Volltext: Der Naturarzt 1863 (1863)

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guter Fleischbrühe mehr fieberte, und deshalb war es mir recht, daß 
er auch zum Mittagessen Milch genoß, dabei bekam er aber noch etwas 
gut gebratenes gutes Fleisch und verdaute es. Hätte ich es wagen 
dürfen*), ihn hier einer Wasserbehandlung zu unterwerfen, dann würde 
mich das abendliche Fieber nicht beunruhigt haben, da das fieberstillende 
Halbbad sein Ueberhandnehmen und so quasi ein Verbrennen seiner 
Nerven verhindert haben würde. Das Fieber ist ein von der Heilung 
unzertrennlicher Proceß, der nur nicht' überhandnehmen darf aus dem 
oben angegebenen Grunde der Verzehrung und Lähmung der Nerven 
thätigkeit. Ich kann mich nicht damit einverstanden erklären, daß die 
F.'sche Küche für einen Patienten mit schwacher Verdauung passend 
wäre. Ebenso gut wie die Art der Wasserbehandlung dem Individuum 
angepaßt werden muß, muß auch die Stoffzufuhr der Individualität 
angepaßt werden, und wenn Herr F. sich nicht bewogen findet, in die 
ser Beziehung etwas für die Patienten zu thun, dann stelle ich ihm 
das Horoskop, daß es mit Brunnthal den Krebsgang gehen wird! 
Lassen Sie sich nichts von ihm vorflunkern; ich erinnere an die ein 
fache Berechnung, die ich Ihnen letzthin aufstellte. Wenn eine Aende 
rung des Regimes für Heinrich ä tadle ä'dote mit Schwierigkeiten 
verbunden sein sollte, lassen Sie ihn auf seiner Stube essen: etwas 
Bouillon von einem halben Pfunde klein geschnittenem Rindfleisch, eine 
halbe gebratene Taube, oder ein Stück anderen weichen Fleisches, etwas 
Compot zur Mehlspeise würde wohl zu beschaffen sein. Herr F. kann 
ja, wie gesagt, seine Rechnung machen. Und Sie werden sehen, daß 
der Junge sich bessern wird; die übermäßige Fieberhitze kann man ja 
dämpfen, aber sein Magen wird fertig werden mit seiner Zufuhr, die, 
aus saftlosen, faserigen Substanzen bestehend, nur einjBallast sein kann- 
Sollen die Wasserkuren zu Ehren kommen, dann muß man nicht in 
den Fehler der Mediciner fallen, die da glauben, ihre Medicin habe 
den Kranken geheilt. Rausse hat Unrecht, wenn er meint: „Wasser 
thut's freilich!" Das Wasser, abgesehen von seiner Eigenschaft als 
Nahrungs- und Reinigungsmittel, wirkt durch seine Temperatur die 
Lebensthätigkeit anregend oder herabstimmend; eine Heilung aber kann 
nnr möglich sein durch Normalisirung des Stoffes, an den die Kraft 
gebunden ist. Noch eine Bemerkung möchte ich mir im Interesse der 
guten Sache erlauben. Setzen Sie es durch, daß Ihre Patienten 
Einen kleinen Teller voll guter Suppe bekommen. Es ist eine 
contradictio in adjecto, wenn in einer Kaltwasserheilanstalt das Mittag 
essen eingeleitet wird mit zwei vollen Tellern warmen Wassers; 
anders kann man es im günstigsten Falle, daß pro Kopf ] j2 Pfund 
Fleisch zur Suppe genommen würde, doch nicht nennen, wenn eine 
Portion Fleischbrühe, die 1 3 Teller voll gäbe, auf 5 /3 Teller mit war 
mem Wasser potenzirt wird. Es ist mir eine Qual, auf Besuchsreisen 
bei meinen Verwandten Suppe zu essen, weil die guten Leute viel 
zu viel warm Wasser mit in den Kauf geben, eine Sünde, j)ie man 
ihnen verzeihen kann, denen kalt Wasser in jeder Form cin horror 
ist, die aber einem Kaltwasserfreunde nimmermehr vergeben werden 
kann. Glauben Sie, wenn einem Patienten das Messer an der Kehle 
sitzt, dann parirt er; wird doch an manchen Orten gar keine Suppe 
gegeben, was ich nicht gerade loben will, jedenfalls aber für besser 
halte, als warm Wasser zu löffeln. 
Es scheint, als ob wir, ich freue mich dessen ausnehmend, keinen 
scharfen Winter bekommen sollten, und so fasse ich wieder neuen Muth 
und neue Hoffnung für Heinrich. Erreicht er glücklich den Mai, dann 
kommt er durch, bei fernerer richtiger Pflege, und kann den Brüdern 
noch einmal nützlich sein mit seinem Gehirn, wenn auch die Hände ihm 
den Dienst versagen. Ich bitte, ihm alle Mittel zur Schonung seiner 
linken Hand zu gewähren, wenn die gewöhnliche Hülfe nicht ausreicht. 
Wenn meine Gegenwart nicht früher nöthig wird, denke ich im. April 
oder Mai Sie zu sehen. Im April steht mir ein Wohnungswechsel 
bevor, den ich in eigener Person ausführen muß, weil ich außer einer 
etwas botokudischen Köchin und meinen zwei Knaben Niemand mit 
diesem Geschäfte beauftragen kann. Geht es Heinrich pann besser, 
dann wird es meine schönste Reise im Leben sein! Ich hoffe, bald 
etwas von Ihnen zu lesen; ich muthe Ihnen nicht zu, mir weitläufig 
zu schreiben, aber ein klares Bild der Lage wünschte ich wohl zu 
haben!" (Fortsetzung folgt.) 
*) Anm der Red. Herr C. spricht einige Male in seinen Brie 
fen davon, daß er die Behandlung seines Knaben zu Hause nicht selbst 
habe leiten dürfen. Das ist wohl offenbar ein Irrthum. Unseres 
Wissens giebt es in den verschiedenen Staaten Deutschlands kein Ge 
setz, welches einem Vater verböte, in seiner Familie selbst als 
Arzt aufzutreten. Es versteht sich aber von selbst, daß er für die Fol 
gen verantwortlich ist, und daß er daher in der betr. Kur gehörig be 
wandertsein muß. 
Der Hydro-diätetische Verein zu Dresden 
veröffentlicht neuerdings in den „Dresdener Nachrichten" 
folgende Ansprache an das Publikum: 
Ueber Abhärtung und Hauteultur durch Waschen mit 
frischem Wasser. 
Mit dem Worte „Abhärtung" bezeichnen wir dieje 
nige Kräftigung und Stärkung unseres Körpers, durch welche 
wir in den Stand gesetzt werden, die für unseren Organis 
mus feindlichen Einwirkungen, besonders der uns umgebenden 
Atmosphäre mit ihren wechselnden, verschiedenartigen Tempe 
raturverhältnissen, in höherem Grade zu überwinden und zu 
ertragen. Wenn wir nun in unserem vorigen Artikel (s. S. 
200 des „Naturarztes") das Wort Abhärtung als gleich 
bedeutend mit Reactionsfähigkeit bezeichneten, so glaub 
ten wir dies mit vollem Rechte um deswillen thun zu dürfen, 
weil ja das in obiger Erklärung ausgesprochene Ziel (Kräfti 
gung und Stärkung rc.) durch fleißige Uebung in der Reac 
tion, d. h. durch öftere Reactionswiederholungen, am sichersten 
zu erreichen ist. Um vollkommen klar über den Begriff der 
Abhärtung zu werden, müßten wir allerdings die Worte 
„Stärkung, Organismus, feindliche Einwirkun 
gen, überwinden und ertragen" einer genaueren Er 
örterung unterwerfen, bei welchem Geschäft sich zugleich er 
geben würde, daß sich das relative Kraftmaß nicht bei jedem 
Zustande ermöglichen lasse. Aber wir überlassen dieses tiefere 
Eingehen in die Sache, namentlich auch das Erwägen der 
sehr verschiedenen feindlichen Einflüsse aus den Organismus, 
dem Leser selbst und wenden uns zu dem Gedanken, daß 
die Hautcultur eines der vorzüglichsten Mittel 
zur Abhärtung ist und dieselbe durch fleißiges 
Waschen mit frischem Wasser und Baden wesent 
lich gefördert wird. 
Unter Cultur der Haut verstehen wir eine Behandlung 
derselben, wie sie den Zwecken der Haut entspricht, also nichts 
anderes, als eine naturgemäße Hautbehandlung. Will 
man daher wissen, welche Behandlung die Haut naturge 
mäß erheischt, so muß man vor Allem ihre Zwecke in's Auge 
fassen. Um dies zu thun, machen wir zuerst darauf aufmerk 
sam, daß die äußere Haut mit den innerlichen Häuten des 
Körpers, z. B. mit den Häuten der Nase, des Gaumens, der 
Lungen, des Magens und der Gedärme, der Nieren und der 
Blase in genauer Verbindung steht, so daß man auch hier 
sagen kann, wenn eine Haut leidet, so leiden alle Häute mit, 
und wenn sich die eine Haut in gutem Zustande befindet, dies 
auch einen wohlthätigen Einfluß auf die übrigen zur Folge 
hat. Oftmals übernimmt auch die eine zugleich das Geschäft 
der anderen mit, wie dies z. B. daraus zu ersehen ist, daß 
der stark Schwitzende weniger zu uriniren braucht. Kurz, die 
gesammten Häute des Körpers stehen mit einander in der in 
nigsten Verbindung und haben auch eine gleiche Bestimmung, 
nämlich die, der Einsaugung und Ausdünstung (Ausstoßung). 
Daß es nun zunächst durchaus nicht einerlei sein könne, welche 
Beschaffenheit die — aus der Lederhaut, dem Schleimnetz und 
deM Oberhäutchen (Lxicksrmis) bestehende — den ganzen 
Körper bedeckende äußere Haut habe, die doch mit der 
Außenwelt in der unmittelbarsten Berührung und mit den in 
neren Hänten in der innigsten Verbindung steht, liegt auf der 
Hand. Es muß uns daher gar sehr daran gelegen sein, daß
	        
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