Volltext: Der Naturarzt 1863 (1863)

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darf Nichts entzogen werden " Ich bin nicht überzeugt. Das Be 
harren bei der Böcker'schen Ansicht überliefert den Jungen der gallop- 
pirenden Schwindsucht; wird ableitend verfahren, sei es in der 
Wasserkur oder anderweitig, dann wird, wenn das Krankhafte in seinem 
Organismus zu überwiegend ist, doch der Tod viel später eintreten, 
da kein so schnelles Verbrennen in der Fiebergluth stattfindet, als int 
ersten Falle. Aber wie soll man die Wasserkur fortsetzen? Wird der 
Münchener Winter es erlauben für einen Tuberkulosen? Werden Sie 
Heinrich in Behandlung nehmen können? Allgemein anregend, die 
Thätigkeit aller Organe, ausgenommen die Lungen, steigernd müßte 
das bei ihm angewendete Verfahren sein; ein großes, geheiztes Zimmer 
müßte ihm zur Wohnung gegeben werden rc. re., was Sie Alles besser 
wissen werden, als ich. Haben Sie die Güte, mich möglichst bald zu 
benachrichtigen Bei Heinrich habe ich auf den Busch geklopft: da er 
nicht die Schule besuchen kann, so ist er auch mit der Fortsetzung 
der Kur unter Ihrer Obhut vertraut gemacht. Ich würde den Jungen 
selbst zu Ihnen bringen und so lange bei ihm bleiben, als nöthig, um 
mit Beruhigung wieder heimkehren zu können. Ich selbst darf den 
Jungen nicht in Behandlung nehmen, einem anderen Arzte, wie Ihnen, 
mag ich ihn nicht anvertrauen. Ueberlegen Sie und schreiben Sie 
mir schnell!" 
(Fortsetzung folgt.) 
Ausdemhydro-diiitetischen Verein zu Dresden*). 
(Oeffentlichtz Versammlung am 3. November 1862,) 
Erster Vortrag (von vr. M.) über 
Wie heilt die Nütur (in qua via sanat natura?) 
(Zugleich als Anfang einer Parallele zwischen Naturheilver 
fahren und alter Heilkunde.) 
Geehrte Anwesende! Der hhdro - diätetische Verein ver 
folgt den Zweck, die Grundsätze der Naturheilkunde (Phhsia- 
trik) darzulegen, damit Diejenigen, die sich für dieses wich 
tige Gebiet des Wissens interessiren, durch uns angeregt wer 
den, vielleicht das eine oder andere der darüber geschriebenen 
Handbücher sich anzuschaffen, um sich durch ein solches noch 
besser zu belehren, als wir es vermögen, und damit Jeder 
soweit, als es nur irgend möglich, wenigstens in acuten 
Krankheiten, sein eigner, bester Arzt für sich und für Andere 
werde. Das ist das Ziel, wohin unser hydro-diätetischer Ver 
ein strebt. Er hatte früher diese Aufgabe nicht in dieser er 
weiterten Form; er begnügte sich sonst mehr, auf Beobachtung 
einer guten Diät, einer vernünftigen Lebensweise überhaupt, 
aufmerksam zu machen, namentlich auch darauf, welchen gro 
ßen Einfluß die Anwendung des frischen Wassers auf den 
Körper habe; aber er hat neuerdings eingesehen, daß er als sein 
Ziel auch das Heilwesen in's Auge fassen und darüber beleh 
ren müsse. Wir haben deshalb angefangen, für dieses Ge 
biet durch öffentliche Aufsätze — Mancher von Ihnen hat sie 
vielleicht gelesen — in den „Dresdener Nachrichten" zu wir 
ken; aber für die Winterzeit haben wir uns vorgenommen, 
durch regelmäßige, monatlich stattfindende Vorträge in einer 
*) Wenn wir annehmen dürfen, daß schon den bisherigen Mit 
theilungen ans dem hydro-diätetischen Vereine zu Dresden von den 
Freunden kt Naturheilkunde und Volkswohlführt einige Theilnahme 
geschenkt worden sein wird, so ersuchen wir darum von jetzt an um 
so Mehr, als den fraglichen, nun beginnenden Vortrügen ein System 
der Belehrung für das Publikum unterliegt, welches sich auch für an 
dere. Orte, wo man ähnliche Vereine zu gründen die Absicht haben 
möchte, hoffentlich als praktisch erweisen wird. 
Versammlung unseren Zweck mündlich zu verfolgen. Wir ha 
ben bereits eine solche Versammlung vor vier Wochen gehal 
ten, wo zuerst über das Geschichtliche des Vereines Mitthei 
lung gemacht und wo dann im zweiten Vortrage der Haupt 
grundsatz der Naturheilkunde, auf dem die Thätigkeit unseres 
Vereines beruht, dargelegt wurde, der nämlich, „daß die 
Natur heile und daß der Arzt nichts zu thun habe, 
als die Natur zu leiten in dieser Heilung, also 
sich jeder irgendwie ihr Selbststreben benach- 
theiligenden Einwirkung enthalten müsse. Wa 
rum dieser wichtige Grundsatz an der Spitze steht und 
warum man anzunehmen habe, daß die Natur das allein hei 
lende Princip in Krankheiten sei, das behandelt eben jener 
Vortrag, den Sie —- er ist höchst wichtig zu lesen — in der 
hier erscheinenden Zeitschrift „der Wasserfreund" (wie sie we 
nigstens in dem ersten Jahrgange genannt war, welche von 
Neujahr an aber unter dem Titel „der Naturarzt" fort erschei 
nenwird) abgedruckt finden werden*). Es bleibt nun heute übrig, 
auf dem betretenen Pfade fortzuwandeln und zu zeigen, wie 
die Natur heilt. Ich kann das natürlich blos andeutungs 
weise thun. In's Specielle und Tiefere einzugehen, erlauben 
uns die kurze Zeit und die wenigen Vorträge nicht, die für 
den Winter gestattet sind. Ueberhaupt ist es nicht möglich, 
ganz und allein durch mündliche Darlegung in's Specielle 
bei diesem Gebiete so einzuführen, daß Jemand ällein da 
durch befähigt würde zu dem, was wir wollen, nämlich sein 
eigener Arzt, wenigstens für acute Krankheiten, zu werden. 
Zunächst müssen uns die Begriffe Entzündung und 
Fieber interessiren Wenn ich, geehrte Anwesende, behaupte, 
daß diese Zustände es sind, durch die die Natur heilt, in 
denen sie ihre Heilzwecke zu erreichen sucht, so wird das dem 
Einen und dem Anderen noch fremd vorkommen. Die Mei 
sten von Ihnen werden Fieber und Entzündung als Krank 
heiten angesehen haben, die man bekämpfen, aber nicht 
h egen und pflegen müsse. Wir sind aber anderer An 
sicht, und ich werde nicht verfehlen, wenigstens einige Gründe 
namhaft zu machen, um Ihnen darzulegen, weswegen wir 
dieser anderen Ansicht sind. Im Allgemeinen wissen Sie 
wohl, was man unter Fieber und Entzündung zu verstehen 
hat: abnorme Zustände, meistentheils wahrnehmbar für das 
Auge und für das Gefühl, Zustände der Erregung im 
Nerven- und Blutleben. Im Grunde sind beide ganz 
dasselbe, Entzündung nur mehr örtliche Erregung, in 
einem gewissen Theile des Körpers; Fieber die allge 
meine Erregung des ganzen Körpers, so daß Entzündung 
ein örtliches Fieber und Fieber eine allgemeine Entzündung 
genannt werden könnte. Sie wissen recht gut, daß, wenn 
eine Entzündung an irgend einem Theile Ihres Körpers vor 
handen ist, dieselbe sich schon kund giebt durch mehrere äußere 
Merkmale. Es ist da der Fleck geröthet, wo die Entzün 
dung ihren Sitz hat; es ist sehr häufig eine Geschwulst 
damit verbunden; man hat ein Gefühl der Spannung, 
des Schmerzes, des Druckes. Beim Fieber ist das we 
niger der Fall; oft kann man äußerlich nicht einmal dessen 
Vorhandensein sogleich erkennen. Auch bei manchen inneren 
Entzündungen merkt man weniger äußerlich davon. 
Das Fieber ist also die Gesammt-Erregung des Nerven- 
und Blutshstemes und . wird theils durch das Anfühlen des 
Pulses, theils aber und noch besser durch das Thermometrisiren, 
**) Siehe Seite 183 ff. des heurigen Jahrganges unseres Blattes. 
Die Red.
	        
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