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etwa vierwöchentlichem Gebrauche der Kur seine volle Sehkraft
wieder erhalten, Schmerzen, Geschwulst und Schleimfluß hat
ten gänzlich aufgehört; jedoch ließ ich ihn noch bis zur sechs
ten Woche die Kur fortsetzen und dann zur Nachkur über
gehen, um sicher vor nachteiligen Folgen zu sein. Die Hei
lung war eine so radicale. daß er auf frisch gefallenem Schnee
bei heiterem Sonnenschein umhergehen konnte, ohne irgend eine
Beschwerde dadurch zu bekommen, ein gewiß sicheres Experi
ment, wobei selbst die kräftigsten Augen mitunter zugekniffen
werden müssen. Auch dieser Patient befindet sich seitdem ganz
wohl und hat keine Beschwerden wieder bekommen.
Als ich den gegenwärtigen Aufsatz bis hierher niedergeschrie
ben hatte, bekam ich noch Gelegenheit, einen hiesigen, 56 Jahre
alten, robusten und vollblütigen Böttchermeister, an rheumatischer
Augenentzündung leidend, nachdem derselbe schon über acht
Tage daran gelitten hatte, zu behandeln. Der Schmerz war
sehr heftig, reißend und stechend, nicht allein in den Augen,
sondern auch in der Umgebung. Die Nöthe der Bindehaut
war sehr saturirt, die Lichtscheu so bedeutend, daß er die
Augen nicht öffnen konnte und im dunklen Zimmer verweilen
mußte; von Zeit zu Zeit brachen heiße Thränen hervor. Ich
ließ ihn Tag und Nacht blos die Fußeinpackung nehmen und
dieselbe so lange liegen, bis sie anfing trocken zu werden. Der
Erfolg war ein so überraschender, daß er schon nach fünf
Tagen das Tageslicht ertragen konnte und die Entzündung
gänzlich geschwunden war. In früheren Zeiten, als ich solche
Entzündungen noch mit Medicamenten behandelte, vergingen
fast ebcn so viele Wochen, bevor ich ein solches Resultat er
reichen konnte.
Kurze Zeit darauf habe ich selbst bei meiner Frau die
überraschende Heilkraft dieser Methode erfahren ; denn sie wurde
gleichfalls von rheumatischer Augenentzündung ergriffen und
fühlte sich sehr unglücklich, da fix vor 17 Jahren daran gelit
ten hatte und zwei Monate lang bei medicmischer Behandlung
das Tageslicht nicht sehen konnte, sondern im dunklen Zim
mer zubringen mußte, fürchtend, daß es diesmal wieder so
kommen würde; ich vermochte sie indessen zu trösten und ihr
zu versichern, daß es diesmal nicht so viele Tage dauern
sollte. Ich ließ den Leib- und Fußumschlag des Nachts ma
chen, den Fußumschlag am Tage beibehalten und schon am
5ten Tage war die Entzündung gänzlich gehoben, so daß sie
das grellste Tageslicht ertragen und selbst lesen konnte, ohne
Beschwerden zu bekommen.
Nachdem meine Frau in so überraschender Weise von
ihrem Augenleiden hergestellt worden war, sollte ich auch noch
Gelegenheit haben, diese Methode bei einer meiner Nichten an
zuwenden und mich abermals von ihrer Unübertrefflichkeit zu
überzeugen; denn ich erhielt einen Brief von einer bei Mag
deburg wohnenden Schwester, daß ihre 23 Jahre alte Toch
ter seit fünf Wochen an heftiger Augenentzündung litte und
daß dieselbe trotz der sorgsamsten medicinischen Behandlung
einen solchen Grad der Ausbildung erreicht hätte, daß sie, seit
Wochen das Tageslicht meidend, im dunklen Zimmer zubrin
gen müßte und Erblindung zu befürchten wäre, wenn nicht
bald Hülfe geschafft würde. Nach der Schilderung der Symp
tome zu schließen,' litt sie gleichfalls an rheumatischer Augen
entzündung, ich verordnete daher nebst dem Leib- und Fuß-
umschlage, welchen letzteren sie auch am Tage beibehalten
mußte, eine strenge Diät und bat, mir bald wieder Nachricht
über den Erfolg zukommen zu lassen. Nach etwa 14 Tagen
erhielt ich einen erfreulichen, dankerfüllten Brief, daß das
Augenleiden gleich nach Anwendung der Kur von Tage zu
Tage sichtbar mehr abgenommen und die Sehkraft sich völlig
wieder hergestellt habe, so daß sie jetzt von allen Beschwerden
bsfreit sei.
Wie schnell, sicher und radical, ohne große Umstände,
die Schroth'sche Methode also auch Augenentzündungen heilt
und ihre Triumphe feiert, dazu liefern diese, wenn auch nur we
nigen Beispiele, doch einen sicheren Beweis; denn die Wirkung
derselben bleibt wohl immer dieselbe und je früher man sie
anwenden kann, wie der Erfolg bei meiner Frau und meinem
Sohne gezeigt hat, desto schneller ist auch die Heilung. Die
beiden Kranken, an der ägyptischen Augenentzündung leidend,
hatten, der eine vier und der andere elf Wochen lang, sich
den täglichen Qualen durch Aetzen mit Höllenstein nebst dem
Gebrauche von scharfen, schmerzhaften Eintröpfelungen aus
einer Auflösung von Kupferalaun aussetzen müssen, ohne nur
irgend eine Erleichterung, geschweige Besserung, dadurch er
halten zu haben und würden gewiß durch den Fortgebrauch
derselben auch nicht radical hergestellt worden sein, wie es
vielen an derselben Krankheit Leidenden ergangen ist, sondern
Störungen ihres Sehvermögens zurückbehalten haben.
Nachbemerkung der Redaction.;
Wir sprechen zunächst unsere Freude darüber aus, daß ein sich
selbst „dem Schroih'scheu Verfahren zugethan" nennender Arzt uns
mit vorstehendem Artikel die Hand reicht zu hoffentlich auch fernerem
gemeinsamen Wirken im Tempel der Humanität und geläuterten An
schauung über Heilwesen. Wir und gewiß Alle, welche dieselbe Bahn der
Erkenntniß und des Strebens wandeln, wissen es ihm Dank, daß er
die wahrscheinlich anfänglich ebenfalls g e g e n ein freundliches Hand
inhandgehen mit hydriatrischen und allgemein - physiatrischen Anschau
ungen gehegte Abneigung und Scheu als Mann der Wahrheit und
Menschenliebe überwand und dies durch Einsendung vorstehenden Ar
tikels offeil aussprach! Möchte das ehrenwerthe Beispiel (welches wir
zweifelsohne dem wackeren Nestor der Naturheilkunde, Dr. Gleich in
München, zu verdanken hahen — sei ihm die Hand hiermit gedrückt!)
— recht bald recht vielseitige Nachfolge von der Schroth'jchen Schule
aus finden ! Dann wird sich eine wahre Schwesterschaft imnier mehr her
ausbilden und als möglich nicht nur, sondern als nothwendig offenbaren,
und wird nunmehr auch einleuchten im Allgemeinen, was von uns schon
längst anerkannt ist, daß die principiellen Verschiedenheiten zwischen
beiden Schulen gerade auf das Nützlichste zur Ausgleichung und wei-
sen Modificatiyn der betr beidertheiligen Einseitigkeiten, wo sie noch
bestehen, verwendbar sind. Wer wollte dies nicht auch bei den vorlie
genden Behandlungen von Augenentzündungen als theils geschehen,
theils als Vortheilhast ausführbar anerkennen?! Geschehen ist offen
bar die wünschenswerthe Combination bei der Behandlung der ersten
Stadien, in der Anwendung der bloßen (uud resp. in Verbindung mit
dem Schroth'schen Leibgürtel gebrachten) feuchten Fnßeiuhüllungen,
welche natürlich nur den Zweck der Ableitung und Eröffnung
einer Ausscheidungsquelle in der Fußhaut, statt lediglich und
allein in den inneren R u m P fausscheidungsorganen, anstreben konnten
und hierin also die einseitig Schroth-sche Richtung verließen, welche
hauptsächlich oder allein diesen letzteren die fragl. Ausscheidungsthätig
keit zuweist. N i ch t g e s ch e h e n ist die Modification bei dem 2ten
Stadium, konnte aber hier, nach unserer festesten Ueberzeugung,
ebenfalls und nur zur günstigsten Abkürzung des Krankseins und zu
weit größerer Erleichterung des Patienten eingeführt werden i n
Verringerung der zehnstündigen Dauer 11 it e r (wenn
wir nämlich recht verstehen: ein und derselben) feuchten
Einpackung. Diese mußte in so langer Zeit und nachdem die Er
hitzung der Tücher durch die Blutwärme eingetreten war, erregend
wirken, und da es in diesem 2ten. noch sehr acuten Stadium einer
solchen Erregung und einer nach Innen wirkenden lösenden Kraft der
Umschläge nicht bedurfte, wohl aber die Ableitung vom Kopf und Aus
scheidung am Unterkörper das Anzustrebende ebenfalls waren, so würde
eine combinatorische Form, wie sie der geehrte Herr Verfasser ander
wärts in der sogen. Schroth'schen Stunden kur oft anwendet, also
eine Zertheilüng der 10 stündigen Packung in 2 - 3 dergl von 3-4 stün-
diger, überhaupt so langer Dauer, als sie dem Patienten angenehm
gewesen sein würde ibemt in allen acuten Zuständen empfiehlt
sich ja das Rechnungtragen dem Instinkt von selbst) . gewiß ganz ge--