296
rechtfertigt erschienen fein: — Mit der Behandlung des 3ten, mehr
torpiden Falles sind wir dagegen wieder um so mehr einverstanden,
als dabei der Weingenuß ausgeschlossen gewesen zn sein scheint,
der offenbar nur dann in acuten wenn auch torpiden — Fällen zur
Anwendung kommen darf, wenn er vom Instinkt stark und unzweideu
tig begehrt wird; auch in chronischen Zuständen, bei denen sich Kopf-
oder Brust- und ähnliche Congestionszustände im Halse als zu bekäm
pfen darstellen, dürfen wir wohl den Herrn Verfasser auf unserer Seite
stehend annehmen, wenn wir behaupten, daß dort und dann die Com
bination, also die Weglassung des Weines, durchaus angezeigt ist.
Wie heilt man Scropheln und Tuberkulose
am richtigsten?
(Zugleich als Beitrag zu dem Capitel von der Schwierigkeit
der Einbürgerung des Vegetarianismus in Deutschland.)
Mitgetheilt von Herrn Naturarzt G. Wölb old in Stuttgart.
(Fortsetzung.)
Dr. Richter fährt dann in seimm „Wasserbuche" folgen
dermaßen fort:
, Drei bis vier Stunden nach dem Mittagstisch werden dem Kran
ken Arm- und Beinwaschungen gegeben, jedes Glied etwa 3 — 4 Mi
nuten lang, mit 12 o R warmem Wasser, darauf die Leibbinde ge
wechselt, Bewegung im Freien, Trinken von 2 Gläser Wasser. Das
Abendbrod sei wie das Frühstück. Vor dem Schlafengehen
erhält das Kind noch eine nasse Abreibung und die Leibbinde. Kom
men bei dieser Kur die geschwollenen Drüsen zur Eite
rung, dann werden sie mit einem einfachen erwärmenden Wasser-
umschlage versehen, wobei sie meistens ohne entstellende Narben heilen.
Kommt Fieber und kritische A u s s ch l ä g e , so ist die Kur zu
mäßigen und blos auf eine 2malige nasse Einpackung mit nachfolgen
dem abgeschreckten Bade zu beschränken. In der neueren Zeit lasse ich
nach der Abendabreibung (und also vor Anlegung der Leibbinde?)
Hals, Brust und Unterleib des Kindes sobald es im
Bette warm geworden ist, mit Schweineschmalz ein
reiben, und ich finde, daß dabei sich die Constitution rascher und
entschiedener kräftig 1."
Richter hätte hier wohl die Gründe angeben können
für das Verfahren, seine- derartigen Kranken Schweine
schmalz einreiben zu lassen. Neu ist die Sache nicht; in
seinem Kopfe die Idee ursprünglich auch nicht gewachsen,
denn ihm, als Mediciner, mußte ja bekannt sein, daß ein ge
wisser Dr. Schneemann im Scharlachfieber Speckeinreibun
gen (siehe Cannstatts Pathologie I. Band S. 3 \ 3) empfiehlt.
Angeblich sollen dieselben Erkältungen vorbeugen und die
Desquamation (Abschuppung der Haut) verhüten, womit dann
auch alle in der Abschuppungszeit zu fürchtenden Zufälle weg
fallen würden. Vor Schneemann kannte man Oeleinreibungen
und nach ihm empfahl ein Dr. Wolfs — geschmolzenes
Schweinefett, ohne daß übrigens — wie ©anstatt selbst ge
steht — die an diese Fetteinreibungen geknüpften sanguini
schen Hoffnungen der medicinischen Welt in Erfüllung gegan
gen wären.
Was ist nun aber die physiologische Wirkung
einer, indifferenten Fetteinreibung auf die mensch
liche Haut überhaupt?
Ich will meine Ansicht darüber hiermit zum Besten geben.
Im vorigen Jahrgange, im „Wasserfreund" Nr. 31, in
meinem Artikel: „Die neuen Römerbäder" habe ich die Func-
tion der Haut, unserer äußeren Körperbekleidung, näher be
sprochen und bitte, das dort Gesagte nochmals nachzulesen.
Hier nur so viel: Die Haut ist nicht allein Aus sch ei -
dungs-, sondern auch Aufsaugungsorgan, wenn auch
im beschränkteren Grade. Durch physiologisch-chemische Ver
suche ist unbestreitbar festgestellt worden, daß die thierische
Haut durchdringbar für Flüssigkeiten, wie für Gase, ist.
Weniger dürfte dies der Fall sein mit der Hornschicht
der Oberhaut, als mit den Oeffnungen der Schweiß- und
Talgdrüsen und der Haarbälge, und wieder wird es auf die
Beschaffenheit der Flüssigkeit und der Gase ankommen, ob
eine Affinität da ist, nach dem Gesetze der Endosmose und
Exosmose.
Wird nun die äußere, warm sich fühlende Haut
tüchtig mit Schweineschmalz eingerieben, so ist die nächste
Folge die, daß Fetttheilchen in die in der Oberhaut ausmün
denden Schweiß- und Talgdrüsenöffnungen (Poren) mechanisch
förmlich eingepreßt werden und daß hierdurch wie durch die
fettige Beschmierung der ganzen Oberhaut die Aufnahmefähig
keit der darunter befindlichen gefäßreichen Lederhaut für Gase,
wie für Flüssigkeiten, 'sehr vermindert, wo nicht gera
dezu eine Zeitlang unmöglich gemacht wird, daß aber
auch andererseits der permanente, für die Gesundheit so wich
tige Vorgang der unsichtbaren dunstförmigen, wie der
sichtbaren, tropfbar flüssigen Hautverdunstung
wesentlich beeinträchtigt werden muß. Ob eine weitere
Folge die ist, daß das in die unverletzte Oberhaut einge
schmierte Fett*) in seine Bestandtheile, Kohlenstoff und Was
serstoff, zersetzt oder wie im Darmkanal durch die Galle und
den Darmsaft verdaut und dann in die Blutgefäße aufge
saugt und in's Blut übergeführt wird, das weiß natürlich
Dr. Richter so wenig als irgend ein anderer Sterblicher; ich
für meine Person glaube nach Allem, was ich in meinen phy
siologischen Büchern darüber angezeigt finde, daß dem nicht
so ist! Das Fett wird also nicht zersetzt und nicht in's
Blut aufgesaugt; was geschieht dann damit? Es trocknet ein
und vermischt sich wohl mit den von Innen später abgesondert
werdenden Feuchtigkeiten, wird mit denselben der Wäsche mit
getheilt oder im Bade wieder entfernt.
Richter sagt: „er finde, daß die Constitution der
mit Fett Eingeriebenen sich rascher und entschie
dener kräftige" —; wenn dies wahr ist, wenn keine
Selbsttäuschung hier mit unterläuft, wenn wirklich nur in
Folge dieser Schweineschmälzung eine solche Verän
derung im Befinden seiner Patienten eingetreten, so müssen
wir aber weiter forschen, wodurch wohl dieselbe hervorgerufen
wird. Wie wir aus den Beschreibungen der „Bäder" wis
sen, war es bei den Römern Sitte, nach ihren Dampf- und
heißen Luftbädern den Badenden noch gehörig einzusalben;
sie hatten dazu ihre unctoria, Salb- und Oelungszimmer; es
geschah dies wohl in der Absicht, dadurch der in dem wär
meren Clima, bei der durch die heißen Bäder so sehr gerei
nigten und verdünnten und auch erschlafften Oberhaut, noth
wendig gesteigert werden müssenden Verdunstung rc. vorzubeu-
*) Anmerkung. Etwas Anderes ist es beim „Baunscheidti-
siren "; da wird die Oberhaut porher mit 25 Nadeln verletzt,
durch stochen, damit das scharfe Oel in diese kleinen Oeffnungen,
welche die Lederhaut getroffen, eindringen kann; sonst würde dasselbe
wohl kaum Pusteln erzeugen, und wenn man es auch Jahre lang
einschmierte!