Volltext: Der Naturarzt 1868 (1868)

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egenden Besuch in Anspruch genommen wird. Alsdann 
chweigen wohl intermittirend rein körperliche Schmerzen, 
velche wiederum andern Theils durch eine auf das Ge— 
nüth herabstimmend wirkende Zufälligkeit wären vergrö— 
zert worden. Dieser unzweifelhafte Widerstreit zwischen 
Feist und Körper berechtigt uns, das lateinische Wort auch 
o zu verstehen: „P sana mente sanum corpus (Eine 
gjesunde Seele, d. h. hier eine tüchtige, sich selbst beherr— 
hende Willenskraft vermag einen gesunden Einfluß auf 
en erkrankten Körper auszuüben.)“ *) 
Gall bemerkt in dieser Beziehung: „Die Heiterkeit 
ind Zufriedenheit des Gemüthes haben vielen Einfluß auf 
die Gesundheit und Munterkeit des Körpers, ja auf ein 
langes Leben; sowie das Verderben des Gemüthes der Ge— 
sundheit und dem Leben gefährlich wird, geringe Wider— 
wärtigkeiten vergrößert und durch Verzweiflung endlich 
die Entschließung des Selbstmordes herbeiführen kann.“ 
„Die Bewegungen des Herzens und des Blutes wer— 
den durch angenehme Empfindungen, Erinnerungen, Sehn— 
ucht, Leidenschaften gar verschiedentlich beschleunigt, verzö— 
gjert oder sonst auf eine Art gestört, wovon nicht selten 
schwere Krankheiten oder der unmittelbare Tod die Folge 
sst. Eben diese Dinge wirken auf die Bewegung des Ma— 
gens, der Eingeweide. Manche Vorstellungen bringen auch 
m Zwerchfell, und zwar jede ihre eigene Empfindung her— 
vor; eine lächerliche Idee kitzelt; eine Idee von Unan— 
tändigkeit, Beleidigung sticht, oder erregt sonst gegen das 
Rückgrath zu ein lästiges, beunruhigendes Zusammenschnü— 
ren. Der äußerst gepreßte, marternde Zustand der Brust 
um die Gegend des Zwerchfells bis an den Schlund bei 
der Eifersucht wird wohl beinahe Jedem bekannt sein.“ — 
Aus all dem geht wohl zur Genüge hervor, ein wie 
zroßes Gewicht, sowohl um sich vor Geisteskrank— 
heit zu schützen, als auch um diese zu heilen, auf 
die Diätetik des Körpers zu legen ist. 
Wir haben weiter oben des Falles erwähnt, wo bei 
der Leichenöffnung eines Irren als Hauptbefund sich eine 
Entartung der Eingeweide (des Grimmdarmes) heraus— 
tellte. Sie allein und ihre Folgeerscheinungen konnten 
die Geisteskrankheit erzeugt haben. Bei einem andern 
kranken an Melancholie mit fixen Wahnideen fanden sich 
bei der Section über 160 Darmgeschwüre. In offenba— 
rem Zusammenhang mit diesem Körperleiden behauptete 
er, ein Thier im Leibe zu haben, und fügte jedesmal die 
absurde Bemerkung in klagendem Tone hinzu: „Zu Hause 
jaben sie von mir einen Abgott aus Dreck gemacht und 
werfen darnach, das macht meine Schmerzen.“ 
Bei einem dritten Irren fand sich nach dem Tode 
knochenfraß zweier Rückenwirbeln, Knochensplitter reichten 
his nah au das Rückenmark. Dieser litt an krampfhaf— 
ien Zukungen des rechten Armes, den er un willkürlich 
seben mußte, um mit demselben eine Reihe abwehrender 
Bewegungen auszuführen. Diese Bewegungen waren Reflex— 
»ewegungen (mitgetheilte). Fragte man, weshalb er so 
thue, so antwortete er regelmäßig, er verscheuche die bösen 
Geister, die ihn in Schaaren umgäben. Er litt an Dä— 
nonomanie, war sonst ein fügsamer, williger Mensch, aber 
x) Man vergl. hierzu das treffliche Schriftchen Imman. Kant's: 
Von der Macht des Gemüths, seiner krankhaften Gefühle Meister zu 
verden. Der Herausgeber. 
'm Zusammenhang mit dem rein lokal sich entwickelnden 
Wirdel-Knochenfraß und der Mitleidenschaft des Rücken— 
narks entartete auch der Geist, resp. das Gehirn. Nicht 
mmer läßt sich der vorhandene ursächliche Zusammenhang 
o unzweifelhaft nachweisen. Auch ist der Mensch nicht 
mmer im Stande, bei vernünftiger Pflege des Körpers 
ind bei der Sorge für regelrechte Verrichtung seiner Or— 
jane den bevorstehenden Geisteskrankheiten Halt zu gebie⸗ 
en, so namentlich schwer, wenn erbliche Anlagen mit ins 
—A0 Mißgeschicke die Seele 
»erwunden: allein trotzdem ist unter allen Um— 
tänden die Kräftigung des Körpers ein unschätz— 
»ares Vorbeugungsmittel. 
Fragen wir jetzt; Wie soll diese Kräftigung vor sich 
zehen? Die einfachsten Mittel sind die besten. 
1) Pflege der Haut, Stärkung der Haut durch 
zühle Waschungen und Bäder. Dr. Alwin Koch 
sieht den Nutzen des Badens in Folgendem: „Durch Ba— 
den pflegt man zu sagen, wird die Haut gereinigt und 
gekräftigt; aber in Wirklichkeit sind es vorzüglich die fei— 
en Nervenenden, auf welche das Bad wohlthätig kräfti— 
zgend einwirkte. — Die kleinen Schweißdrüsen und Poren 
der Haut, deren Zahl sich bei einem Erwachsenen auf über 
2u/, Millionen beläuft, werden geöffnet, von allem ver— 
topfenden Schmutze befreit und sowohl die Ausdünstung 
des Körpers, wie die Einsaugung von Feuchtigkeit und 
Gasen aus der Luft durch die Haut wird dadurch erleich— 
tert. Ein Drittel aller genossenen Nahrungs— 
mittel wird durch die Hautausdünstung aus 
dem Körper ausgeschieden, und schon aus diesem 
einen Umstande wird für einen Jeden die Wichtigkeit des 
Badens hervorleuchten.“ 
Bedenkt man weiterhin, daß die Haut in der Geistes— 
krankheit ihre Funktion schlecht verrichtet, daß die Wieder— 
herstellung der Transspiration häufiger als man es glaubt 
zsur Heilung der Geisteskrankheit beiträgt, so wird man 
Zie therapeutische Wichtigkeit der Bäder nicht verkennen. 
Auch der schwächlichste, von Rheumatismen ärgst geplagte 
Mensch kann durch Vorsicht und systematisches 
VLorgehn nach und nach an den Gebrauch des kalten 
Wassers *) ohne Nachtheil gewöhnt werden. Die Haut 
ist das wichtigste Organ der Aufnahme und der Ausschei⸗ 
dung krankhafter Stoffe. **) Welche Leiden werden nicht 
auf Erkältung zurückgeführt? diese fallen weg, wenn die 
Hautoberfläche abgehärtet worden ist. 
2) Häufiger Aufenthalt in frischer, freier, 
gesunder Luft und Bewegung. „Bei aufrechter 
Stellung und Körperbewegung, wobei die Bauchwände stär⸗ 
ker bethätigt sind und die Athmungsbewegungen energi— 
scher geschehen können, wird ein vermehrter Druck auf die 
H Freilich; doch ist zur Erlangung einer abgehärteten Haut und all—⸗ 
Jemeiner Gesundheit durchaus kaltes Wasser nicht nöthig. Oben— 
rein dürfte man die bei Geisteskrankheit oder der Neigung dazu 
o nothwendige Ableitung von Kopf und Hirn wie in kalten Halb— 
»der gar Vollbädern nicht erzielen wollen. 
Wir kommen in unserm Nachwort zu dieser Dr. Goullon'schen 
Abhandlung hierauf zurück. Der Herausgeber. 
Ry Dieser Satz behauptet zu viel und Unrichtiges. Eben so 
vichtige Ausscheidungsorgane als die Haut sind die Nieren, der 
Darm die Lunge, resp. Nase und Mund; als Aufnahmsorgan aber 
eht die Haut dem Munde, resp. Magen und der Lunge weit hin⸗ 
ennach. Der Herausgeber.
	        
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