Volltext: Der Naturarzt 1863 (1863)

53 
nicht mehr versagen, neben den größeren Parthien auch einen 
Seitenabstecher in's Bila-Thal gemacht zu haben. 
Nach und nach legte sich aber diese Neugier, und die 
Schweizermühle wurde in der Hauptsache mehr Heilanstalt, 
ebenso durch das milde Klima (geschützte Lage) ihres Thales, 
als durch ihre von der großen Reiseroute ziemlich abgelegene 
Gegend ganz besonders dazu geeignet. Wo ein ewiges An 
kommen und Abreisen von Fremden eine stete Erregung in 
allen Einrichtungen einer Häuslichkeit hervorruft und damit 
auch die Nerven dort weilender Kranker in Mitleidenheit zieht, 
da ist kein eigentliches Asyl für die meisten Kategorien chro 
nisch Leidender. Das Bila-Thal liegt auf dem linken Elb 
ufer und wenn es auch ziemlich in der Mitte der sogen, säch 
sischen Schweiz-Partheien in den Strom einmündet, so liegen 
doch jene in der Hauptsache auf dem rechten Ufer des Flus 
ses, und es läßt sich der Besuch des Bila-Thales und der 
Schweizermühle nicht in so leichte Verbindung mit anderen 
Parthien bringen. Zwar wählt der eine oder andere Reisende 
diese Tour, um dann zugleich von der Schweizermühle aus 
den Schneeberg bei Tetschen, auf der Grenze zwischen Sachsen 
und Böhmen, zu ersteigen; aber auch diese Parthie hört, we 
gen der Ueberwaldung des Schneeberges und des dadurch zu 
nehmenden Aussichtsverlustes, mehr und mehr auf, zu den 
sächsischen Schweizparthien gerechnet zu werden, und so ist die 
Anstalt mit ihrer wahrhaft ländlichen und romantischen Um 
gebung recht eigentlich ein heimliches Stückchen Erde gewor 
den, wie es kaum besser für chronisch Kranke in dieser Bezie 
hung gewünscht werden kann. Freilich will diese Nothwen 
digkeit von dem Patienten begriffen sein, und wer — aber 
irrtümlicher Weise zu den Erfordernissen einer chronischen 
Krankheitskur die mannigfaltigste Abwechselung in nahen 
Parthien nach lebhaft besuchten Oertüchkeiten und die Leich 
tigkeit der Unterhaltung seines Verkehrs mit der Außenwelt, 
d. h. der außerhalb des Anstaltsgehietes befindlichen, rechnet, 
der darf die Schweizermühle nicht aufsuchen. Denn der Kreis 
ihrer Kunst-Spazierwege (Promenaden) ist ein ziemlich be 
schränkter, nicht stundenweit in die Ferne reichender und die 
Gelegenheit zur Theilnahme am Weltleben des großen Reise 
verkehrs in der sächsischen Schweiz oder der sächsischen Resi 
denzstadt ist ziemlich zeitraubend und kostspielig von da aus. 
Aber wer eine Gesellschaft von 60 bis höchstens 70 Sommer- 
Kurgästen für genügend zur Befriedigung seiner soeialen Be 
dürfnisse hält und die Gelegenheit eines ländlich-zurückgezoge 
nen, zugleich ebenso den hygieinischen Interessen, als den An 
forderungen an Naturschönheiten entsprechenden Aufenthaltes 
zu schätzen weiß, der wird sich im Bila-Thale und der Schwei- 
zermühl-Anstalt wohl fühlen. 
Der Blick, den wir in dem beiliegenden Bilde auf das 
Bila-Thal mit der Anstalt vor uns haben, geschieht von einer 
höhen Felswand aus, welche sich sehr nahe hinter den Ge 
bäuden schroff erhebt. Die Thalöffnung ist hier die nach 
Dresden zu gelegene. Von den Häusern, welche wir vor uns 
sehen, ist das zuweist rechts und entfernter stehenderer sogen. 
Gasthof, der zur Anstalt gehört (s. in der vorj. Ankündi 
gung S 116 des „W.-Fr." sub c); in ihm wohnt der Be 
sitzer der Anstalt, der regsame und tüchtige Wirth Herr Het- 
schel, auf den wir später zurückkommen, zugleich enthält er die 
Anstallsküche, 1 Speisezimmer, verschiedene Wirthschaftsräume 
und auch 21 Logirzimmer. Das kleinere Haus vor dem Gast 
hofe (nach unserem Standpunkte zu) ist das Kursaalge- 
bäude (s. am angef. O. sub b) mit recht hübschem Speise- 
saal, mit Billard- (Herren-) und Damen-Zimmer. Das große 
Haus links davon ist das eigentliche Kurhaus (am angef. 
O. sub a) — ein ziemlich umfangreiches, zwar ganz einfaches, 
aber freundliches und gut massives Gebäude mit 36 Logir- 
zimmern und 6 Räumen zu den verschiedenen Bädern, welche 
mit Röhrenleitungen für Quellwasser wie warmes Wasser 
versehen sind. Das kleine Häuschen, unmittelbar links neben 
dem Kurhause enthält das mit dem letzteren durch einen be 
deckten Gang verbundene Bassinbad — eine Einrichtung, 
welche sich in dieser Weise unseres Wissens in keiner Anstalt 
vorfindet. Das Bassinbad' nämlich wird von dem Bila-Flüßchen 
selbst gebildet, welches zu diesem Zwecke eigens durch das 
betr. kleine Gebäude hindurchgeleitet ist. Es bringt dies na 
türlich auch mancherlei Uebelstände mit sich, indem bei plötz 
lichen Gewittergüssen das Wasser im Bade zu reißend wird 
und angefüllt mit allerlei Erd- und Waldbestandtheilen; nicht 
minder ist damit die Folge verbunden, daß an eine Tempe- 
rirung des Bades nicht zu denken und daß im hohen Sommer 
der Wärmegrad des Wassers für manche Kurzwecke zu hoch 
ist. Aber mehr als ausgewogen werden diese Uebelstände doch 
durch das lebensfrische Element, welches in dieser Einrichtung 
das Bassin darbietet und welches es, wie gesagt, vor den 
meisten Anstalten voraushat. —- Das abwärts vom Kurhause, 
hinter den Bäumen hervorsehende Haus ist die Mühle, von 
der wir schon oben sprachen und bedauerten, daß sie nicht 
Eigenthum der Anstalt sei. Freilich hat der Müller die con- 
tractliche Verpflichtung, die aus seinem Territorium liegenden 
und zu den hydro-technischen Kurmitteln der Anstalt gehörigen 
Douchen, Sturz-, Regen- und Wellenbäder im guten Stande 
zu erhalten, wofür er von jedem dort genommenen Bade 
4 Ngr. bezieht. Aber es liegt auf der Hand, daß dieses Ver 
hältniß, wegen der Abhängigkeit des Anstaltsbesitzers vom gu 
ten Willen des Müllers, kein günstiges für Ersteren ist^). 
Aehnliches findet sich bei den zu den Wasserleitungen in 
die Zellenbäder und bei den zum Trinken benutzten Quellen 
vor; auch sie gehören meistens nicht zu der Anstalt,-sondern 
liegen auf fremdem Grund und Boden — Uebrigens sind 
aber die vom Müller unterhaltenen Einrichtungen recht gut, 
und namentlich das Wellen- und Sturzbad, weil hinter den 
Mühlrädern angebracht, ein sehr kräftiges. Die Trinkquellen 
find, mit Ausnahme der Hausquelle, welche vor dem Kur 
hause in niedlicher Weise aus einem künstlich ausgehöhlten 
*) Bei dieser Gelegenheit können wir nicht umhin, uns dahin 
auszusprechen, daß wir es für eine durch die Umstände fast gebotene 
und dringende Nothwendigkeit für die Besitzer der beiden Anstalten 
Schweizermühle und Königsbrunn erachten, ihre Anstalten zu vereini 
gen, d h unter eine Direction zu stellen, und dies, wenn nicht an 
ders möglich, unter Hinzuziehung einiger bemittelter Freunde der Na 
turheilkunde oder auch unter ’i ildung einer Aktiengesellschaft zu thun. 
Ohne hier ausführlicher auf diesen Gegenstand eingehen zu wollen, 
müssen wir doch bemerken, daß folgende triftige Gründe für diese Com 
bination zu sprechen scheinen: 1) hört dann die jetzt bestehende und 
wehr oder weniger zu einem unfreundlich-nachbarlichen Verhältniß füh 
rende Coneurrenz beider Anstalten auf; 2> die natürliche Eigen 
schaft beider Anstalten (die der Schweizermühle als rein sommerliche, 
ländliche, einfache, und die von Königsbrunn, als auch für den Winter 
geeignet gelegen, aber noch nicht passend genug dazu eingerichtet, städtischer, 
vornehmer) läßt sich dann wahrhaft zweckentsprechend, am meisten aber zu 
Gunsten der individuellen Verhältnisse der Kurgäste, verwerthen ; 3) die 
bei beiden Anstalten mehr und mehr hervortretenden, von der Fort 
entwickelung der NatmHeilkunde hervorgerufenen und an sie gemachten 
Anforderungen socialer und tonisch-therapeutischer Art werden sich 
dann besser realisiren lassen — Sollte diese unsere Ansicht hie und 
da getheilt werden bei den vielen Kennern und Freunden beider An 
stalten und unser' Wort als keimfähiger, gesunder Saamen auf frucht 
baren Boden fallen, so bieten wir auch zu fernrer Fortpflanzung der 
Idee und zu ihrer Verwirklichung unsere Vermittelung an.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.