Volltext: Der Naturarzt 1863 (1863)

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dick geschwollen, breit und stark belegt, natürlich mit sehr übel 
riechendem Athem verbunden." 
Schöne Aussichten, dachte ich; welch' ein Augiasstall ist 
da zum Reinigen; beginnende centrale Lähmung in Folge schon 
eingetretener Reizung oder Entartung des Gehirnes und Rük- 
kenmarkes! 
Dennoch gab ich die Hoffnung nicht auf, sondern erklärte 
ihm, daß er sich gleich einer viermonatlichen Wasserkur unter 
ziehen solle, dann würden einige Monate Ruhepause noth 
wendig sein, um die Nachwirkung eintreten zu lassen, je nach 
welcher dann bestimmt werden sollte, ob ein zweiter Kurcyclus 
nöthig sei. 
Wie gesagt, so beschlossen: 
Allmälig leitete ich eine immer stärker erregende Kur ein, 
mit ganzen, langen (3 bis 4 Stunden dauernden) nassen und 
trockenen Einpackungen, jeden dritten und 4ten Aag ein Halb- 
damfbad (mit Brust- und Kopsumschlägen), auf Einpackungen 
und Dampfbäder Halbbäder von 18 0 und 3 bis 4 Minuten, 
Sitzbäder von 16" 10 bis 20 Minuten, Fuß- und Beinbäder 
von 14" 6 bis 15 Minuten, 3 bis 5 Klystiere täglich von 
16" 6, 8 bis 10 Loth; über Tag nasse Leibbinde, fleißig, 
d. h. 4 bis 5 Mal, erfrischt, über Nacht erregende Bein 
faschungen, Diät allmälig vegetabilisch, d. h. Suppen und 
Rindfleisch wurden sogleich entzogen, und Mittags von Fleisch 
nur Kälbernes oder Hühnchen gestattet. Morgens Eichelkaffee 
und Brod, Abends Obst und Brod; Mittags noch längere 
Zeit | Glas Wein, mit gleichem Quantum Wasser gemischt, 
gestattet. Wassertrinken alle Stunden \ bis £ Glas über 
Tag bis 5 Uhr Abends. Allmälig wurden die Halbbäder 
(mit schulgerechler Frottirung durch 2 Mann) und Sitzbäder 
auf 10 " heruntergebracht, dann statt der Halbbäder auf Voll 
bäder und statt der Sitz- und Beinbäder die letzten 3 Wochen 
auf Strahl-Douchen übergegangen, und als 'dritte tägliche Ap 
plication Linien- oder Stachelbrause, durch 1| bis 2^ Minu 
ten, abendlich. 
Diese Kur war eine vollständige Winterkur, nämlich vom 
8. October bis 8. Februar und in Triest vollzogen, wo nicht 
alle Bedingungen vorhanden sind, um den Organismus gegen 
chronische Leiden umzustimmen; dennoch hatte sie in vielen 
Beziehungen guten Erfolg. Vom 8. Februar ließ ich den 
Kranken die Kur aussetzen und zu Hause nichts anderes neh 
men, als täglich früh aus dem Bett Mantelabreibung und 
2 Klystiere von frischem Wasser, 8 Loth, je Morgens eines 
und Abends eines. — Die Nachwirkung dieser Kur war in 
soweit eine günstige, als alle Krankheits-Symptome sich ver 
ändert oder verloren hatten. Es blieb noch: belegte Zunge, 
pappiger Mund, Stuhl nur bei 1 bis 2 Klystieren, etwas 
schwerer Kopf und namentlich noch verdunkelte Augen; hier 
— nämlich in den Augen — war wohl etwas, doch am min 
desten, Besserung eingetreten, das Heer der übrigen Symp 
tome war verschwunden. 
Ich hielt daher einen zweiten Kurcyclus für nothwendig 
und zwar diesmal mit verschärfter Trockendiät, also eine so 
genannte Hydro-diätetische Kur und in meiner Land-Wasser 
heilanstalt im Sommer durchgeführt. 
Hierüber sende ich der löbl. Redaction die betreffenden 
Ordinationsbücher ein, damit sie die Ordinationen statistisch 
zusammenstelle, resp. daraus copire. Nach. diesem Schema 
bekommt überhaupt jeder Kurgast seine Kur genau schriftlich 
vorgeschrieben, damit sowohl der betr. Kurdiener, als Kurgast 
sich darnach zu verhalten wisse. (S. die Nachbemerkung d Red.) 
Der Erfolg dieses zweiten Kurcyclus ist nun, daß das 
Augenlicht sich bedeutend verbessert hat, so zwar, daß Patient 
nun bei Tage, sowie bei Nacht überall allein herumgeht und 
größere Maueranschläge entziffern kann; sein Stuhl aber ist 
ganz ohne Klystier so normal, wie er ihn vielleicht in seinem 
Leben nie hatte, nämlich täglich 1 bis 2 copiöse, ganz natür 
liche Stühle; freilich lebt er dabei fast rein vegetabilisch, seine 
Verdauung ist, wenn er ordentlich lebt, sehr gut, Kops ganz 
frei, Humor unvergleichlich gegen früher, und, wie man sich 
denken kann, sehr dankbar und zufrieden über das erreichte 
Resultat. Ich glaube, daß er durch einen dritten Kurcyclus 
feine Augen so verbessern würde, daß er selbst kleine Schrift 
wird lesen und dadurch vollkommen berufsfähig werden können! 
(Fortsetzung dieser Mittheilungen über Verstopfungskuren folgt.) 
Nachbemerkung der Redaction. 
Wegen Mangel an Raum können wir leider hier nur die Ordi 
nation für einige Wochen geben; die übrige wird Demjenigen, der sich 
dafür specieller interessirt, vom Herrn Verfasser gewiß gern mitgetheilt 
werden. Darnach bestanden die Formen in den ersten 8 Tagen (vom 
4. bis 12. Juni) aus: früh 3 Uhr nasse Ganzpackung für 4 bis 5 Stun- 
den, aus 2 Leintüchern beim Rumpf bestehend, nach der Auspackung 
nasse Mantelabreibung, des Tags über 2 Sonnenbäder (Unterleibs 
bäder), 25 Minuten lang, das eine halb il Uhr Vormittags, das an 
dere gegen Abend, mit nachfolgendem Halbbad von 13 o u. 3 Minuten 
Dauer, welches jeden 2ten Tag um 1 2 Minute verlängert und jeden 
Tag um ' h Grad kühler gegeben wurde; überdies noch täglich ein 
Sitzbad von 13 °, 6 Minuten lang und vom 2ten Tage an 1 Minute 
länger, nach dem abendlichen Sonnenbad. Die nasse Leibbinde wurde 
nur den Tag über, nicht aber mehr nach dem abendl. Sitzbade getragen. 
Klystiere von frischem Wasser erhielt Patient eines 3 Stunden nach der 
morgendlichen Abreibung und eines vor Bettgehen. Getrunken wurde 
Wasser nicht kurmäßig, und bei schlechtem Wetter oder Frostgefühl 
die Mittags- und Abendoperationen ausgesetzt oder beliebig vom P. 
verkürzt. 
Nach den ersten 8 Tagen' wurde die morgendliche Ganzpackung 
in Abwechselung gebracht mit einer dergl. nächtlichen aus 2 Tüchern, 
und 3 4 des Körpers lalso ohne Arme) umfassend. Trat in einer die 
ser Packungen Schweiß ein, so durfte Patient nur 15 bis 20 Minuten 
darin liegen, dann mußte er, auch wenü es mitten in der Nacht war, 
ausgepackt werden und die nasse Mantelabreibung erhalten; die Son 
nenbäder waren jetzt Vormittags 30 Minuten, Abends '20 M. laug, 
das Halbbad darauf anfänglich 12 0 und 5 Minuten lang und aller 4 
Tage J |2 Grad kühler; das abendliche Sitzbad 12(2° und 12 M-, 
aber vom 4ten Tage an ^kühler, die Leibbinde über Tag, trocken 
nach dem Sitzbade, und während Nacht, wenn nicht Einpackung vor 
handen, doppelt; Klystiere, wie in den ersten 8 Tagen; kaltes Luftbad 
nach der Abreibung 1^2 bis 2 Minuten lang auf der Terrasse. 
Vom 24. Juni bis 1. Juli 3 4 Packung mit 2 Binden über 
Nacht im Wechsel mit 4stündigen feuchten Ganzpackungen in 2 Tüchern 
Morgens, Sonnenbad wie in der 2ten Woche, und, falls P. hier nicht 
schwitzte, jeden 4ten Tag 1 Unterleibs-Dampfbad von 35 0 und 15 M. 
Dauer; Halbbad auf die Einpackung 110 und 4 M., kaltes Vollbad 
aus das Sonnenbad und Dampfbad 1 bis 2 Minuten; das abendliche 
Sitzbad von U l |2P und 10 M., welches bei Frösteln ausfiel; Leib 
binde und Klystiere wie' in der 2ten Woche. Die Diät bestand wäh 
rend dieser Zeit in je 2 trockenen Semmel-tagen, den 3ten Tag strenge 
-Kurkost von 2 Speisen und 1 Glas Wein, später steigerten sich die 
trockenen Tage auf 3 bis 4. 
Des Naturarztes D. Helfer Leiden und Freuden. 
Somatisch-hydriatlsche Novelle. 
(Fortsetzung.) 
3. 
Stille Qualen. 
Das kleine, einstöckige Wohnhaus des Steueraufsehers 
Rühle zu Mölsitz lag, wie wir zu Eingang unserer Erzählung
	        
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