Volltext: Der Naturarzt 1868 (1868)

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dann nach mehrmaligem Abwaschen binnen 3ÿ4 Stunden Im Vorbeigehen wollen wir zuerst von dem 2. Täß— 
in behagliches Allgemeingefühl Platz machte. bden Kaffee reden. Wenn ein Mensch aber 8 Täßchen 
Biunen den naͤchsten Tagen fühlte Patient sich wie rinkt, wann soll er das dritte Täßchen trinken? Wir 
jeugeboren und wie von allen seinen Uebeln geheilt, so etzen nämlich voraus, es sei gewiß ebenso vernünftig, 8 
aß er am achten Tage nach dem letzten entscheidenden Täßchen zu trinken, als nur 1 oder 2. Denn wenn ein 
Alischen Schweißausbruch mit vorgängigem Manieanfall Täßchen Kaffee ein die Magenverdauung unterstützendes 
sie Anstalt verließ, um die weitere Heilung der allge— seizmittel ist, während 2 bis 3 Stunden später ein 
einen und Mageunnervenschwäche, wie schon gesagt, einer Täßchen den Speisebrei aus dem Magen fördert, so muß 
zachträglichen häuslichen Kur anheimzugeben. nan ganz unwillkürlich zu der Ansicht kommen, daß nach 
Daß in vorliegendem Falle von einem Magenkrebs veitern 2 bis 3 Stunden jeweilen ein drittes oder vier⸗ 
nicht die Rede sein konnte, ist leicht begreiflich: sämmt- es Täßchen dem Magen irgend noch einen Liebesdienst 
iche Magensymptome schwiegen sofort, als die gewohnten zrweisen könnte. Am Ende waren die alten Römer zur 
jppigen Gastereien und die tollen Medikamentengaben ein Zeit des Lurxus, der Schwelgerei und der Sittenloßigkeit 
Fvnde hatten. Magenkrebs mag immerhin heilbar sein, 2och gescheitere deute als Bock, Moleschott und Comp. 
aber nicht von heut auf morgen, in wenigen Tagen, weni- datten sie den Magen vollgestopft, so entleerten sie dessen 
gen Stunden. Immerhin verdient diese Kur vom Stand⸗ Inhalt auf dem kürzesten Wege durch ein Brechmittel 
unkte mittelsüchtiger Charlatanerie und medikamentöser und schafften so für neue Leckerbissen Platz. So raffinirt 
uadsalberei aus sehr wohl die Bezeichnung „Wunderkur“, Jabgefeimt, schlau) waren sie noch nicht, daß sie ein ganz 
dnatürlich und einfach auch Alles dabet zuging; und eines Gift in den Magen sandten, um ihn wider die 
ihnliche natürlich-einfache „Wunderkuren“ haben sicher Natur zu dressiren; sie waren so vernünftig, daß sie ihm 
chon oft dazu gedient, unter dem dazu gehörigen markt- die Verdauung gar nicht zumutheten , sondern ihm die 
chreierischen Aufputz kleinen Aerzten einen berühmten vast so bald als möglich wieder abnahmen. 
Homen Und gehaltlosen Heilformeln einen großen Ruf Das Täßchen Kaffee nach dem Essen ist daher noch 
zu geben. Der Arzt braucht nur den Menschen im Ein- viel unnatürlicher als das verpönte künstliche Erbrechen 
elnen, wie Macchiavell den Menschen im großen Gan— der Römer. 
en nach dem Grundsatz zu schätzen: Mundus vult decipi, Wir haben am Täßchen noch etwas zu bemerken. 
xgo décipiatur, auf gut Deutsch: Die Menschheit ist im Warum spricht Bock nur von einem Täßchen und nicht 
Allgemeinen noch dumm genug dazu, sich das Fell von von einer bürgerlichen Tasse? Zwei Täßchen auf einmal, 
inen Verathern über die Ohren ziehen zu lassen, man gegen die Bock wenigstens keine ernstliche Einwendung 
cheere und schinde sie drum nach allen Seiten und Rich—⸗ erhebt, machen auch soviel als eine Tasse. 
lungen, wo irgend sie sich fremder Berathung anheimgiebt. Die Täßchen und auch das Schläfchen kommt uns 
etwas verdächtig vor. Das „chen“ erscheint fast als ein 
Verräther, daß der gelehrte Herr Professor kleine diäte— 
tische Untugenden (oder auch große diätetische Sünden) 
bertuschen will. Wäre die Sache nicht zu ernsthaft, so 
pürde es uns beinahe lustig dünken, wie man den unter 
rinem seidenen Mäntelchen hervorguckenden Bocksfuß für 
einen leibhaftigen Pferdefuß halten könnte. 
Die alte Gesundheitsregel: „Nach dem Essen sollst 
dusstehen oder tausend Schritte gehen', ist nach 
dem Leipziger Professor aus Großmutters Handkörbchen 
zenommen; auf die steinernen Tafeln Bock'scher Gebote 
follte in Zukunft eingegraben werden: „Nach dem Essen 
'ollst du ruhn, oder auch ein Schläfchen thun.“ 
Die Wahrheit dieser neuen Botschaft wird von ihm tief— 
innig begründet und zwar mit dem Gebaren der 
Thiere nach dem Fressen, die, was die Ver— 
dauung anbetrifft, wirklich nicht unvernünf— 
ziger als die Menschen sind und recht wohl 
vissen, was dabei nützt. — Wenn doch die armen 
Thiere sich nur auch einen Kaffee brauen könnten! 
Was nun das Gebaren der so vernünftigen Thiere 
betrifft, so wissen wir allerdings, daß z. B. die Raub— 
thiere, wie die Tiger, Löwen, u. s. w., nachdem sie mit 
Wollust das rohe Fleisch verzehrt haben, sich einer wah— 
ren Faulenzerei hingeben, aus der sie sich nur erheben, 
um wieder frisches Fleisch erjagen zu können. Wir glau— 
den nun doch, daß der Mensch eine höhere Bestimmung 
abe gnd wenigstens diese Thiere gar nicht nachzuahmen 
zrauche. 
——— — —— — — 
Herrn Prof. Bock's Mitkagsschläfchen. 
Ueber das Mittagsschläfchen oder die „Siesta“ des 
heutigen Culturmenschen sagt Bock.*):. „Gleich nach dem 
zssen folge man nur dem Bedürfnissen) nach Ruhe 
und mache sein Mittagsschläfchen. Was das Kaf— 
eetrinken nach dem Essen betrifft, so genießen manche 
den Kaffee gleich bei Tische und als ein die Ma— 
genverdauung unterstützendes Reizmittel, 
vpährend andere ihr Täßchen Kaffee später trinken und 
damit die Fortschaffung des Speisebreies aus dem Magen 
hefördern. Wer zwei Täßchen trinkt, sollte das eine 
zleich nach dem Essen, das andere 2 bis 3 Stunden dar— 
nach zu sich nehmen.“ 
Bock schreibt dieses in einem Buche, das den Müt— 
tern und Lehrern gewidmet ist, in deren Händen die 
Zukunft kommender Geschlechter liegt, — in einem Buche, 
dessen Hauptzweck die Förderung vernünftiger Ansichten 
iber die natürgemäße Pflege des gesunden und kranken 
Menschenkörpers ist. * 
*) Das Buch vom gesunden und kranken Menschen, 3. Auflage. 
bag. 201. 
xx) Ein solches Bedürfniß fauler Mittagsruhe zeigt sich bei 
hlut-, bezüglich fleischloser Diät nicht; es entspringt meist nur aus 
ßewohnheit, aus zu reichlichem Essen, oder — und zwar, am häu— 
igsten aus zu reizvoller Nahrung, wie es die Fleischdiät ist. 
Der Herausgeber.
	        
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