Volltext: Der Naturarzt 1868 (1868)

— — — 
lichen Kinder werden mit Gewalt aufgebrochen, um das 
schreckliche Elend hineinzugießen! — Wie, und dennoch ißt 
der Mensch das Gift aus freier Entschließung und bezahlt 
es mit gläubiger Seele? So ist es, und Mancher mögte 
glauben, daß nur dem schwarzen Erbfeind alles Glückes 
es gelingen konnte, die Menschen zu überreden, Gift bringe 
Gesundheit. — So ist die fürchterlichste Pest des Men— 
schengeschlechts, die Giftpest von den Menschen freiwillig 
aus den schwarzen Schlünden der Erde hervorgegraben; 
so ist sie Jahrhunderte lang gepflegt und angestaunt als 
eine tiefe Wissenschast; so ist ihr oft genug die letzte Habe 
zum Opfer gebracht! — Für das größte Elend sind so 
hbiele Milliarden Thaler weggeworfen worden, daß alle 
Staatsschulden Europa's zehnmal davon bezahlt werden 
könnten; auf das Studium dieser mörderischen Irrthümer 
haben schon Millionen und aber Millionen Menschenköpfe 
ein ganzes Leben und alle ihre Kräfte verwandt. — In 
solche Abgründe des Elends und des Unsinns versinkt der 
Mensch, wenn er — verschanzt hinter den Bollwerken der 
„Wissenschaften“ — der Natur und dem Instinct den 
Fehdebrief schreibt! Ha! wie züchtigt die Natur diese 
Affen, die sie hofmeistern wollen! O, du große, du un— 
aussprechliche Natur, wie bist du so furchtbar schön und 
gerecht in deiner unerbittlich vernichtenden Strenge!*) 
Der Einfluß der medicinischen Brüderschaft durchdringt das 
zanze Volk vom Fürsten bis zum Bettler. Diese alte 
Todesgarde kämpft, mit wenigen Ausnahmen, um ihrer 
Subsistenz willen gegen das Aufkommen einer naturgemä— 
zeren Heilweise, die Gegenkämpfer streiten für die Wahr— 
heit. Was aber ist in dieser Hunger- und Magenwelt 
selbst ein groß Stück Wahrheit gegen ein klein Stück Brod? 
So überwiegend ist von je unter den Menschen die Herr— 
schaft der Selbstsucht gewesen, daß stets die Kämpfer für 
Wahrheit untergegangen sind an der Welt Eigennutz und 
an der Dummheit, die vom Eigennutz gepflegt und gehät— 
schelt wird. Wer hat noch Lust zum Kampfe für die Waähr— 
heit, als etwa Narren? Der größte Unterschied zwischen 
zescheidten Leuten und Narren besteht darin, daß Erstere 
für's Geld fechten und Letztere für die Wahrheit. In 
dieser Welt voll schlemmender Pansa's und beutelschnei— 
dender Passamante's gilt jeder Kämpfer für Wahrheiten und 
Ideen für einen verrückten Don Quixote, und das ist das 
tiefe Elend solch armen Ritters, daß er das Alles sehr 
vohl weiß und doch durch geheime unwiderstehliche Ge— 
valt getrieben wird, den Kopf zu zerschellen an der alten 
chinesischen Mauer der herabgeerbten Dummheit und Be— 
rügerei. — Der Stand der Mediciner zieht seinen Lebens— 
unterhalt aus den Krankheiten der Menschen; je häufiger 
also und langwieriger die Krankheiten sind, desto reich— 
licher ist der Verdienst der Mediciner. Den allergrößesten 
Vortheil wird ihnen eine Heilmethode bringen, die für 
den Augenblick ein Gefühl der Hülfe gewährt und dadurch 
mit dem Schein des Heilens blendet, während sie durch 
) Aehnlich Göthee: „Wenn die Natur verabscheut, spricht sie 
es laut aus. Das Geschöpf, das nicht sein soll, kann nicht wer— 
den; das Geschöpf, das falsch lebt, wird früh zerstört. Unfrucht— 
harkeit, kümmerliches Dasein, frühzeitiges Verfallen, — das sind 
ihre Flüche, die Kennzeichen ihrer Strenge. Da! seht um Euch 
her, und was verboten und was verflucht ist, wird Euch in die 
Augen fallen.“ (Wilhelm Meister.) 
hre spätere oder Nachwirkung den Keim zu neuen Erkran— 
ungen pflanzt und somit die Krankheiten immer häufiger 
ind langwieriger macht. Eine solche Heilmethode ist das 
vahre Ideal für den Geldbeutel der Heilenden; in ihr 
iegt die Realisirung des höchsten Wunsches aller derjeni— 
zen Heilkünstler, denen der eigene Vortheil mehr gilt, als 
zas Glück der Nebenmenschen. Leider ist dies entsetzliche 
Ideal seit einigen Jahrhunderten volle Wirklichkeit und 
seißt Allöopathie oder Medicin. — Wenn nach schon ge— 
chehener großer Ausbreitung und Machtgelangung der 
Jünger einer solchen falschen Heilmethode die naturgemäße, 
zie einzig wahre Heilweise gefunden und angebahnt wird, 
nit der natürlich die Krankheiten seltener und kürzer ge— 
nacht werden und die außerdem von jedem Laien erlernt 
und mit Sicherheit gehandhabt werden kann, dann wird 
rothwendig ein großer Theil der alten fest organisirten 
Aerztezunft, schwer bedroht in seiner ganzen Existenz, allen 
kinfluß und alle nur denkbaren Mittel zur Unterdrückung 
der neuen Wahrheit in Bewegung setzen“ J 
So weit Rausse. * 
Der Menschengeist, bei vorherrschender Sinnlichkeit 
nicht zur normalen Anregung gelangt und also nicht in 
harmonischem Gleichgewicht mit der vorzugsweise gepflegten 
dörperlichkeit, Bauches- und Sinnenlust, strebt dennoch 
ieses Gleichgewicht zu erlangen an, aber dann freilich 
nicht mehr direct in rein geistiger Weise, sondern auf Um— 
vegen durch die Hülfsmittel der Sinnlichkeit — er ver— 
angt geistanregende, geistreizende Genußmittel, das sind 
die Narkotika und die Alkoholika. Darum und aus keinem 
anderen naturgesetzlichen Grunde der allgemeine Zug der 
toch tief unten in wahrhafter Bildung stehenden Mensch— 
Jeit nach narkotischen und alkoholischen (betäubenden und 
jeistigen) Genußmitteln, nach dem Kaffee und Thee, nach 
dem Tabak und Opium, nach dem Bethel, dem Haschisch 
und der Coca, nach dem Most und dem Biere, nach dem 
Quast und dem Kumiß, nach dem Wein und dem Brannt⸗ 
vein, nach dem Rum und dem Arac und Cognac. Wenn 
der Geist nicht die ideale Anregung und Bethätigung er— 
zält, so verlangt er wenigstens nach der sinnlichen An— 
regung; was er nicht in sich findet, fucht er außer sich.*) 
Darum konnte die Branntweinpest so allgemein werden! 
Es ist ja wieder nur die Macht der Sinnlichkeit im Kampfe 
mit der Macht der Idee, in einer neuen Form, unter 
neuen Bedingungen. 
Ziehen wir noch einmal in einem kurzen Ueberblick 
die aufgeführten Sätze als Antwort auf die in der Ueber— 
schrift gestellte Frage zusammen, so finden wir: 
1)Der Mensch lebte uranfänglich instinctiv, natur— 
gemäß; gleich dem Thiere waren dem Menschengeschlechte 
in seiner Kindheit körperliche Gebrechen fremd.. 
2) Der Mensch sollte sich aber nicht blos thierisch, in— 
tinctiv (natürlich nach den Theologen), sondern auch 
oernünftig, sittlich, geistig entwickeln, er sollte wählen, 
er sollte „sich seiner bewußt“, er sollte „vernünftig“ 
werden. 3e8 
3) In Folge seiner doppelseitigen Natur, der sinnlichen 
oder begehrlichen und der idealen oder entbehrenden (ent⸗ 
Bergl. Naturarzt 1867 S. 148, Nr. 18, und Praktisches 
Handbuch von Th. Hahn, J. S. 80 u. ff.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.