Volltext: Der Naturarzt 1863 (1863)

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letzteres weder als Getränk in den Darm, noch als Bad auf 
die Haut, giebt nur altbackene Semmeln (Weißbrod mit Hefe 
gebacken, stärkemehlhaltig.') und Breie von Semmel, Gries, 
Reis, Hafer rc., mit Wasser und Butter gekocht, während der 
strengen Kur und — Fleisch in den Pausen und als Kur 
trank — Wein, kalt und heiß mit Zucker! — 
Wiederum verwirft Einer vegetabilische Nahrung und 
will nur bei guter Fleischkost mit Wurzelgemüse und Weiß 
brod und mäßigem Wassertrinken, und Einreibung von Leber 
thran äußerlich, Scrophelkranke geheilt haben. Endlich sehen 
wir eine ganze Reihe von Aerzten jegliche animalische Nah 
rung, die gleich uns gelebt hat!, total verwerfen, sie 
als alleinige Ursache vieler menschlichen Leiden erklären und 
behaupten, daß bei ihrer Vermeidung dieselben sich verbessern 
und allmälig ganz verschwinden! 
Und diese Alle sind ohne Zweifel Männer, denen das 
Wohl der leidenden Menschheit und die Abhülfe ihrer patho 
logischen Bürde am Herzen liegt. Sie Alle haben Augen, mit 
denen sie sehen, Ohren, mit denen sie hören, und einen Ver 
stand, mit dem sie prüfen und urtheilen können, und man 
muß somit von ihrer Ehrenhaftigkeit überzeugt sein, daß jeder 
von ihnen nur nach vielfacher Prüfung und mit weislicher 
Ueberlegung gerade seinen Weg als den besten, sicher 
sten und schnellsten herausgefunden hat. 
Und wenn dem so ist, wenn kein handwerksmäßiger, 
gedankenloser Kurirschlendrian oder verrückte Idee mit unter 
läuft, 
Dann, Herr Graf Oerindur, 
Erklärt mir dieses Räthsel der Natnr! 
Räthsel, ja wohl Räthsel der Natur, wird da Mancher, sich 
verwundernd und den Kopf schüttelnd, ausrufen, der den 
Ariadnefaden aus diesem Kurirlabyrinthe nicht kennt, und er 
möchte zuletzt gar irre werden an jeglicher Behandlung. 
Und wie heißt dieser Ariadnefaden? Gar schön finde 
ich ihn bezeichnet in „Hufeland's E nchiridion medi- 
cum, Vermächtniß einer 5 0jährigen ärztlichen 
Erfahrung" und kann mir nicht versagen, die Stelle hier 
wörtlich mitzutheilen; sie lautet: 
„So wie der äußeren Erscheinung jeder Krankheit ein 
„innerer krankhafter Zustand des organischen Lebens, ein in- 
„nerer Krankheitsproceß, zum Grunde liegt und ihr Dasein 
„allein bedingt, ebenso liegt jeder äußeren Heilung ein innerer 
„Heilungsproceß — eine Thätigkeit des organischen Lebens 
„zur Umänderung und Zurückführung des abnormen Zustan 
des in den normalen — zum Grunde, und macht sie ganz 
„allein möglich. Dies gilt von allen Krankheiten ohne Aus- 
„nahme. In den sichtbaren Krankheiten (sogenannten chirur- 
„gischen) zweifelt kein Mensch daran. Jeder Chirurg giebt 
„zu, daß er es nicht ist, der 'einen Beinbruch, eine Wunde, 
„ein Geschwür heilt, sondern daß es die Naturkraft ist, welche 
„durch ihre bewundernswürdigen Operationen der Exsudation, 
„Conglutination, Suppuration*), Ausstoßung des Verdorbenen 
„und Regeneration dieses Geschäft eigentlich bewirkt, und daß 
„er nur das dabei thut, diese Operationen ' regelmäßig und 
„zweckmäßig zu leiten und ihre Hindernisse zu entfernen. — 
„Aber ganz dasselbe gilt auch von den innerlichen, unseren 
„Sinnen in ihren inneren Verhältnissen entzogenen Krankhei- 
„ten nur mit dem Unterschiede, daß wir dabei diese Heilungs- 
„operarionen der Umänderung, der Ausscheidung des Verdor- 
„benen, der Regeneration und Gleichgewichtswiederstellung 
*) d. h. Ausschwitzung, Verdickung, Eiterung. 
„nicht mit unseren Augen sehen können. Und dies ist nicht 
„etwa blos bei den acuten, sondern auch bei den chronischen 
„der Fall, nur weniger schnell, weniger entscheidend. Bei 
„leichten Fällen sehen wir es täglich, daß die Wiederherstel- 
„lung ohne alle Hülfe der Kunst erfolgt, aber auch bei schwe- 
„ren, ja bei den schwersten. Es giebt keine Krankheit, von 
„dem heftigsten Entzündungsfieber an bis zur faulichten Pest, 
„von den Suppressionen bis zu den Profluvien, von den dy 
namischen Krankheiten bis zu den Dyskrasien, die nicht schon 
„durch die Natur allein geheilt worden wäre. 
„Ja, was der Heilkraft der Natur die Krone 
„aufsetzt, ist ihr Sieg über die verschiedensten, 
„entgegengesetztesten, oft unvernünftigsten Heil 
methoden. Sehen wir nicht täglich, daß auf dem Lande, 
„selbst ohne alle Hülfe und bei der unsinnigsten Behandlung, 
„Menschen gesund werden? Und selbst bei der künstlichen 
„Behandlung bin ich längst zu der Ueberzeugung gekommen, 
„daß von allen geheilten Kranken der größte Theil zwar 
„unter dem Beistand des Arztes, aber nur der bei weitem 
„kleinste Theil durch seinen Beistand allein genese." 
Ich könnte recht passend im Sinne Vierordt's mit den 
Worten Seneca's schließen: Veniet temxus, quo ista, quae 
niftic latent, in lucem dies extrahet. 
Mir scheint aber doch richtiger das Citat eines vater 
ländischen Dichters, welcher singt: 
„Und noch Niemand hat's verkündet, wie die große Mutter schafft, 
„Unergründlich ist das Wirken, unerforschlich ist die Kraft! 
Nachbemerkung der Redaction. 
Wir sprechen am Schluffe dieses Artikels, gewiß im Namen vie 
ler unserer Leser, dem Herrn Verfasser für seine, die Behandlung einer 
so wichtigen Krankheitsspecies von den verschiedensten Standpunkten 
aus darstellende Arbeit den wärmsten Dank aus und verbinden damit 
unserer Seits die Versicherung, daß wir ebenfalls von einer vor» 
wiegend vegetabilen Nahrung die besten Erfahrungen gegenüber 
schon ziemlichem Vorgeschrittensein von Lungenzerstörung sowohl als 
auch bei der Entwickelung der Scrophulose im Kindeskörper gemacht 
haben. 
Nochmals zur Heilung der Syphilis. 
Mitgetheilt von A. Fr. in Stettin. 
(Siehe S. 135.) 
Die Bedenken, welche in den Bemerkungen zu unserem 
früher gelieferten Beitrag über Heilung der Syphilis ausge 
sprochen worden, haben uns bewogen, diesen Gegenstand noch 
näher zu beleuchten. 
Weit entfernt, die angegebenen Heilformen als etwas 
Vollkommenes auszugeben, kam es uns nur darauf an, eines- 
theils den Nachweis zu führen, daß die Syphilis mit Natur 
heilmitteln gründlich geheilt werden könne, anderntheils eine 
weitere Besprechung dieser Angelegenheit anzuregen, damit der 
„Naturarzt" zu einem Material gelange, dessen überzeugende 
Belehrung dahin führen muß, daß jene Krankheit, welche die 
körperliche Degeneration der Menschheit wesentlich begünstigt, 
engere Grenzen erhalte. Es darf wohl kaum erwähnt wer-
	        
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