Volltext: Der Naturarzt 1863 (1863)

258 
überhaupt über die Art und Weise rebeü, wie män chro 
nische Krankheiten zu behandeln hat Behalten Sie für 
heute nur das treu im Gedächtniß, daß die acuten Krank- 
heitrn, also Entzündungs- und Fieberzustände, Uicht sö ge 
fährlich find, als in der Regel angenommen wird und als sie 
leider auch von den Aerzten meistentheils behandelt werden, 
daß es vielmehr Heilerscheinungen sind, die treuesten 
Freunde Ihres Körpers, Ihres Lebens, durch die Ihnen zur 
Gesundheit wieder verholfen wird, wenn Sie sie richtig ver 
stehen und richtig behandeln. 
Zweiter Vortrag (von Herrn Martini). 
Verehrte Anwesende! Ich bin aufgefordert worden, 
einen Krankheitsfall Ihnen mitzutheilen, der in der That 
eigenthümlich genug ist. Ich muß damit anfangen, Ihnen zu 
erzählen, daß ich vor ungefähr 25 Jahren eine Frau hier 
kennen lernte, Namens Gutkäs, mit der ich auch über Natur 
heilverfahren, oder, wie man's damals vorzugsweise nannte, über 
Wasserkur sprach. Daraus theilte sie mir mit, daß sie auch 
eine und zwar folgende Erfahrung, die ganz dahin einschlage, 
an ihrer neunjährigen Tochter gemacht habe: Das Kind wurde 
krank und zwar bekam es eine Darmentzündung, so heftig, daß 
kein Mittel anschlagen wollte; Obstruction selbstverständlich war 
die nächste Folge oder vielleicht auch Ursache davon. Der Arzt 
hatte ihr bereits eines Tages mitgetheilt, sie möchte sich gefaßt 
machen, daß das Kind möglicherweise morgen durch den Tod 
von seinem Leiden befreit werden würde; sie hatte selbst sich 
schon auf solchen Ausspruch gefaßt gemacht, war daher jetzt 
nicht sonderlich überrascht dadurch und mußte sich zu fassen 
suchen. Das Kind überlebte aber immer noch die nächstfolgende 
Nacht Am anderen Morgen wimmert und winselt es jäm 
merlich vor Schmerz. Die Entzündung hatte dergestalt über 
hand genommen, daß das arme Kind sich krümmte, wie ein 
Wurm. Mittlerweile hatte die Frau ein Füßchen mit Wasser 
in die Stube getragen, um ein wenig weiße Wäsche zu spü 
len. Sie denkt über den Fall nach, und in ihrer Einfalt 
schließt sie, daß doch wohl auf eine so heiße Haut und ge 
spannten Unterleib Waschen und gleichsam Löschen mit kaltem 
Wasser nicht gefährlich sein könne; auch beruhigt sich Ihr 
Gewissen um so mehr bei diesem Gedanken, als ja doch der 
Tod schon von Seiten des Arztes als unausbleiblich hinge 
stellt worden war. Sie fängt also mit der nassen Hand, erst 
ganz piano, an zu waschen. Das Kind hört aber auf zu 
wimmern und drückt durch sein Benehmen ein gewisses Wohl 
behagen aus. Sie wird dadurch dreister und setzt sogar, nach 
dem sie noch einige Minuten mit Waschung und Reiben der 
Hand fortgefahren hat, das Kind selbst in das Füßchen, es 
dabei fort und fort überwaschend. Nach vielleicht fünf Mi 
nuten und schon während dieser Zeit ist der Krankheitszustand 
des Kindes so erleichtert, daß sich die Frau nicht genug dar 
über verwundern und freuen kann. Ungefähr eine Viertel 
stunde später, nachdem sie es wieder herausgenommen und in's 
Bettchen gelegt hat, ist dann die Krankheit zum Durchbruch 
gekommen und das Kind bekommt eine Entleerung, wie sie 
sonst gar nicht oder höchst selten eintritt. Und siehe, es ist 
gerettet! Am anderen Morgen, als der Arzt kommt und das 
Kind überraschend wohl aussehen gegen den vorhergehenden 
Tag findet, fragt er, ob 'was vorgegangen fei. Nein, erwi 
dert sie, sich nicht getrauend, von ihrem eigenen Unternehmen 
etwas zu sagen. „Nun aber die Besserung ist auffallend ; sie 
soll nur fortfahren und es Pflegen." Daraus sagt sie: „Ich 
will es Ihnen nur gestehen, ich hab' es gewagt, und habe das 
Kind in ein Füßchen mit Wasser gesetzt und es gewaschen; 
eine Viertelstunde darauf geschah ein Durchbruch und auf 
diese Weise ist es gerettet" 
Das war der Fall, den ich glaubte, des Ueberraschenden 
wegen, mittheilen zu müssen. Hieran knüpfe ich wiederholt 
die Bemerkung, wie schon das vorige Mal, daß doch Jeder, 
der es mit sich und seiner Gesundheit und den Seinigen wahr 
haft gut meint, schon in gesunden Tagen darauf Rücksicht 
nehmen und sich mit der sogenannten Wasserkur, oder wie 
wir es heute richtiger bezeichnen, mit der hydro- 
diätetischen Kur (Naturheilkunde — Physiatrik) ver 
traut machen möge. Kommt erst ein Krankheitsfall, und 
man hat nicht ein bischen Muth dazu errungen, durch ge 
legentlich?, selbsteigene Praxis in weniger bedenklichen Fäl 
len, dann wird es bestimmt nicht gewagt. Ich sage „ge 
wagt" hier gar nicht im vollen Ernste, denn ein Wag- 
niß ist's niemals. Wenn man z. B. auf dem Lande wohnt, 
wo vielleicht nicht einmal ein Arzt in der Nähe ist, und 
es begegnet einem Kinde oder einem Hausgenossen etwas 
Krankhaftes, möglicher Weise sogar schnell Tödtliches, so ist 
vor allem eine Einschlagung des ganzen Körpers in ein nas 
ses, ausgerungenes leinen Tuch nöthig. Darüber weg, wenn 
es zu haben ist, kommt eine wollene T)ecke oder im Nothfall 
doch anderes trockenes Zeug und Betten, so daß die Luft von 
der nassen Einhüllung dadurch abgesperrt und ein Schwitzen 
des Eingepackten leichter möglich wird. Ist die Hitze aber sehr 
groß und klagt der Eingepackte darüber öder giebt (z. B. als 
kleines, noch nicht sprachfähiges Kind) nach einiger Zeit Un 
ruhe zu erkennen, so packt man ihn aus, erneut die Nässung 
des Leinen und fährt damit und mit der Wiederbedeckung, da 
nöthig, so lange Zeit fort, bis Ruhe, Schmerzlosigkeit und in der 
Regel auch Schlaf eintritt. Jedenfalls ist dies das erste Mit 
tel, das man anzuwenden hat. Niemals wird man damit 
einen Mißgriff begehen, namentlich wenn man auch nicht ver 
säumt, nach längerem Eingepacktgewesensein des Kranken und 
bei seiner Auspackung ihn mit mildem, kühlen Wasser am 
ganzen Leibe zu waschen (worauf er trocken in sein Bett zu 
rückkehrt) und wenn man die ganze Manipulation mit dem 
nassen Einpacken und nachträglichen Abwaschen so oft und so 
lange wiederholt, als sich wieder viel Hitze, Schmerzen und 
dergleichen einstellt, wobei man auf die schmerzenden Stellen 
allemal besondere und ziemlich dicke, feuchte Kompressen auf 
legt. Man wird die Krankheitsgesahr auf diese Weise bre 
chen, und der Körper wird dabei nach uüd nach genesen. 
Dann hat man auch Muth bekommen, fortzufahren. Höchst 
nöthig aber ist es, über die Naturheilmethode so viel als 
möglich zu lesen, wozu ich Ihnen unsere Vereinsbibliothek 
recht nachdrücklich empfehle. 
Baunscheidt und der Baunscheidtismus. 
(Mitgetheilt von Dr. C. H. Schauenburg, Arzt in Godes 
berg bei Bonn ) 
Der von Ihnen in Nr. 29 Ihrer Zeitschrift geäußerte 
Wunsch, es möchten Ihnen außer der Vanoni'schen Bespre 
chung, die Sie am 2. September veröffentlicht haben, weitere
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.