Volltext: Der Naturarzt 1863 (1863)

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Verantw. Redakteur und Verleger: vr. M e i n e r t. Druck von L i e P s ch & Reich ardt in Dresden. 
persönlichen Consultationen und besonders in der klinischen 
Behandlung anstreben, die ich mit den Kranken vornehme, 
die bei mir in Godesberg die Kur durchmachen oder wenig 
stens beginnen. 
„Wunder" will Herr Baunscheidt nicht wirken, um 
auch auf dieses Wort des Herrn Vanoni zu kommen, noch 
weniger ist dies meine Absicht, der ich durchaus dem Grund 
sätze huldige: „es geht Alles mit natürlichen Dingen zu." 
Alles muß aber auch rein natürlich, naturgemäß aufgefaßt 
werden, frei von den traditionellen Vorurtheilen, von denen 
alle bisherigen Schulsysteme so vollgepfropft sind; nur dann 
lasten sich die natürlich möglichen Resultate mit annnähernder 
Sicherheit erzielen. 
Das ist es, was ich Ihnen heute mit beflügelter Feder 
schreiben wollte. Manches Weitere werden Sie und Ihre 
Leser in meiner oben genannten Schrift stnden. Auf Anfra 
gen und Bedenken, die Sie oder Ihre Leser erheben sollten, 
werde ich Ihnen gern jederzeit Rede stehen. Heute sei es mit 
dem Gesagten genug, das.Sie auch deshalb gern in Ihrer 
Zeitschrift abdrucken wollen, weil es zugleich ein Zeugniß der 
Achtung sein soll, die ich Ihren löblichen Bestrebungen zolle. 
Nachbemerkung der Redaction. 
Wir haben Vorstehendem zwar gern einen Platz im „Naturarzt" 
eingeräumt — aber in der Hoffnung, daß Weiteres und Ausführliche 
res — besonders physiologische Begründung — noch nachfolgen wird. 
Denn wir vermögen in der Verweisung auf die besondere Schrift des 
Herrn Verfassers so lange keinen besonderen Trost zu empfinden, als 
nicht- ein zum Urtheil theoretisch wie praktisch Berufener, wie Herr 
vr. Sch , wenigstens andeutungsweise die Hauptbedenken der Physiatrik 
gegen den Bauuscheidtismus zu beseitigen versucht, darin bestehend, 
daß dessen Blutserum-Entziehung die Folgen des Aderlasses 
und die Pustelbildung durch das Oel eine Hautschwächung 
nach sich ziehen können. — Möchten auch solche, welche schon vor 
mehreren Jahren den Baunscheidtismus an sich anwandten, ihrer 
jetzigen nachträglichen Erfahrung Stimme bei uns geben! 
Des Naturarztes v. Helfer Leiden und Freuden. 
Somatisch-hydnatische Novelle. 
(Fortsetzung.) 
Bier Wochen waren so vergangen und weder Jean noch 
die gräfliche Familie hatten etwas von sich. hören lassen, da 
traten eines Tages zwei Männer in bäuerlicher Kleidung in 
den Garten. Eben trug Amelie ein großes Huck abgeschnit 
tener grüner Maisstengel nach dem Stalle zu, um sie, in 
Stücken gebrochen, den Kühen Babette's vorzulegen, als einer 
der Männer, die sie ob der langen Last aus ihren Schultern 
nicht gesehen, nahe an sie herantretend, fragte, ob hier Frau 
Babette, des Gärtners Jean Ehefrau, wohne und zu Hause 
sei? „Jean, das bist Du selbst," rief Amelie, freudig über 
rascht ob der ihr wohlbekannten Stimme und die Maishucke 
von den Armen werfend, „ja Du bist's, ich erkenne Dich so 
gleich trotz Deiner Verkleidung." „Aber, mein Gott", erwie 
derte der betroffene Jean — „Du — Sie — doch nicht mög 
lich — was ist denn das?" „Ja wohl, in Gottes herrlicher 
Natureinrichtung ist alles möglich — sieh' mich nur an, ja 
ich bin's oder bin's auch nicht; — denn die frühere verzärtelte, 
schwache, kranke Amelie bin ich nicht mehr, aber die ziemlich 
schon ganz gesunde, kräftiger gewordene, schon etwas abge 
härtete Amelie bin ich — !" „Mein Kind, mein Kind!" rief 
jetzt der andere Bauersmann, die Arme erstaunt ausbreitend 
und einen Augenblick darauf lag Amelie laut schluchzend vor 
freudiger Erregung an der Brust des geliebten Vaters, der 
selbst gekommen war, sein Kind abzuholen, nachdem der treue 
Jean unter mancherlei Umwegen Perpignan erreicht und über 
das nach seiner Abreise Geschehene getreulichen Bericht erstat 
tet hatte. Da gab es nun der Fragen herüber und hinüber 
gar manche, und dabei konnte sich der Vater nicht sattsehen 
an der Tochter, die er sich neugeboren glaubte und über de 
ren erstaunliche Veränderung körperlicher und geistiger Art 
er nicht genug sich wundern konnte. 
Bertha. O weh! nun ist wohl diese ganz niedliche 
Geschichte aus? 
Dr. Helfer. Im Gegentheile, es wird nur von Ihren 
werthen Eltern und Ihnen selbst abhängen, sie zum Anfang 
der Fortsetzung zu machen. Es war aber vor der Hand Zeit, 
sie abzubrechen, denn wir sind, wie ich eben sehe, vor dem 
Augustin'schen Hause angekommen und ich habe daher die 
Ehre, mich den Herrschaften allerseits bestens zu empfehlen, 
mit dem Wunsche, daß für Fräulein Bertha recht viel des 
Guten aus dieser Kirchfahrt, den kommenden Tagen gegen 
über, hervorgehen möge. 
Herr Augustin. Nun, es bleibt dabei, ich erwarte 
Sie diesen Nachmittag ' zur Feier unserer Kirms in meinem 
Hause. 
Frau Augustin. Hoffentlich bietet sich da Gelegenheit, 
die wichtigen Andeutungen, welche Sie uns so freundlich in 
Ihrer Erzählung gegeben haben, näher zu besprechen. 
Bertha. Und —nicht zu vergessen — auch dazu, uns 
noch Einiges über die weiteren Schicksale der Comtesse Amelie 
— vielleicht auch hinsichtlich der unglücklichen Demoiselle Fleury 
zu geben. 
Dr. Helfer. Das bedaure ich in der That, mit Vie 
lem nicht mehr thun zu können; denn ich weiß selbst nur, 
daß Comtesse Amelie von da an bald völlig gesundete und 
sich später glücklich verheirathete, und daß Fräulein Fleury 
unbeschadet ihrer Haft entlassen wurde. 
Bertha. Nun dann werden Sie uns schon etwas an 
deres Nettes zu erzählen haben. 
Dr. Helfer. Wenigstens hoffe ich — wenn Sie es so 
gestalten wollen — Lehrreiches! 
Und so trennte sich für diesmal unser Freund Helfer 
von den so unerwartet kennen gelernten Mitgliedern der Fa 
milie Augustin, große Hoffnungen darauf für seine Zukunft 
bauend. Armer Helfer, da hättest du wohl schwerlich geahnet, 
daß Dir schon der Nachmittag — bei der Kirmsfeier und in 
demselben Hause — die bitterste Erfahrung vom Gegentheile 
bringen würde! (Fortsetzung folgt.) 
Briefkasten. 
Herrn Secr. W. Kr, jr. in B. Ihr traurig-interessanter Reise- 
Bericht ist uns zugekommen, und indem wir dafür, wie für die übri 
gen Beilagen, verbindlich danken, ersuchen wir Sie um gelegentlich ge 
fällige Mittheilung darüber, ob wir von dem Bericht öffentlichen Ge 
brauch machen Dürfen, je nachdem es uns geeignet scheint?
	        
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