Volltext: Der Naturarzt 1863 (1863)

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nach Möglichkeit für uns ein universelles 
Krankheitsbild entstehen könne. 
So wird man uns dann in den Stand setzen, 
eine richtige Vorstellung von dem Leiden des 
Hülfesuchenden uns zu machen die förderlich st enRath- 
schlage mit Zeit- und Kostenersparniß demselben 
angedeihen zu lassen, und überhaupt die Krankencor- 
respondenz mehr und mehr zu der segensvollen Einrich 
tung und Wirkung zu gestalten, die sie sein und haben 
kann. 
Professor Dr. Bock und der Naturheilungs 
Proceß. 
Kritisches Streiflicht von B. Vanoni, Naturarzt in München. 
In Nr. 21 und 26 des „Naturarztes" habe ich darzu 
legen gesucht, daß sich auch im Heilwesen durch Rückkehr zur 
Natur ein Fortschritt kundgegeben, und ich habe in anerken 
nender Weise namentlich der Besprechung des Herrn Professor 
Dr. Bock in der „Gartenlaube" gedacht, hierbei aber insbe 
sondere das Bedauern ausgesprochen, daß genanntes Jour 
nal nur die Anschauungsweise'und Erfahrungen des genann 
ten Autors zuläßt und seinen Lesern als maßgebend präsen- 
tirt; denn dadurch wird die Sache der Heilkunde nur einsei 
tig beleuchtet und nicht geläutert, zumal die Redaction jenes 
Journals nicht einmal Entgegnungen auf directe und unmo- 
tivirte Beschuldigungen zuläßt. 
Ganz im Gegensatze und nach Grundsatz der aufrichtigen 
Humanität verfährt hierin der „Natur arzt", welcher auch 
mir nicht versagt, in diesen Blättern den Standpunkt des 
rationellen Naturheilverfahrens, soweit meine Erfahrungen zu 
reichen, zu vertreten, und ich werde nunmehr zu diesem Zwecke 
einzelne Artikel, das Heilwesen betreffend, von Dr. Bock in 
der Gartenlaube, beleuchten, und eröffne für heute als Ein 
gang den Cyclus mit Nr. 13, Jahrgang 1862, woselbst sich 
Dr, Bock das höchst interessante Thema als Argument stellt: 
„Wie heilt die Natur Entzündungen und Lungen 
schwindsucht?", 
Mit welcher Sehnsucht, Hast und Gier mag so mancher 
Kranke, welcher bereits an solchem Uebel, laborirte, nach der 
Lösung dieser Lebensfrage gegriffen und nach dem Wege auf 
geschaut haben, auf welchem der Herr Professor die Lungen 
schwindsucht (Tuberculose) zu heilen anräth, wie tröst-, rath- 
und hülflos aber wird ein solcher Patient sich gefühlt haben, 
wenn er den Aufschluß des Herrn Dr. Bock gelesen?! Er 
wird in der „Gartenlaube" wohl eine Definition ersehen ha 
ben , er wird durch die angegebenem Symptome zwar unter 
richtet, ja er wird sogar vergewissert worden sein, daß er 
wirklich mit dem heiklichen Uebel behaftet ist; er erfährt die 
Vorgänge des Heilungs versuch es der Natur durch den Auf 
saugungsproceß und durch Gewebsneubildung, aber er sieht 
sich ohne jegliche Anweisung, ohne Lehre und Unterricht, wie 
das leidende Organ unterstützt werden, oder der Arzt der 
Natur in ihrem Heilbestreben behülflich sein kann, oder wie 
ttrau, um mit Dr. Bock zu sprechen, den Naturheilungspro- 
eeß befördern solle, um den Proceß auch zu gewinnen. 
Selbst sonst ungebildete Leute wissen durch Beobachtung 
an sich und Anderen, daß Lungenkranke und Hustende, wenn 
sie ein ruhiges Temperament und keinen anstrengenden oder 
krafterschöpfenden Beruf haben, von der Periode der ersten 
Symptome der Lungenkrankheit ab, noch 20 bis 30 Jahre 
leben können, und daß selbe häufig ein höheres Lebensalter 
erreichen, als gar Viele, die niemals husteten und nie eine 
Spur von Kranksein äußerten. Aber, es ist und bleibt ein 
trauriger Trost: Zeitlebens im Siechthum sich zu befinden 
und das Bewußtsein eines aufzehrenden Gebrechens Tag und 
Nacht in sich zu tragen! Ist es aber nicht auch ein gat 
sonderbarer Trost und ein eigenthümlicher ärztlicher Rath, 
wenn ein Doctor und Professor, wie Herr Bock, indem er 
sich mit besonderer Vorliebe und wohlgefällig auf den „Na 
turheilungsproceß" beruft und zuerst die bekannten Vor 
gänge der Verzehrung, Zersetzung und Eiterung der Lungen 
anatomisch recht anschaulich macht, dann als Naturheil- 
Lehrer nichts zu sagen vermag, als das Seite 199, Jahr 
gang 1862 der „Gartenlaube" zu Lesende. Dort steht 
nämlich: 
„Hiernach wird der Leser hoffentlich einsehen können, daß 
bei der Lungenschwindsucht die Lunge nicht so lange und un 
unterbrochen fort zerfressen wird, bis nichts mehr zum Zer 
fressen (!!) da ist und daß ein Mensch, dessen Lungen teil 
weise von der Schwindsucht schon zerstört sind, doch recht gut 
uralt werden kann, wenn er sich nur davor in Acht nimmt, 
daß nicht auch ein gesundes Stück seiner Lunge von frischer 
Tuberkelablagerung noch befallen und zerstört wird. Daß ein 
Lungenschwindsüchtiger, dem ein Viertel oder ein Drittel sei 
ner Lungen abhanden (!!!) gekommen ist, einige Beschwerden 
davon hat, wie Kurzatmigkeit, Husten, Auswurf rc., dürfte 
sich wohl von selbst verstehen und sollte einen vernünftigen 
Arzt und Kranken nicht zu allen nur möglichen Heilversuchen 
veranlassen. Die noch gesunde Lunge wolle man schützen (wo 
mit? mit warmem Wasser, mit. Flanelljäckchen?), nicht aber 
die kranke wieder gesund machen, denn das ist unmöglich. 
Bock." 
Ein Arzt im edlen Sinne des Wortes, ein Lehrmei 
ster der Gesundheits-Pflege und Krankheitshei 
lung, als welcher sich Herr Bock in der „Gartenlaube" ge- 
rirt, soll sich in die Stimmung und in das Wesen des Kran 
ken zu versetzen wissen, er soll der Psyche Rechnung tragen 
und wohl beachten, daß ein Leidender, der begründet oder 
unbegründet die peinlichsten Stunden in Angst durchlebt, von 
einem Professor der pathologischen Anatomie nicht allein eine 
Diagnose durch Klopfen, Horchen, Drücken und Befühlen 
(Auscultation und Percussion) erwartet, sondern daß es viel 
wichtiger und wesentlicher für den Kranken ist, eine praktische 
Anleitung zur Schonung und Conservirung des noch gesunden 
Lungentheils zu erhalten. Es ist demnach nicht genug, daß 
Herr Bock ihm sagt: „Dies ist ein Proceß, den die Natur 
mit dem Leben durchzumachen hat", denn er will die Mittel 
und Wege wissen, wie er es anzufangen habe, daß er und 
nicht der Tod den Proceß gewinnt. 
Herr Dr. Bock setzt allerdings die natürlichen Heilungs 
Vorgänge oder den Heilungsproceß der Natur (Aussaugungs- 
proceß und Gewebsneubildungen) ziemlich verständlich ausein 
ander; aber die Therapie läßt er auch hier, wie fast überall, 
in seinen populär klingenden Abhandlungen, im Halbdunkel 
und versetzt den Laien (wir wissen nicht anzugeben, ob ohne 
oder mit Absicht) stets in die Lage, sich mündlich oder schrift 
lich an Herrn Bock wenden und ihn consultiren zu müssen;
	        
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