Volltext: Der Naturarzt 1863 (1863)

Beispiel er aufgemuntert worden war, dem kalten Wasser 
seine Aufmerksamkeit zu schenken. Es war dies William 
Wright, Arzt der damals in Westindien stationirenden engli 
schen Truppen. Derselbe hatte nämlich berichtet: „Seitdem 
die Aerzte die frische Lust und das Trinken der kalten Ge 
tränke in den Blattern und anderen bösartigen Fiebern so 
nützlich befunden haben, sind diese Krankheiten in den zwischen 
den Wendekreisen gelegenen Gegenden nicht wehr so tödtlich, 
als vorher; und da ich oft bemerkt habe, wie sehr Personen, 
die an bösartigen Fiebern krank lagen, durch das Waschen 
der Hände und des Gesichts mit frischem Wasser erfrischt 
wurden, so brachte mich dies auf den Gedanken, das kalte 
Bad bei hartnäckigen, bösartigen Fiebern zu versuchen. Als 
ich im Jahre 1777 am 5. September auf der Rückfahrt von 
Jamaika nach Liverpool auf dem Schiffe selbst von einem 
bösartigen Fieber befallen wurde, welches durch einen auf 
demselben befindlichen und aus dem Spitale als Reconvales- 
cent entlassenen Matrosen auskam und die gewöhnlichen Mit 
tel mir wenig Erleichterung gegen die Fieberhitze verschafften, 
so ließ ich mich am Nachmittag des dritten Tages der Krank 
heit auf dem Schiff-Verdecke ganz entkleidet mit drei Eimern 
Seewasser begießen. Die dadurch hervorgebrachte Erschütte 
rung war groß; allein ich verspürte auch sogleich Erleichterung. 
Der Kopf- und die anderen Schmerzen verminderten sich den 
Augenblick, es erfolgte eine angenehme Wärme in der Haut 
und gelinder Schweiß. Als gegen Abend die fieberhaften 
Zufälle wiederzukommen drohten, nahm ich zu dem vorigen 
Mittel meine Zuflucht und es erfolgte dieselbe gute Wirkung. 
Am 10. September hatte ich kein Fieber mehr, sondern nur 
noch eine geringe unangenehme Empfindung in den Kniekehlen 
und Schienbeinen; ich bediente mich daher während des Tages 
zwei kalter Bäder und die Zufälle blieben aus. Den 11. 
Septbr. wiederholte ich die kalten Bäder und war völlig her 
gestellt." — 
Von den deutschen Aerzten, welche die Heilkraft des Was 
sers benutzten, nennen wir aus älterer Zeit vornehmlich den 
preuß. Geheimrath und Leibarzt Dr. Fr. Hoffmann, jenen 
weltberühmten Professor der Medicin in Halle (1660—1742). 
Ihm verdanken wir nicht nur die noch jetzt beliebten Hoff- 
mann'schen Tropfen (Lyquor anodyims), - sondern auch vor 
treffliche Abhandlungen über den Heilgebrauch des Wassers. In 
einer seiner Schriften erklärte er das gemeine Wasser gewisser 
maßen als Universalmedicin, und zwar in dem Sinne, als es 
1. allen Naturen, in jedem Alter nnd zu jeder Zeit zusagt; 
2. außer ihm kein besseres Preservativ (Vorbeugungsmittel) 
gegen Krankheiten giebt; 3. sowohl in acuten, als in chroni 
schen Krankheiten unfehlbar hilft; 4. bei allen Jndicationen 
(Anzeigungen) Genüge leistet. — Aehnlich spricht sich der im 
Jahre 1837 verstorbene Medicinalrath und Physikus Dr.Reuß 
(zu Aschaffenburg) aus, indem er sagt: „Wenn es irgend ein 
Mittel in der Natur giebt, welchem vermöge seines allgemei 
nen und unbedingten Gebrauches die Benennung Universal 
mittel zukommt, so ist es das kalte Wasser. Ich habe selbst, 
fährt er fort, mittelst der Abkühlungsmethode mit wenigen 
oder keinen Apothekermitteln seit 1812 mehrere Tausend 
Flecken-, Scharlach- und Pockenpatienten und mit der Gesichts 
rose und anderen Entzündungen befallene Menschen leicht, ge 
schwind und glücklich geheilt, so daß ich mir dadurch den Na 
men eines Wasser- und Sechspfennigdoctors zugezogen habe." 
Wir glauben hiermit, wenn auch vor der Hand nur erst 
in Betreff gewisser Krankheiten, nachgewiesen zu haben, was 
unsere Ueberschrift ausspricht und schließen mit einer Stelle 
aus einer von Hufeland im Jahre 1821 gestellten, mit 50 
Ducaten gekrönten Preisschrift, deren Verfasser der würdige 
K. K. Hofmedikus Anton Fröhlich zu Wien war. In dieser 
Schrift heißt es Seite 41: „Wo der Arzt von der Anstek- 
kung eines typhösen Fiebers sich Gewißheit verschafft hat, 
läßt er die Kranken beim Ausbruch der Hitze gleich ein paar 
Minuten lang kalt baden nnd das Bad nach Umständen wie 
derholen, und der Typhus ist in seiner Geburt erstickt. Aber den 
größten Triumph erhält er vor der Welt, wo bereits die Le 
bensgefahr den höchsten Grad erreicht hat und er den Kran 
ken in wenigen Tagen rettet, was er kann, wenn er Gewohn 
heit und Vorurtheil ablegt." — 
Extracte aus den früheren Protoeollen des hydro-diätetischen 
Vereins zu Dresden. 
Fortsetzung au5 dem Protokoll vom 4. 0anuar 1836. 
Ueber die gewöhnlich Unerfahrene von der Wasserdiät abschrek- 
kenden Befürchtungen einer Erkältung beim Kaltwaschen in kalter 
Luft-Temperatur bemerkte Herr M. in einer Vorsammlung der Was 
serfreunde, daß diesem Uebel durch einige vorhergehende und nachfol 
gende Körperbewegung gar leicht vorzubauen" sei. So könne auch 
mittels Reibens und Zusammenschlagens der Hände, oder der Arme, 
das allerdings unangenehme Erstarren der Finger und der durch die 
Kälte verursachte heftige Schmerz unter den Nägeln leicht vertrieben, 
und meist auch ganz vermieden werden. 
Als einen Beweis der Heilsamkeit des kalten Wassers auch bei 
Geisteskrankheiten führte gleichfalls Herr M.' die Heilung des Herrn 
Hofpredigers in Muskau, Namens Peter, an, der, daselbst seit 30 Jah 
ren als ein sehr ruhiger Mann bekannt, im vergangenen Jahre 
in eine Geistesverwirrung verfallen sei, die bald in ununter 
brochene Wuth und Raserei übergegangen. Sein Arzt, Dr Sick, habe 
dann, nachdem er mancherlei Kunstmittel angewendet, ihn täglich drei 
mal mit drei Wasserkannen voll kalten Wassers von einer gewissen 
Höhe herab tropfweise langsam so, daß zunächst der Kopf getroffen 
wurde, begießen lassen. Hiervon lei der Kranke, bei dem sich schon 
nach dem ersten dieser Gußbäder einige Besserung gezeigt, nach fünf 
monatlichem Gebrauche gänzlich genesen. 
Hierzu ward von einigen Mitgliedern die Erinnerung gemacht, 
daß dergleichen kalte Sturzbäder für Geisteskranke, deren Uebel sich 
schon bis zum äußersten Grade der Raserei gesteigert, in den für sie 
bestimmten Heilanstalten von den Aerzten schon längst und oft mit 
dem besten Erfolge angewendet worden seien. 
Bei Erwähnung der Gewohnheit vieler Aerzte, ihre Patienten 
mit allzu viel und vielerlei Arzneimitteln zu bestürmen, theilte ferner 
Herr Martini die aus dem Munde des ehemaligen hiesigen Hofraths 
vr. Titius gar oft vernommene Aeußerung mit, „daß drei Viertheile 
der Menschen durch Recepte und Arzneien getödtet würden " Außer 
dem bemerkte Herr Martini, daß die Aerzte gewöhnlich nur in der 
äußersten Lebensgefahr, wenn ihre Kunstmittel erschöpft wären und 
meistens allzu spät sich zur Anwendung des kalten Wassers entschlössen, 
wie z B. bei gänzlich aufgegebenen Scharlachpatienten. Daher sei 
leider die Meinung entstanden, das Waffer habe das Ende des Kran 
ken herbeigeführt, und sei überhaupt bei solchen Krankheiten schädlich. 
Lu8 dem Protokoll vom 7. Nlärz 1836. 
Herr Martini theilte aus brieflichen Nachrichten seines Herrn 
Bruders die Krankengeschichte eines acht Monate alten Kindes mit, 
dessen von dem allopathischen Arzte mehrmals gänzlich aufgegebenes 
Leben durch Hülfe des bloßen Wassers jedesmal erhalten, aber auch 
jedesmal durch Arzneien wieder bestürmt und bis zum gänzlichen Ver 
löschen gebracht worden war. 
Dieses im Allgemeinen drüsenkranke, aber schon seit einem Vier 
teljahre. an einem bösartigen Gesichtsausschlage leidende und deshalb 
allopathisch, jedoch erfolglos behandelte Kind. Namens Rudolph Geyler 
in Rochsburg, litt nun auch an einer Zahndiarrhoe, welche gleichfalls 
allopathisch behandelt, nach 12 Tagen, mit häufigen Blutausleerungen, 
in eine völlige Ruhr überging. Nach mancherlei vergeblichen Versuchen 
wurde zuletzt Burgunderwein, täglich in drei Theelöffeln gegeben, mit 
ebenfalls davon gemachten Clystieren angewendet. Da das Kind dabei 
gänzlich entkräftet und zu einem bloßen Gerippe geworden war, so 
machte man, unter Vorwissen des Arztes, mit kalten Wasserumschlägen 
einen Versuch, der indeß für das schon zu schwach gewordene Kind zu
	        
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