Volltext: Der Naturarzt 1863 (1863)

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auf Beschäftigung eine verhältnißmäßig unbedeutende und 
außerdem seine Anwesenheit eine mehrfach angefochtene und 
deshalb an und für sich nicht angenehme sein wird, so ist es 
ebenso von Seite der Klugheit geboten, als dem Recht und 
der Billigkeit entsprechend, dem Arzte der allopathischen Rich 
tung seine intellektuell schwierige Stellung nicht auch noch pe 
kuniär unsicher zu machen, sondern ihm gerade und wenig 
stens in dieser Hinsicht, durch Gewährung höchst anständiger 
Entschädigung, die mißliche und fatale Lage und Aufgabe zu 
erleichtern und zu verannehmlichen. 
Die zweite Bedingung aber des Gelingens einer sol 
chen aus hhdriatrischer und allopathischer zusammengesetzten 
Doppel-Direction bei einer Naturheilanstalt finden wir in der 
Gewährung der Gelegenheit zu geistigem Kennenlernen, also 
zu tieferem Eindringen in das Wesen der Naturheilkunde für 
den allopathischen Arzt, wie für die Kurgäste. — Soll der 
Allopath, wenn er im Herbst die Anstalt verläßt, mit der 
Ueberzeugung aus ihr in 'die Welt zurücktreten, daß die phy- 
siatrische Heilmethode eine die allopathische an Naturgesetzlich 
keit und Sicherheit, wie an Ungefährlichkeit, weit übertreffende 
sei, so muß ihm die Möglichkeit geboten werden, sich ganz 
genau mit den Erfolgen und den Manipulationen, auf denen 
die ersteren beruhen, bekannt zu machen, und dazu dient 
ebenso ein freundschaftliches und wahrhaft collegiales Verhält 
niß mit dem hydriatischen Anstaltsarzt, als der Umgang mit 
dessen Patienten, in beiderlei Beziehung aber auch ein Zu 
sammenwirken beider Aerzte in und zu dem gemeinsamen Zwecke 
der Belehrung der anwesenden Kranken über die Körpereinrich 
tungen und über die diätetisch-therapeutischen Grundprincipien. 
Dann — beim Vorhandensein also auch dieser zweiten Be 
dingung, dieser Aussicht auf collegiales und nutzbringendes 
Wirken — werden sich allopathische Aerzte mit tüchtigen 
Kenntnissen geneigt finden lassen, die schwierige Stellung ne 
ben dem physiatrischen Dirigenten in einer Naturheilanstalt 
einzunehmen und ihre bisherigen Patienten dahin zu verwei 
sen; dann werden ferner die Kurgäste eine solche Anstalt mit 
einer Bereicherung auch geistiger Art verlassen, die ihnen un 
gewöhnliche Garantien für ihr körperliches Befinden in der 
Zukunft giebt, und wegen deren allein schon der Besuch der 
Anstalt ein weit bedeutenderer werden würde. 
Wenn anderer Seits aber die Herbeiziehung des Allo 
pathen ohne Uebereinstimmung des betr. hydriatischen Arztes 
geschieht, die Folge davon der den Gästen stets bemerkbare 
schroffe Gegensatz zwischen beiden Systemen ist, wenn der 
Allopath so gestellt ist, daß er den ankommenden Kurgästen 
sich schon am Wagenschlage Präsentiren muß, um sie vorbeug- 
lich auf seine Seite zu ziehen und seine Aussichten des Ver 
dienstes dadurch zu vermehren, so ist dies eine verfehlte Spe 
kulation von vornherein, welche sich in der Abneigung der 
Kurgäste gegen die daraus hervorgehenden Mißstände pekuniär 
wie moralisch eher oder später stets bestrafen wird. 
Sollte also der Versuch dieser Combination für nächstes 
Jahr etwa wiederholt werden, so müssen wir im Interesse 
der Sache, wie der Personen wünschen, daß der allopathische, 
berufene Arzt fest honorirt werde, daß aber auch beide Aerzte 
die Geneigtheit zu dem Verhältnisse mitbringen, dasselbe in 
jeder Weise zum Nutzen vor Allem der Anstalt und der Kur 
gäste ausschlagen zu machen. Eine Eifersucht des hydriatischen 
Dirigenten ist dabei gewiß ebenso wenig am Platze, als der 
Versuch des allopathischen Arztes ein glücklicher sein würde, 
seine Anschauungen statt der physiatrischen in her Anstalt zur 
Geltung bringen zu wollen. Denn wenn irgendwo sich die 
Wahrheit schnell geltend macht, so ist es die der Natur 
heilkunde in einer Anstalt; stets wird hier, wenn der natur 
ärztliche Dirigent nicht ganz ungeschickt ist, das physiatrische 
Lager Uebergänge aus dem allopathischen aufzuweisen haben, 
nicht aber das allopathische solche aus dem physiatrischen. 
Aber doppelt günstig freilich wird sich dies Machtverhältniß 
der Wahrheit in der Naturheilkunde geltend machen, wenn 
der naturärztliche Dirigent auch Herz und Mund zu gebrau 
chen weiß, in angemessenen Belehrungen der Kurgäste und in 
freundlichem, überzeugenden Ideenaustausch dem allopathischen 
Collegen gegenüber. 
Das Thal der Schweizermühl-Anstalt hat übrigens seit 
vorigem Jahre unverkennbar und bedeutend gewonnen, einmal 
durch eine schöne Straße, welche es , in seinem Eingänge jetzt 
weit »bequemer zugänglich macht, als es früher war, das 
andere Mal durch eine neue niedliche Villa mit ausgedehntem 
Garten längs der Straße hin, welche ein um die Verschöne 
rung und Belebung des Thales schon früher sich vielfach ver 
dient machender Mann, Herr Classen aus Hamburg, seitdem er 
baut hat. Ebenso bildet fortwährend, und von Jahr zu Jahr 
mehr, das geschmackvoll und mit großer Sachkenntniß ange 
legte und cultivirte große Gartengrundstück des Schweden 
Herrn Bergwall einen Anziehungspunkt für das Thal, um so 
mehr, als letzterer Herr in humanster Weise seine Culturen 
für die Besichtigung jedes Naturfreundes gern offen sein läßt. 
Wenden wir uns nun zu dem zwei kleine Stunden 
näher an der Eisenbahnstation Königstein gelegenen Bade 
Königsbrunn, 
so wollen wir zunächst, zur Erläuterung der beigefügten Ab 
bildung, Folgendes bemerken: Der den Hintergrund schließende 
Berg mit Wällen ist die Festung Königstein, an deren Fuße 
— unmittelbar an der Elbe — das Städtchen und die Eisen 
bahnstation Königstein sich befinden. Die Richtung also, in 
der wir das Bild betrachten, ist die von der Schweizermühle 
aus nach Dresden zu, Die Entfernung der Anstalt vom 
Bahnhöfe in Königstein beträgt ca. f Stunde und wird zu 
Fuß, auf etwas näherem Wege, in starker halber Stunde und 
zu Wagen, auf dem diesfalls nöthigen Umwege, in noch et 
was geringerer Zeit zurückgelegt; man vergleiche übrigens 
wegen des Fortkommens dahin das in der Einleitung S. 51 
und 52 Gesagte Macht nun schon diese bequeme Lage Kö- 
nigsbrunn's zu der die Städte Dresden und Prag verbin 
denden und die Sächsische Schweiz durchziehenden Eisenbahn, 
nicht minder zur Elbe. den Besuch und den Aufenthalt daselbst 
auch für schwerer transportable Patienten sehr leicht, so gestal 
tet sie ihn für die zu Ausflügen befähigten, ihrer unverletzten 
Gehwerkzeuge sich Erfreuenden doppelt einladend, da die Parthien 
nach Dresden, wie nach der Sächsischen Schweiz für die in 
Königsbrunn Verweilenden durch diese Nähe zur Eisenbahn 
und der Elbe mit ihrem Dampfschiffverkehr außerordentlich be 
quem und erleichtert find. 
Aber Königsbrunn bietet auch an sich der günstigen Be 
dingungen für eine Wasserheilanstalt sehr viele und stark sich 
auszeichnende dar, nur daß sie leider von dem Erbauer und 
noch dermaligen Dirigenten, dem Dr. Putzar , lange nicht so, 
wie es zu wünschen wäre, benutzt worden sind. Letzterer Vor 
wurf bezieht sich namentlich auf die Promenaden, auf die Ge 
bäude und deren Instandhaltung, und auf die Benutzung der 
Wasserverhältnisse. — Königsbrunn hat in seiner Nähe ver 
schiedene Höhenpunkte, welche nicht blos ihrer Aussichtsver-
	        
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