Volltext: Der Naturarzt 1863 (1863)

69 
Schließlich, aber als Hauptsache, haben wir noch die 
Art und Weise zu erwähnen, nach welcher die hydriatische 
Kur in der Schweizermühle betrieben wird. 
Die ärztliche Leitung der Anstalt ist seit ihrer Begrün 
dung — mit Ausnahme weniger Jahre — dem Dr. Herzog 
aus Pirna übertragen gewesen, der auch jetzt noch daselbst 
fungirt und dem die Anstalt unbestritten ihren guten Ruf 
verdankt. Dr. Herzog ist zwar von etwas schroffem Aeuße- 
ren, etwas kurz angebunden wie man zu sagen pflegt — und 
für gemüthlich bestimmende Einwirkung auf die Patienten nicht 
sehr geschaffen; auch dürste sein Kursystem hie und da noch 
etwas specifisch-hydriatisch genannt werden, indem seiner 
Seits nicht so viel als Anderer Seits Gewicht auf verschiedene, 
den verschiedenen Individualitäten anzupassende Wassergrade 
gelegt und weder Heilgymnastik, noch Dampfbäder, oder Elek- 
tro-Magnetismus re. von ihm in den Bereich seiner Naturheil- 
mittel gezogen werden; ebenso gehört er zu den Aerzten, welche 
von der Befähigung der Laien, d. h. von der Bildung des 
Publikums für Selbstausübung der Naturheilkunde nichts 
wissen wollen Allein anderer Seits ist diesem wackerer: Di 
rigenten auch sehr viel Gutes nachzurühmen: In erster Reihe 
erwähnen wir hier seine entschieden naturärztliche Richtung, 
welche ihn mit Ausschluß jeder medicamentösen Beihülfe nur 
nach rein hydriatischen Grundsätzen verfahren läßt. Die 
Schweizermühle verdankt als Wasserheilanstalt dieser Con- 
sequenz ihres ärztlichen Dirigenten ihre Erfolge — ihren Ruhm, 
und sie hat während der Jahre, wo Dr. Herzog nicht in ihr 
wirkte, empfinden müssen, was es heißt, einen halben oder 
selbst gar keinen Naturarzt an der Spitze zu haben. Dann 
wissen wir an Dr. Herzog aufrichtig zu schätzen, daß er we 
nigstens denjenigen Formen des Schroth'schen Heilverfahrens, 
welche nunmehr erfahrungsmäßig in vielen Krankheitsfällen 
von so vorzüglicher Wirksamkeit sind, nämlich der strengen, 
bei gewissen Leiden den Fleischgenuß ganz ausschließenden Diät 
und dem intensiven nächtlichen Rumpf- resp. ganzen Unter 
leibs-Einschlag die verdiente Aufmerksamkeit zuwendet. Und 
überhaupt muß man, wenn uns Jemand eine an sich etwgs 
rauhe Schale zur Ansicht bietet, nicht glauben, daß dahinter 
immer ein ungenießbarer Kern vorhanden sei; man dringe 
nur consequent hindurch durch solche Schale, und es offenbart 
sich dann gewiß oft ein sehr ansprechendes Innere.' Strenges 
oder doch ziemlich gemessenes Aeußere des Arztes ist übrigens 
eine Eigenschaft, die ihm eher zu gönnen, als übelzunehmen 
ist; unter den oft sonderbaren Patienten, einer Anstalt na 
mentlich, und gegenüber ihren noch sonderbareren Anforderun 
gen an Anstalt und Arzt gehört unbedingt die Gabe der Be 
herrschung und steten Consequenz-Aeußerung dazu, um Allen 
gerecht zu erscheinen und zu sein. 
Die Preisverhältnisse sind bei der Anstalt Schweizer 
mühle allen Anforderungen der Billigkeit entsprechend; sie dif- 
feriren je nach der Größe, Lage und Einrichtung der Woh 
nung von 6 zu 10 Thalern per Woche und Person. An 
Unterhaltungsmitteln bietet sie einen guten Flügel, ein dergl. 
Billard, einen netten Kegelschub und eine kleine Bibliothek 
nebst einigen Blättern der Tagesliteratur. 
Wünschenswerth wäre allerdings, wie in anderen An 
stalten, so auch hier, die Vermehrung der Bibliothek, nament 
lich in Richtung der Werke über Naturheilkunde; denn je we 
niger der ärztliche Dirigent einer Anstalt Zeit oder Geneigt 
heit besitzt, die nach unserem Dafürhalten einen sehr wichti 
gen Theil einer physiatrischen Kur ausmachende Belehrung 
der Kurgäste über die Naturgesetze beim gesunden, wie kran 
ken Functioniren ihres Körpers persönlich zu gewähren, desto 
mehr sollte wenigstens dafür gesorgt sein, daß die Möglichkeit 
dazu in einer entsprechenden Bibliothek vorhanden ist. 
(Fortsetzung folgt.) 
Krankencorrespondenz. 
1. Herrn M. B. zu H. bei P. in Niederbayern. Die 
von Ihnen gegebene Beschreibung der fraglichen Patientin 
ist zu unvollständig, als daß wir Ihnen speciellere Rath 
schläge darauf ertheilen könnten. Wenn Sie sagen: „Dieselbe, 23 
Jahre alt, im alten Regime bei Kaffee, Gewürz und häufigem 
fetten Fleischgenuß auferzogen, geimpft und von Haus aus 
der Muttermilch beraubt, liege sitzt seit einem Jahre hoffnungs 
los darnieder, nachdem ihr ca. 80 Unzen Blut durch Aderlaß 
entzogen worden sei, Massen von Blutegeln ihrer Körper be 
nagt, auch große Quantitäten Mixturen und Pillen die Säfte 
noch mehr verdorben hätten, so genügt dies nicht, ebensowenig, 
wenn Sie hinzufügen, „Patientin sei nun chronisch krank an 
Körper und Geist, habe alle Freude für die Natur und das 
Leben verloren, sei widerwillig gegen jede Bewegung und harre 
in dumpfer Verzweiflung der Zukunft entgegen/' Besser ist 
schon, wenn Sie ferner melden, Hände und Füße seien kalt, 
der Blick matt, Zunge und Lippen bräunlich, die Wangen 
etwas röthlich und die übrige von der Luft berührte Haut 
beinahe weiß." Sie erwähnen auch einer Unterleibsent 
zündung, die sich voriges Jahr bei dem Mädchen eingestellt, 
die aber durch falsche medicinische Behandlung zu einer Ge 
hirnentzündung umgestaltet worden sei. Aber alle diese Mit- 
theilyngen zusammen gewähren doch noch kein vollständiges 
Krankheitsbild, es fehlt namentlich die Angabe, wie und zu 
welcher' Zeit ein krankhafter Zustand begonnen, in welchen Er 
scheinungen (Symptomen) er sich weiter entwickelt habe und was 
die gesammte dabei angewandte Behandlung gewesen sei Die Ge 
genwart aber anlangend, so hätte viel ausführlicher beschrieben 
werden sollen, in welchen Beziehungen sich jetzt der abnorme Zustand 
charakterisire. Es mußte dabei namentlich der Verdauungs 
function, der Menstruation, der Wärmezustände des Körpers
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.