Volltext: Der Naturarzt 1868 (1868)

(Floyer.) Der Kapuziner-Pater Bernardo ließ seine 
Blatternpatienten beständig kalt Wasser trinken und brachte 
die auffallendsten Heilungen zu Wege, ohne üble Ausdün— 
stung der Kranken oder Verunstaltung derselben durch 
Narben. Der Großprior Ferretti lag, 92 Jahre alt, 
am Fieber schon in den letzten Zügen, als er kalt Wasser 
begehrte; man gab ihm Eiswasser zu trinken, er kam 
wieder zu sich und genas. (Schwertner, Medicina vere 
univers. II. 76 u. f.). Ein Typhuskranker, den die Aerzte 
schon für verloren hielten, ließ um sein Bett herum sich 
Leute aufstellen, die beständig kaltes Wasser aus einem 
Gefäß in ein anderes gießen mußten, bis er gekuhlt in 
dem solcher Weise erzeugten kalten Wasserdunste einschlief 
und genas. (Floyer.) Ein höherer Offizier in italieni— 
schen Diensten ließ sich in einem hitzigen Fieber in blo— 
ßem Hemde auf ein Strohlager legen, welches man vor— 
her mit zerstoßenem Eise überstreut hatte; seine Decke 
bdildeten gleicherweise mit zerstoßenem Eise bestreute Lein— 
tücher; er war binnen Kurzem geheilt. — Dr. Willis 
erzählt von einer fieberkranken Magd, welche weder 
durch Aderlaß noch Klystiere, weder durch kühlende noch 
durch schlafmachende Mittel, ja nicht einmal durch Trinken 
kalten Wassers genügende Beruhigung für ihre wilden 
Phantasien und Delirien fand; sie ließ sich mitten in der 
Nacht in einen Fluß bringen, brachte eine Viertelstunde 
drin zu, ging bei vollzurückgekehrtem Bewußtsein heraus, 
ins Bett, schwitzte und genas in kürzester Frist. — Die 
Neger Afrikas waschen alle ihre Blatternkranken. — Dr. 
Floyer führt (in seiner «Psychrolusia») viele Beispiele 
von Leuten an, welche bei zufälligem Hineingerathen in 
Wasser und Schnee von ihren Blattern glücklich kurirt 
worden sind. Einer war einmal ins Wasser gerathen; 
herausgekommen, blieb er noch ein paar Stunden im 
nassen Hemde sitzen und ein Anderer verweilte gar selbst 
2 Stunden im Wasser. Beide wurden glücklich gesund. 
Noch ein Anderer hatte die Blattern im höchsten Grade; 
in der Verwirrung lief er Nachts in bloßem Hemde eine 
Viertelmeile weit im Schnee fort und wurde bald ge— 
sund. — Eine Wöchnerin lag 'nach ihrer ersten Entbin— 
dung im heftigsten Kindbettfieber bewußtlos in wilden 
Delirien. Sie stürzt sich in einer kalten Novembernacht, 
nach Kühlung lechzend, in einen 8 Fuß tiefen Sodbrun 
nen. Erst nach 112, stündigem Suchen entdeckt man sie 
und trägt sie, erstarrt und noch bewußtlos, ins Bett zu— 
rück. Ein reichlich eintretender Schweiß führt sie bald 
zu Bewußtsein und vollständiger Genesung zurück. — Joh. 
Sigm. Hahn, Stadtarzt in Schweidtnitz, erzählt Folgen— 
des aus einer Cholergepidemie im Jahr 1737 in Schle— 
sien. „In jener Frühlingsepidemie, welche sich anfänglich 
durch Kopfhitze, Fußkälte, Gliederkrampf, kalten Schweiß, 
schweres Hören und Reden auszeichneten, behalf man sich 
mit China und reichlichen warmen Getränken. Wie abet 
dieses Uebel sich plötzlich in die Cholera oder Brechruhr 
umwandelte, wurden fleißig kalte Waschungen angewandt, 
und wer sich kalt waschen ließ, kam davon. Mein Bru— 
der, Joh. Gottfried, Oberarzt und Dekan der med. Fakul— 
tät in Breslau, lag nun selbst an jener Epidemie schwer 
darnieder. Da eilte mein alter Vater, Dr. Signmund 
Hahn, Stadtarzt, nach Breslau und ließ meinen Bruder 
m 
J 
beständig mit kaltem Wasser abfrischen, was täglich wohl 
zehnmal geschah und in Kurzem ihm das Leben rettete.“— 
Wir gehen nun zu den zwei Fällen neueren Datums 
über. Den einen Fall erzählt Medicinalrath Richter in 
einer „Darstellung des allopathischen, homöopathischen 
und hydro-diätetischen Heilverfahrens (Dresden. M. Hein— 
sius. 1868. 74, Sgr.) S. 4: „Ein junger Mann von 
24 Jahren lag bereits 13 Tage schwer krank am Typhus 
darnieder und die vereinigten Bemühungen zweier Aerzte 
hatten es nicht verhüten können, daß nunmehr die Be— 
stellung der Sterbesakramente für angezeigt erachtet wurde, 
Bei den Vorbereitungen hierzu erwachte der Kranke aus 
der Schlummersucht, die ihn schon Tage lang gefessel— 
hatte; er sprang, plötzlich wie von wilden Delirien erfaßt, 
aus dem Bette, entrann auf die Straße und stürzte in 
den fußhoch liegenden Schnee, mit dem er noch durch die 
Versuche, sich seiner wieder bewußt zu werden, inniger in 
Berührung kam. Man brachte den ganz durchnäßten und 
obor Frost zitternden Kranken wieder in sein Bette, und 
der herbeigerufene Arzt erklärte, es sei nunmehr jede Aus— 
sicht auf Heilung völlig geschwunden, der Tod nach einer 
so eindringlichen Erkältung unausbleiblich. Den Um— 
tehenden schien dieser Ausspruch des Arztes nur zu be— 
gründet und als der Kranke bald darauf einschlief, glaubte 
nan sicher, es werde für ihn kein Erwachen auf Erden 
mehr geben. Aber siehe da! Der Zufall hatte die durch 
die gereichten medicamentösen Reizmittel und die heiße 
Stube in Unwirksamkeit versetzte Natur (außer Thätigkeit 
gesetzte Nervenenergie) aus diesen sie fesselnden Banden 
erlöset (durch den Kältereiz und die mit diesen gegebenen 
electrischen Strömungen in neuen Trieb und Fluß gesetzt), 
denn nach kurzer Zeit begannen sich auf der Stirne des 
Schlafenden rinnende Perlen warmen Schweißes zu zeigen 
und aus sechs- bis achtstündigem Schlafe erwachte der 
Kranke in voller Genesung. „Wer hätte sich das denken 
önnen?“ — so fragten die beobachtenden Aerzte und 
Laien. Und wer konnte Antwort geben? Der freilich 
nicht, welcher die Krankheit für ein besonderes Ding hält, 
das nur mit Medicamenten, wie etwa ein Dintenklecks 
mit Kleesäure auszutilgen ist; wohl aber Der, der durch 
sorgfältige Forschungen in der Natur die Ueberzeugung 
gjewonnen hat, daß das organische Wesen in sich selbst 
alle die Kräfte und Mittel besitzt, welche die Genesung 
aus Krankheiten allein mit Sicherheit herbeiführen können 
and daß es diese Kräfte überall in Wirksamkeit setzt, so 
bald ihm äußere Einflüsse dazu die Veranlassung geben 
und sie nicht geradezu unterdrücken. “ 
Den anderen Fall erzählt uns Professor Dr. Mosler 
in Greifswald in seiner kleinen Schrift: „Ueber Kranken— 
Diätetik“. (Greifswald. R. Scharff. 1867.) Seite 13: 
„Früher war der Wassergenuß fast allen Kranken verboten; 
man war von der schädlichen Wirkung so überzeugt, daß 
man Fieberkranke die ärgsten Qualen des Durstes leiden 
'ah, ohne daß man es wagte, ihre trockene, brennende 
Zunge mit einem Tropfen Wasser zu benetzen. Zum 
Glück für die leidende Menschheit sind allmählig vernünf— 
tige, humane Grundsätze durchgedrungen, seitdem uns die 
Physiologie gelehrt hat, daß der gesammte Stoffwechsel 
des menschlichen Körpers in gesunden, wie in kranken 
Tagen, nur mit Hülfe reichlich lösender Flüssigkeit vor
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.