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üls ein angeblich Besonderes, zu gestatten. Dort, wie hier,
waren es abtrünnige Vertreter der bisherigen Autorität selbst,
welche die Veranlassung oder doch Möglichkeit zur Fortdauer
S des Spaltes gaben — indeß, meine Herren, es ist ein großer
Unterschied, ob eine Autorität durch wieder eine Autorität
; schon anerkannter Art einen Abbruch erfährt, oder ob es ein
neues Element ist, welches sich erst zur Autorität machen will.
- Weder der Protestantismus, noch die Homöopathie hätten
Wurzel geschlagen, so wie es geschehen, wenn nicht dort Für
sten, hier Aerzte (ckoetores medicinae) selbst, also Theile der
bisherigen Autorität, an die Spitze der sich trennenden Frac-
Lionen getreten wären. Aber darin liegt anderer Seits auch
noch eine gewisse Hoffnung für Wiederherstellung der alten
Autorität: die geistige Verwandtschaft uralter, anerkannter
Autoritäten besteht fort, und eher oder später führt sie in
Einem Punkte wieder zusammen. Sehen Sie hin, meine
Herren, nach der Protestantischen Kirche, und Sie namentlich,
geehrter Herr Pastor, frage ich: ist jetzt, wenigstens in den
Autoritätskreisen, die Abneigung gegen die alte Mutter noch
so schroff, wie vor ein oder zwei Jahrhunderten? Und zei
gen die homöopathischen Aerzte in den Extract-Tropfen ihrer
Medicinen und in manchen anderen Verordnungen nicht auch
i bereits mehr und mehr Geneigtheit, von den Decillionentheil-
chen Hahnemanns abzugehen und der allopathischen Mutter
reuig sich wieder in die Arme zu werfen? Anders, leider
ganz anders verhält es sich noch mit den Wasser- und Schroth-
schen Aerzten Zwar find, namentlich unter den ersteren,
viele .,von unsere Leut, wie das treffliche Berliner Volks
stück sagt, und wenn diese allein die sogenannte Naturheil
weise in der Hand hätten, möchte der frohe Tag bald erschei
nen, wo Prießnitz und Schroth ferner nicht weiter als Ent-
\ decker, sondern nur als Ausschreier von schon längst in An
wendung gewesenen Mitteln: „Wasser und Diät", angesehen
würden. Aber, leider, in diesen beiden Richtungen hat sich
auch das Laien-Element in einer Art eingemischt, welche jenen
Tag der Anerkennung der allgemeinen Mutter noch in weite
Ferne rückt, wenn nicht ganz aus aller Aussicht streicht. Wo
es dahin gekommen, daß Laien sich vermessen, ebenso gut,
wenn nicht gar noch besser, als die gesetzlichen Vertreter der
Sache, also die Autoritäten, diese Sache selbst zu verstehen,
selbstständig ansangen, darin und darüber zu urtheilen, ja so
gar zu handeln, — dann adieu Autorität, gesetzmäßiger Zu
stand, Ruhe und Glück der Menschheit! Dann wird der
Begriff „Natur" hervorgezogen, ein Sturm- und Angriffsin
strument gegen die Mauern der alten Gesetzlichkeit daraus ge
macht, und eine Begriffsverwirrung entsteht, zum Entsetzen!"
„Wer nennt sich denn jetzt „Naturarzt"? Etwa die Mehr-
, heit derjenigen wirklichen berechtigten Aerzte, welche sogenannte
Wasserheilanstalten oder Schroth'sche Institute besitzen oder
^ dirigiren? Keineswegs! Nur wenige von diesen Entarteten
gebrauchen diese Bezeichnung; vorzugsweise nennen sich viel
mehr „Laien" so — Menschen, welche, ohne eigentliche Aerzte
zu sein, vorgeben, eine besondere Befähigung für Erkennung
und Heilung zu besitzen, und diese sind es auch, welche dann
belieben, in die Worte „Naturheilkunde" und „^Natur-
arzt" einen ganz besonderen Begriff zu legen, mit welchem
sie sich außerhalb der anerkannten Heilwissenschaft zu stehen
brüsten, ja behaupten, über derselben zu stehen. Allerdings,
außerhalb stehen sie und sollen sie immer stehen, weil
sie nicht hineingehören in's Heilfach, weil sie „Wiedertäu
fers sind, die, wie diese einst, die Menge bethören und be
schwindeln. Aber mit welchem Rechte nennen sie sich „Na
turärzte"? Wenden sie, wenn sie Wasser und Diät zu
ihren angeblichen Kuren gebrauchen, etwa etwas Anderes an,
als was die Aerzte aller Zeiten auch angewendet habe? Gehen
wir, die legitimen Aerzte, nicht auch Hand in Hand mit der
Natur? Gehören das Mineral-, Pflanzen- und Thierreich,
aus denen wir unsere Mittel entnehmen, etwa nicht mehr zur
Natur? oder benutzen wir nicht auch den Menschen-Körper,
wenn er krank, selbst und seine Einrichtungen, um ihn gesund
zu machen? Wissen die Herren etwa mehr davan, wie ihr
Wasser, ihre altbackenen Semmeln und ihr Wein wirken, als
wir davon, auf welche Weise unsere Arzneien den Körper
gesund machen? Ist der mit mehr Recht ein „Naturarzt"
zu nennen, welcher nur mit 3—4, oder der, der mit allen
Stoffen aus allen Natur-Reichen agirt?"
Alle (mit Ausnahme des Schuldirectors und des gleich
bei Beginn der medicinalräthlichen Rede eingetretenen, aber
an der Thür und hinter Herrn Medio stehengebliebenen Herrn
Gotthold Augustin). Bravo! Bravo! (Forts, folgt.)
Krankencorrespondenz.
Herr F. W. P. in M. an die Redaction.
Ich leide seit einigen Jahren an Magencatarrh, der nach
dem Ausspruche meines Arztes, eines Allopathen, chronisch ge
worden ist Ich habe die verschiedensten Mittel dagegen ge
braucht, aber ohne Erfolg, wenigstens ohne dauernden. Ver
gangenen Sommer bin ich 4 Wochen in Kissingen gewesen
und habe Rakoczy dort getrunken und warme Soolbäder da
bei genommen. Das Uebel ist dasselbe geblieben, eher schlim
mer geworden. Ich trank früher bayrisch Bier, durchschnitt
lich vielleicht täglich 3 Töpfchen. Auf Anrathen meines Arztes
trinke ich seit einem halben Jahre keines mehr; dafür aber
Wein und Wasser. Diese Diät, wobei ich auch noch alles
Saure, Backwerk, Obst re meide, ist nicht ganz ohne Erfolg
geblieben, gleichwohl befinde ich mich nicht wohl. Es plagt
mich nämlich ein periodisches Uebelsein, ein Zusammenziehen
des Magens nach innen, bisweilen — nach dem Rakoczy aber
seltener — auch Säure. Ich werde den Schnupfen fast gar
nicht los und bin immer verschleimt. Mein Arzt sagt: es
sei ein allgemeines catarrhalisches Leiden. In Folge desselben
höre ich seit ziemlich einem Jahre aus dem rechten Ohre sehr
schwer, ich rieche fast gar nicht und schmecke nur sehr wenig.
Dabei leide ich bisweilen an Obstruction, die ich indessen durch
laue Klystiere in der Regel hebe. Bisweilen habe ich Mast
darmblutungen. Wenn ich diese habe, befinde ich mich am
wohlsten, am freiesten, kurz vor ihrem Eintritte aber am un
wohlsten. Seit ich in Kissingen war, haben sie sich gegen
früher sehr verringert.
Ich habe mich nun entschlossen, eine Kaltwasserkur zu
gebrauchen und in den Ferien eine Kaltwasseranstalt zu be
suchen. Welche? Darüber wollte ich mir Ihren Rath er
bitten. Aber es sind noch 5 Monate bis dahin. Kann ich
nicht inzwischen etwas thun?
Ich bin 44 Jahre alt, Vater von 7 Kindern, habe zwar
nie gewüstet, aber sonst gut gelebt. Ich trinke jetzt viel Soda
wasser, das ich mir selbst bereite, und vielleicht im Durch
schnitt täglich eine halbe Flasche guten Wein, rauche auch täg
lich 2 bis 6 Cigarren. Mein Appetit ist gut; (ich sitze viel)
Antwort der Redaction.
Obwol Sie unterlassen haben, sich über mehrere Gegen
stände auszusprechen, von denen zu hören uns für Ihre Be-