicinwissenschaft ist eine 
noch viel größere Schwindelei, als Barry's kräftiges und leicht— 
oerdaukiches Nährmittel, — ja, es wäre noch zu fragen, ob letzteres 
überhaupt so zu bezeichnen wäre — mindestens störte es doch nicht 
das selpsstanvige Heilstreben und Walten der Natur der Erkrankten, 
die es aßen. 
*Prof. Bock: Supplementband, 2. Aufl. 1866, E. Keil, Leip— 
zig, S. 74. Rausse, Wasser thut's freilich. 5. Aufl. 1888. E 
Keil. Leipzig. S. 
Verlag von Theobald Grieben in Berlin. — Druck von A. Büche in Elgg, Kant. Zürich.
	        
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