Dresden,
de« 22. Oktober.
Der Naturarzt.
M 32.
1863.
Korrespondenzblatt für Ireunde naturgemäßer Keilmethoden.
Herausgegeben von Dr. W. Meinert.
(Dresden, Kaitzer Str. Nr. Z.)
Der „Naturarzt" erscheint jedes Quartal mit 10 Nummern ä i Bogen; Preis jährlich 2 Thlr. oder 4 Fl. W. W; Abonnement pränume
rando ^Mrig, halb- oder ganzjährig. Er ist eine erweiterte Fortsetzung des vorjährigen „Wasserfreundes", von dem Exemplare L 2 Thlr. oder
4 Fl. W. W. noch direct von dem Herausgeber bezogen werden können. Alle Briese und Sendungen an die Redaction werden franco erbeten
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Wie heilt man Scropheln und Tuberculose
am richtigsten?
(Zugleich als Beitrag zu dem Capitel von der Schwierigkeit
der Einbürgerung des Vegetarianismus in Deutschland.)
Mitgetheilt von Herrn Naturarzt G. Wölb old in Stuttgart*).
Im Sommer 1854 war ich Assistent in der Wasserheil
anstalt Königsbrunn bei Dresden und machte da erstmals die
Bekanntschaft des Herrn Cr. und seines Sohnes Heinrich.
Ihr Aufenthalt dauerte dort nur ein paar Wochen, da der
Herr Cr. und Dr. Putzar wegen der Behandlung des Heinrich
sich nicht einigen konnten. Putzar's Diagnose lautete: „Scro-
pheln und Caries (Knochenfraß) am rechten Arme
und Fuße."
Am 6. Juni 1856, 2 Jahre später, suchte mich Herr C.
mit seinem Sohne in Brunnthal bei München auf, wo ich seit
März die Wasser- und gymnastischen Kuren selbständig leitete.
Die Untersuchung des jungen C. ergab da folgendes
Resultat:
1) Leichter Grad rechtsseitiger Seoliose (Rückgratsver
krümmung);
2) Beckenverschiebung und Erhebung nach der linken
Seite;
3) Linke Hälfte des Thorax (Brustkasten) eingesunken und
kleiner, als die rechte, namentlich auffallend einge
sunken von der 6. Rippe an abwärts;
4) Erweiterung des rechten Herzventrikels als Folge der
Lungenkreislaufs st örung;
5) Tubereulöse Anlage und effectiv vorhandene
Knochentubereulose am rechten Ellenbogengelenk,
rechten Zeigefinger und rechter großer Zehe;
6) Linkseitiger Leistenbruch und rechts Cryptorchidismus
(d. i. Verbleiben des Hodens in der Bauchhöhle).
*) Anm. der Red. Wir freuen uns, hiermit seit langem wieder
das erste Lebenszeichen von unserem verehrten Freunde und Mitarbei
ter. in seiner gewohnten lehrreichen Weise, bieten zu können. Zugleich
wird es vielen unserer Leser angenehm sein, zu hören, daß Herr Wol-
bold, jetzt in Stuttgart — Dorotheenstraße Nr 4, 3 Tr wohnhaft —
sich uns „gern als zu denjenigen Naturärzten gehörig" bezeichnet hat,
welche ebenso zu mündlichen Consultationen am Ort bereit, als zu
persönlichen und brieflichen Berathungen nach auswärts gegen billige
Vergütung erbötig sind.
Die Scoliose und Verkleinerung der linken Thoraxhälste
erscheint als Folge früher bestandener Pleuritis (Rippenfell-
Entzündung) und nunmehriger unvollkommener Ausdehnung
des linken unteren Lungenlappens, welcher zudem mit dem
Rippenfell verwachsen ist. Die Beckenverschiebung, nicht zu
verwechseln mit spontaner Luxation (Verrenkung) des linken
Schenkelkopfes, mag wohl Folge ungleichen Auftretens und
Stehens und vielleicht des unwillkürlichen Ausweichens gegen
über dem belästigenden Drucke des Bruchbandes und zugleich
mit Ursache der schwachen Abbeugung der Lendenwirbel
nach links sein.
Außer einem fortwährenden G ehüstel fanden sich keine
Symptome der Lungenschwindsucht höheren Grades
vor, wie z. B. Eiterauswurf, Nachtschweiße, Fieber, Brust
schmerz, Diarrhoe rc.; eine Abmagerung sämmtlicher Musku
latur war aber vorhanden, wenn auch noch nicht in sehr
hohem Grade.
Meine Behandlung bestand in Folgendem:
Morgens: feuchte Einpackung mit extra Brustcompresse
bis zu guter Erwärmung (ca. 2 —24 Stunde), darauf ein
Halbbad von 22 — 20 0 R. mit gleichzeitiger Brust- und Rük-
kenwaschung mit 14 o Wasser. Vormittags: Beinabreibung
mit in ganz frisches Wasser getauchtem Handtuche. Nachmit
tags einen Tag ein Halbbad wie Morgens nach vorheriger
Promenade, den andern Tag ein Sitzbad von 18—16° R.
mit gleichzeitiger kälterer Brustbenässung, 2 kleine kalte La
vements täglich, Wassertrinken drei Mal je einen halben Schop
pen Morgens, Vor- und Nachmittags, bei der Kurtafel nach
Appetit Alles erlaubt. Ueber Nacht: feuchter Rumpf-Um
schlag; Tag und Nacht permanent Wechselumschläge um die
cariösen Körperstellen.
Vom Juli an begann ich mit Heinrich auch Gymnastik,
hauptsächlich auf Erweiterung seines Brustkastens, sowie aus
Stärkung seiner schwachen Bauchmuskulatur berechnet, meist
leicht ausgeführte duplicirte Bewegungen.
Diese combinirte hydro-gymnastische Kur schlug bei dem
18 jährigen, recht gemüthlichen und gut erzogenen, Jünglinge
von Woche zu Woche besser an, so daß sein Aussehen im
August ein fast blühendes wurde; die Backen füllten sich wie
der und bekamen ein liebliches Roth, so daß die Augen der
anderen Gäste mit sichtbarem Wohlgefallen auf ihm ruhten;
die sonstige Muskulatur nahm ebenfalls an Umfang sichtbar
zu, (ihre wachsende Kräftigung empfand ich selbst am besten
bei den Widerstandsbewegungen in der täglichen Gymnastik-