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Herausgegeben von Dr. W. Meinert.
(Dresden, Kaitzer SLr. Nr. 5.)
Der „Naturarzt" erscheint jedes Quartal mit io Nummern 4 1 Bogen; Preis jährlich 2 Thlr. oder 4 Fl. W. W.; Abonnement pränume-
J** a J? rt 3' ^lb- oder ganzjährig. Er ist eine erweiterte Fortsetzung des vorjährigen „Wasserfreundes", von dem Exemplare ä 2 Thlr. oder
4 £$. W. noch drrect von dem Herausgeber bezogen werden können. Alle Briefe und Sendungen an die Redaction werden franco erbeten
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Wie heilt man Scropheln und Tuberkulose
am richtigsten?
(Zugleich als Beitrag zu dem Capitel von der Schwierigkeit
der Einbürgerung des Vegetarianismus in Deutschland.)
Mitgetheilt von Herrn Naturarzt G. Wölb old in Stuttgart.
(Fortsetzung.)
Wie schon erwähnt, war ich nicht Herr über die Küche
in Brunnthal, konnte nicht verfahren, wie ich wollte. Die
G'sche Erfahrung ist übrigens anderen Leuten auch bekannt,
nämlich: daß gute Bouillon am besten so bereitet wird, daß
man das klein gehackte Fleisch mit kaltem Wasser an's Feuer
setzt, wodurch aller Saft ausgesogen, cs selbst aber zum Ge
nießen unbrauchbar wird; ebenso wissen Andere auch, wie
ein saftiger Braten bereitet wird; sie wissen auch, daß Ge
müse, Salate oder Compote dazu ein noch besseres Essen ab
geben, als „sonst Nichts"; wiederum wissen Andere, daß,
ohne Suppen und ohne alle Fleischspeisen, blos aus frischen
! oder trockenen Gemüsen, sowie aus den unzähligen Mehlspei
sen mit Compoten, Fruchtsäften sc ebenfalls ein ganz excel
lenter Mittagstisch hergestellt werden kann; es fragt sich nur:
welchen soll man wählen, welcher bekommt auf die Dauer
am besten, welcher ist der gesündeste? Citirt C. Gewährs
männer für seinen Carnivoren-Tisch, so ist man gar nicht ver
legen, ebenso viele und ebenso gewichtige für den vegeta
bilischen, den nicht cadaverösen, anzuführen! In seinem
Falle handelt es sich eben darum: welchen hält der Arzt
für den Krankheitszustand seines Sohnes am passendsten?
Wohin seinen Heinrich alle guten Tische seit Jahren
gebracht hatten, das wollte Herr C. nicht einsehen, nicht
einsehen, daß eben auch ein Bock — Böcke schießen kann!!
Was ferner das C.'sche belobte Hausbrod, aus Wei
zenmehl, aus dem nur die groben Kleien ausgesiebt und das
deshalb gut stickstoffhaltig sei, anbelangt und den Ausfall auf
die Münchener Semmeln, welche aus dem feinsten (?) Weizen-
mehl zubereitet und deshalb blos stärkemehlhaltig sein
sollen, so irrt sich der Briefschreiber gewaltig. Gerade in der
auch bei seinem aus gebeuteltem Mehle zubereiteten Haus
brode weggeworfenen groben Kleie ist hauptsächlich der
Getreidestickstoff enthalten; wollte C. also ein recht stickstoffrei
ches Hausbrod haben, so mußte er sich bei seinem Bäcker ein
sogenanntes Grahambrod*), d. h. Brod aus ganz ungebeu-
teltem Weizenmehle, bestellen. Auf das plus von ein paar
Loth mehr oder weniger Stickstoff beim Centnerverglciche sei
nes Brodes mit den keineswegs aus so feinem Weizenmehle
bereiteten Münchener Semmeln kommt es nun vollends gar
nicht an, denn gebeutelt ist — gebeutelt, etwas dicker oder
dünner, das bleibt sich gleich! (?); da. ißt man eben ein bis
zwei Stück jener Semmeln täglich mehr, als jener von seinem
Brode ißt, dann ist der Unterschied ausgeglichen! Stickstoff
ist aber auch im fein st-gebeutelten Mehle. enthalten, so ge
wiß als in der Kartoffel, denn beide nähren, wie die Erfah
rung lehrt, man darf nur in hinreichender Quantität da
von consumiren; es geht damit gerade wie mit dem Münche
ner Bier, das nach Baron von Liebig's Erklärung auch nicht
nähren soll, das aber, wie die Erfahrung lehrt, doch —
nährt! — Ich habe Jahre lang nur solche verrufene Sem
meln gegessen, und mein Körpergewicht ist dasselbe geblieben,
natürlich ich lebte nicht von Semmeln allein; ebenso wenig
sollte aber auch Heinrich blos von Semmeln leben, obgleich
ich wiederum aus eigener Erfahrung (16 Wochen Schroth'sche
Kur) davon sprechen kann, .daß man auch bei mehrere Wochen
lang fortgesetztem alleinigen Semmel-Genuß noch lange
nicht zu Grunde geht, geschweige denn, wenn Einer Milch,
Wasser, Semmeln und Obst nach Belieben bekommt
und dabei Nichts zu schaffen hat, sondern den ganzen Tag
in der warmen Stube zubringt! C.'s Freßfieber. wie sein
Hungerfieber, haben daher auf seinen Heinrich gar keinen
Bezug! Wohl aber bei den armen Webern in Schlesien — da
kennt man das H ung erfieber, und unter den oberen, in Hülle
und Fülle lebenden Classen findet man — das Freßfieber!
Der Schluß des Briefes wird vollends bedenklich! Wie
mag nur so ein exquisiter Stickstoff-Verehrer, der wegen Gicht
schon vor 20 Jahren auf dem Gräfenberge war und sie bei
den Fleischtöpfen dort nicht losbekam, von einer Stimme
der Natur sprechen?
Wo in aller Welt denn bietet uns, den Afterculturmen
schen, diese von ihm angerufene Natur eine Bouillon von
ausgepreßtem Fleische, wo excellente Beefsteaks mit Ei fix
und fertig dar? wie will er beweisen, daß nur bei dieser
famosen Fleischkost die menschliche Gesundheit gedeihen könne,
*) Anmerkung. Ueber dieses Grahambrvd werde ich demnächst
einen besonderen Aufsatz bringen, auf den ich jetzt schon verweise!