Volltext: Der Naturarzt 1863 (1863)

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gen wird, so weit sie bei den vorhandenen Störungen im 
Körper überhaupt gelingen kann. Einem jeden Kranken 
thut reine Lust und der belebende Sonnenstrahl wohl. 
Wenn wir behaupten, daß je reiner das Wasser, es eine 
für die meisten Krankheitsfälle um so größere Wirksamkeit 
entfalte, so hat dies doch seine Grenzen. Schon die allge 
meine, gewöhnliche Erfahrung lehrt, daß gutes Trinkwasser 
eine geringe Quantität gewisser Salze, vorzüglich Kochsalz, 
und Kohlensäure enthalten müsse, um überhaupt zuträglich 
und schmackhaft zu sein. Spuren von Salzen finden sich in 
jedem Quellwasser, mit nur wenigen Ausnahmen, daher ist 
jedes streng genommen mineralisch. Bis zu einem gewissen 
Grade ist also dem Wasser ein Inhalt an Salzen nöthig. 
Es kommt aber sehr darauf an, ob jener Salzgehalt des 
Wassers den des menschlichen Blutes übersteigt. Dies hat 
auf die Wirkung einen großen Ernfluß. Die ihm nöthigen 
Salze bezieht der Körper zum größten Theile aus den Nah 
rungsmitteln. Das Wasser, wenn es als Getränk genommen 
wird, dient zur Einleitung und Förderung der chemischen Lö- 
sungs- und Verbindungsproeesse, ohne Wasser können diese 
nicht vor sich gehen, und hierzu bedarf es der Salze nicht. 
Wenn behauptet wurde, daß der Mineralgehalt des getrunke 
nen Wassers, auch beim inneren Gebrauche desselben, in der 
Wasserkur das eigentlich Wirksame sei, wenigstens zur Wir 
kung außerordentlich viel beitrage, so ist diese Behauptung 
nicht richtig, wenigstens müßte eine enorme Menge Wasser- 
täglich eonsumirt werden, um die gewöhnlich in nur geringer 
Quantität im einfachen Quellwasser vorhandenen Stoffe zur 
Wirkung zu bringen. 
Was nun die Beschaffenheit des Wassers zur äußeren 
Anwendung, zum Baden, betrifft, so ist hier ganz besonders 
das reinste Wasser das vorzüglichste. Mag man von der rei 
zenden Wirkung der Soolen auf die Haut so viel Aufhebens 
machen, als man will, man versuche es, ob nach salzigem, 
kalkigen Wasser, oder nach Wasser, welches keine mineralischen 
Bestandtheile enthalte, die Haut geschmeidiger und glatter 
weröe? Man wird Wohl das Letztere finden. Daß minera 
lische Stoffe aus dem Bade durch die Haut in's Blut über 
geführt werden, ist widerlegt. 
Des Naturarztes v. Helfer Leiden und Freuden. 
Somatisch-hydriaiische Novelle. 
(Fortsetzung.) 
Carl Augustin. Lieber Herr Medieinalrath, wir sind 
Ihnen gewiß Alle sehr verbunden für diese wissenschaftliche 
Beleuchtung des Unberechtigtseins einer specifischen „Natur 
heil künde "und der Anmaßung ihrer sich „Naturärzte" par 
excellence nennenden Vertreter. Wenn Sie aber erlauben, 
füge ich-dem nun auch noch einige praktische Bedenken bei, 
die mir eben in den Sinn kommen. 
Bürgermeister. Habe deren auch zu erwähnen — 
aber wenn zuvor Herr Augustin 
C. Augustin. Bitte, bitte, Herr Bürgermeister — Sie 
sind Vorgesetzter der Stadt. 
Bürgermeister. Nun — indeß — kommt wohl nichts 
darauf an. 
Pastor. Ach, meine Herren — das ist ja gleich; ich 
dächte so, wie wir sitzen, ergriffe Jeder das Wort; — also 
Herr Augustin, Sie wollten — 
C. Augustin. — sagen, daß — ja, ja, — daß ich 
mich eigentlich als Kaufmann — der Medicinstoffe anzuneh 
men hätte; denn sie bilden einen wichtigen Handelsartikel. 
Allein ich will Herrn Schöppe nicht vorgreifen, der mit dieser 
Seite des Verwerflichen in der sogen. Naturheilkunde auch 
besser, als ich, das Naturnothwendige der Arzneistoffe und unsere 
Pflicht anerkennen wird, der Arzneien sich zu bedienen, weil 
sie eben in der Natur — 
Herr Schöppe. — Aber erlauben Sie — wenn Sie 
Alles schon erwähnen, was ich — 
C. Augustin. — Haben Recht, Verehrter, nun über 
haupt ich wollte bei dieser Annonce des Dr. Helfer mich da 
gegen verwahren, daß einem zugemuthet wird, — wenn auch 
von Anfang einer Krankheit herein vielleicht mit einiger An 
weisung versehen — hernach dieser Anweisung gemäß sich 
selbst und allein weiter zu behandeln. Zwar glaube ich, es 
wird den meisten Lesern dieser Aufforderung gerade so wie 
mir gehen, sie werden keinen Trost, keine Vorzüglichkeit der 
sog. Naturheilkunde darin finden, daß in und mit ihr die 
Menschen sich allein in ihrer Leibes-Noth forthelfen können 
und sollen; man wird im Gegentheil gewiß diese Zumuthung 
fast allwärts als einen, wie man zu sagen pflegt, zu „starken 
Tabak" ansehen; sich selbst bemühen, gar erst Bücher lesen, 
auf seiner Angehörigen Lebensweise Schritt und Tritt Acht 
haben und darüber nachgrübeln sollen, was jedem Einzelnen 
und mir selbst frommt und was bei dieser Krankheit für den 
und bei jener für diesen Patienten paßt — das, meine Her 
ren- ist viel verlangt, und ich wenigstens danke für solche Zu 
muthung ; da hörte alle Gemüthlichkeit auf/ wenn's dahin kom 
men sollte! Aber das Ungerechte dieser Anforderung in der 
Annonce, das Unpassende und Unzeitgemäße derselben morgen 
gelegentlich doch mit hervorzuheben — das, Herr Pastor, denke 
ich, wird nützlich sein und wirken. Machen Sie gefälligst 
darauf aufmerksam, daß es jetzt im Leben gilt, die Menschen 
mit ganz anderen wichtigeren Dingen zu belehren. — 
Medieinalrath. — Nun, erlauben Sie — wichtig 
ist die Gesundheitspflege und die Lehre der Krankheitsbehand 
lung, also der Stoff des medicinischen Studiums, wohl auch?! 
C. Augustin. Freilich, freilich — bitte um Entschul 
digung — wollte nur damit gesagt haben, daß uns das 
nicht in erster Reihe angeht, weil wir nichts davon verstehen 
und weil Sie leben, geehrter Herr Medieinalrath, und Ihre 
werthesten Herren Collegen, d. h. die wirklichen Aerzte, und 
mit Ausnahme derer, welche sich „Naturärzte" nennen — 
Medicinalrath. Tag und Nacht bereit sind 
— sehr richtig — für das leibliche, gesundheitliche Wohl un 
serer Mitmenschen einzustehen, — 
C. Augustin. Ja wohl, ja wohl! — Was wird jetzt 
nicht im Leben Alles erfordert und daher schon in der Schule 
angefangen?! Ein weit tieferes Eindringen — zu allererst 
— ist jetzt unerläßlich, in die Lehren der Kirche, der man 
angehört, damit man Stand halten könne gegen die zuneh 
mende Masse der Irrlehren, — ich bitte, bedenken Sie nur 
die Masse von Sprüchen und Versen aus Bibel, Gesang- und 
Gebetbüchern, womit sich die Jugend der Schulen einen irde 
nen Wall um ihr Gehirn ziehen muß, als Schutz gegen das 
Teufelsandrängen! Und die Vorbereitungen für die Kirchen- 
Examinas auch nach beendeter Schulzeit, womit eine Visita 
tion jener Wälle und Pallisaden, eine Prüfung ihrer Tauglich 
keit nun auch.mitten im Lebensgewühl bezweckt wird — ich
	        
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