Volltext: Der Naturarzt 1868 (1868)

immer gefahrlos, so fällt diese Frage von selbst dahin, 
abgesehen davon, daß der bis jetzt gebotene Schutz höchst 
unsicher und unverläßlich und zweitens selbst höchst ge— 
fährlichst ist und nach der Meinung Vieler sein Vortheil 
den Nachtheil bei Weitem überwiegt. Den Beweis ad. 1 
ist sicher jeder Naturarzt jeden Augenblick an sich, an seinen 
Kindern oder andern ihm zur Verfügung gestellten starken 
Kranken zu erbringen erbötig, und die freilich noch kurze 
Geschichte der naturgemäßen Heilweise legt ihn ebenfalls 
bündig dar. Sodann sollten sich doch einmal die Herren 
Schutzimpfer einmal eine wahrhaft wissenschaftliche, eine 
ihrem edlen Beruf einzig würdige Frage stellen: Sterben 
denn alle Kranken an den natürlichen Blattern? Und 
wenn nicht, — warum nicht? Schützte die am Lebenge— 
bliebenen ihre kräftigere, gesundere Organisation? oder 
eine entsprechende Verhaltungs- und Behandlungsweise? 
Warum suchen wir nicht im unermüdlichsten Streben 
jene kräftigere Organisation allen lieben, unserm Schutze 
und unserer Polizei anvertrauten Menschenkindern zu 
Theil werden zu lassen? Oder waärum lassen wir jene 
entsprechendere Verhaltungs- und Behandlungsweise nicht 
allen unsern Pockenkranken gleichmäßig angedeihen? 
Diese Fragen und deren Antwort — sie liegen so 
nahe, so um Vieles näher, als die über die Wichtigkeit 
und Zuträglichkeit der so mysteriösen, so unnatürlichen 
und noch immer so streitigen Schutzimpfung. Ginge doch 
die Medicinwissenschast zunächst an die Lösung derselben. 
Warum in die Ferne schweifen? 
Sieh, das Gute liegt so nah! 
Prof. Dr. med. Jos. Hammernik. Contagium, 
Epidemie und Vaccination. Prag. Selbstverlag, 
1867. S. IX und 37. Prof. Hamernik an der Univer— 
sität Prag gehört zu den wenigen, ach! so wenigen Aerzten, 
die uneingenommen von dem sie umräuchernden Qualm 
und Wissensdunst Aug' und Ohr und vor Allem Herz 
und Mund frei und offen bewahrt haben für eine unbe— 
fangne Naturanschauung und Geschichtsforschung und deren 
öffentliche Kundgebung. Herr Prof. Hamernik setzt, ge— 
stützt auf die Thatsache, daß die-Geschichte der Medicin 
von nichts mehr wimmelt, als von aufgestellten und wie— 
der gefallenen und gestürzten Methoden, Lehrsätzen und 
Hypothesen, auch in die dermalen gültigen Lehren vom 
Contagium und den Epidemien. Er ist rücksichtslos ge— 
nug, unsre heutigen, von Pettenkofer, Wunderlich 
u. A. so warm befürworteten Desinfectionsmethoden frisch— 
weg mit jener Desinfectionsmethode zu vergleichen, mit 
welcher man einst das europäische Menschengeschlecht von 
sogenannten Teufelsbesessenen reinigen wollte, den — 
Hexenprocessen. Er meint, so wenig je wirklich Hexen 
existirt hätten und haben könnten, so sehr sei es auch 
noch in Frage, ob überhaupt ein wirkliches Contagium, 
ein Ansteckungsstoff bei Cholera, Typhus ꝛc. vorhanden. 
Nachgewiesen, wissenschaftlich festgestellt sei und ist auch 
wirklich noch keines. Mit gleicher Rücksichtslosigkeit gegen 
herrschende Ansichten und Vorurtheile verwirft er die 
Kuhpocken als Schutzmittel gegen die natürlichen Pocken. 
Er sagt wörtlich z. B. (S. VIII): „Die Schutzimpfung 
ist einfach widersinnig und die Beweggründe so— 
wohl ihrer Einführung als ihrer weiteren Ver— 
breitung sind ein wahrer Schandfleck der ärztlichen 
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Praxis.“ Er schließt sein Schriftchen mit den Worten: 
„Nach meiner innersten Ueberzeugung werden nur jene 
Aerzte zu den Wohlthätern der Menschheit zählen, welche 
die angeführten Uebelstände der Medicin überwinden hel— 
fen, Verbreitung der anticontagionistischen Lehren ver— 
schaffen und die Kuhpockenimpfung beseitigen werden!“ 
Wir wollen diese Worte gerne als auch uns zugesprochen 
annehmen, zur Aufrichtung in unsrem mit so vielen 
Widerwärtigkeiten verknüpften Streben in der gleichen 
Richtung. 
Dr. O. Weber, Professor an der Universität Heidel—⸗ 
berg. Ueber die Anwendung der schmerzstillenden 
Mittel im Allgemeinen und des Chloroforms 
im Besonderen. Berlin. C. G. Lüderitz'sche Buchhdlg. 
(A. Charisius). 10 Sgr. Subscriptionspreis 5 Sgr.“ 
Dies Schriftchen bildet das 32. Heft der Sammlung 
—A 
Redaction von Rud. Virchow und Fr. v. Holtzendorff. 
Es ist nichts als eine Schönmalerei des heutigen Standes 
der Naturwissenschaft und speciell eine hochtrabende Ver— 
herrlichung der Medicinischen Unheilwissenschaft, gehalten 
vor einem größeren Publikum im Museum zu Heidelberg. 
Nach Prof. Dr. med. O. Weber ist die Entdeckung 
der schmerzstillenden Mittel eine der segenvoll— 
ten Bereicherungen der Medicinkunst (S. 1). Es 
ist nach ihm ein Vorurtheil, zu glauben, daß der Schmerz 
eine naturnothwendige Folge voraufgegangener Verkehrt— 
heiten (oder volksthümlich gesprochen: ein von Gott ein— 
gesetztes Uebel) sei. Nach ihm hat man nicht einmal Recht, 
der Medizin und den Medizinern einen Vorwurf darüber 
zu machen, daß sie gleich leichtfertig wie gewissenlos un— 
zählige Male ihre zu operirenden Opfer vom Leben zum 
Nimmererwachen chloroformirten (S. 19). Er nennt die 
Zahl der in den letzten 20 Jahren zu Tode Chloroformirten 
(150) verschwindend klein (S. 30). Wörtlich sagt er (S. 30): 
„So groß wie die Besorgniß (bei einem eine Viertel— 
stunde lang (1) Athem- und Pulslos Unterhaltenen), so 
viel größer ist die Freude des glücklichen Aus— 
ganges“ 
Man weiß nicht, soll man mehr den Vorurtheilbefan— 
genen Arzt und Professor wegen seines Köhlerglaubens be— 
dauern, oder das Publikum, das in seiner Beschränktheit 
all' die Ausflüsse solchen Köhlerglaubens als die Ergeb— 
nisse reiner und exacter Forschung und Wissenschaft für 
baare Münze hinnimmt. Hören wir einmal andere, etwas 
minder befangene Männer der Wissenschaft über dies 
gleiche Kapitel sich äußern — das Urtheil lautet da un— 
endlich verschieden. 
Der berühmte französische Anatom, Chirurg und Ope— 
rateur Pötrequin hat der franz. Akademie der Wissen— 
schaften eine Abhandlung überreicht, in welcher er die Ge— 
fahren schildert, die die Anwendung des Chloroforms als 
betäubendes Mittel bei Operationen im Gefolge hat; er 
dringt auf die Ersetzung desselben durch Aether (Schwefel— 
äther) als viel minder gefährlich. Wörtlich leitet Pétre— 
quin seine Abhandlung ein: „Das Chloroform und der 
rectificirte Aether waren und sind noch der Gegenstand 
der widersprechendsten Aussagen. In einer frühern, am 
4. Dez. 1865 der Akademie übergebenen Abhandlung habe 
ich gezeigt, daß die Aethexisirung wesentliche Fortschritte 
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