Volltext: Der Naturarzt 1863 (1863)

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welche diese ganze Nacht fortgesetzt wurden. Am anderen 
Morgen hatte man gesehen, daß dies Linderung verschaffte; 
ich konnte jetzt mit Bewilligung der Eltern das fieberstillende 
Halbbad anwenden, mit tüchtigen Frottirungen der Extremi 
täten. Nachmittags wurde dasselbe wiederholt und zwar je 
desmal mit darauffolgender*) Einpackung in's nasse Laken 
und jedesmaligen Brust- und Halsumschlägen, tvenn das Kind 
unruhig wurde; gleichzeitig gab ich dem Kinde täglich 3 — 4 
kalte halbe Klystiere. Milch ließ ich dem Kinde so wenig 
wie möglich und dann kalt reichen, dagegen immer frisches 
Wasser. 
Der Doctor hatte schon seit 5 Tagen nichts mehr gege 
ben, als Pulver zur Offenhaltung des Leibes und hatte Milch 
zum Trinken verordnet; diese wurde warm gereicht, und das 
kranke Kind trank davon, nach der Versicherung des Vaters, 
täglich 14 Quart. 
Wir setzten nun die Wasserkur 3 Tage lang fort, und 
alle Tage kam der Arzt und sah, zu meiner Beruhigung, 
nach. Jedesmal wenn derselbe kam, sagte er: „Fahren Sie 
fort!" Man sah aber auch die Besserung zusehends. Nur 
meinte er: „Die kalten Wasserumschläge müßten 12 Stun 
den liegen, damit der Patient darin schwitze!" Während 
dieser Zeit hatte das Kind,- trotzdem es fast gar nichts genoß, 
dennoch starke Stuhlentleerungen, die sich wahrscheinlich -durch 
den Genuß der vielen Milch angesammelt hatten, ja der Leib 
war auch am 3 ten Tage noch sehr voll. Ich gehe nun am 
3ten Tage um Mitternacht zu Hause und obwohl ich diese 
ganzen Tage geistig gearbeitet hatte, um den Eltern die Me 
dicin aus dem Kopfe zu bringen, und trotz- des bedeutenden 
Erfolges des Wassers, giebt der Vater nach Mitternacht wie 
der zwei Pulver! Sie können sich denken, wie ich staunte, 
als er mir dies sagte; ich erklärte ihm aber auch rund her 
aus, daß ich. die Kur nun sofort aufgebe, da er, wo jetzt 
das Gift der Medicin vielleicht bald bewältigt gewesen sei, 
wiederangefangen habe, zu giften. Das Kind wurde, nun 
wieder medicinisch behandelt und ist bis heute noch nicht wie 
der ganz gesund. Es hustet immer noch und ich bin der 
Ueberzeugung, daß für's ganze Loben etwas sitzen geblie 
ben ist. 
Hierbei möchte ich um Ihre Belehrung darüber bitten, 
ob- man bei solchen Patienten auch zu viel kühlen kann? 
Ich war nämlich der Meinung, daß das Kühlen so lange 
fortgesetzt werden müsse, als sich Beängstign ng zeigt; gleich 
wohl wurde, trotz dieser, wenn auch nicht mehr bedeutenden 
Beängstigung, das Kind am dritten Tage ziemlich kalt. Wel 
ches ist also der richtige Zeitpunkt zum Nachlassen oder ganz 
Aufhören mit dem Kühlen oder Hitzeentziehen?.**) ^ 
*) Anm. der Red. Dies .ist in den Meisten Fällen ein Fehler; 
der' Grundsatzr vielmehr ein wohlbewährter, . daß man nach einem Halb 
bade, Sitzbade oder. dergl. eingreifender Form dent- Patienten bitz zur 
Wiedererwärmung Ruhe in trockener Bettbedeckung - lassen müsse, und 
erst nach dem Wiedereintritt völliger Wärmeansgleichnng anderweit 
nöthige Appticätivnen, : als nasse Einpackungen (total oder partiell) 
Sitzbäder, kalte Lavements rc. anwenden- dürfe.- ' . : 
. **) Anm. der Red. Wir weisen hier auf die schon vorher gemachte. 
Anmerkung hin.: Man wird niemals. in die Gefahr des Züviel- 
thu ns' gerathen, wenn nt au sich .zürn Grundsatz ^ mächt, wie' Gegenwir 
kung des Körpers -auf die an ihm vorgenommene Wässerapplieakion 
allemal-erst abzuwarten, ehe mau : eine fernere Anwendung vornimmt. 
Diest- Gegem . oder, Nachwirkungi tReaction) wird i. desto. längere Zeit: - 
-zu ihrem Eintritt gebrauchen, je allgemeiner, desto kürzere Zeit aber, 
je örtlicher nur die voragegangene Wasserapplicatiou war. Im kleb 
rigen ergiebt sich der Zeitpunkt des Nachlassens oder Ganzaufhörens 
mit irgendwelchou ApPllcMoNckr wohl - aus?vevschiedeNartigen Women- 
Was die früheren Patienten betrifft, so kann ich Ihnen von 
dem 9 jährigen (blutarmen) Mädchen berichten, daß sich dasselbe 
jetzt wohler befindet; ganz jedoch ist es nicht hergestellt, was 
der hohe Leib, welchen das Kind hat, schon beweist. Sie wer 
den aber auch staunen, wenn ich Ihnen sage, daß die An 
wendungsformen , welche Ihr zweiter Brief vorschrieb, gar 
nicht zur Ausführung gekommen sind. Es war einmal den 
Eltern zu umständlich und dann war ja das Kind so ziem 
lich hergestellt! Es hieß also: „Wie wollen nun warten bis 
zum nächsten Frühjahre." Was ich thun konnte, die Fort 
setzung zu empfehlen, habe ich gethan, aber ohne Erfolg. 
Was hat man auch in anderen Familien für Gewalt? wenn's 
mein Kind war. so wurde nicht nachgelassen, bis es ganz ge 
sund war. 
Die zweite damalige Patientin, welche sich Ihrem Rathe 
gar nicht unterwarf, geht, wie ich höre, dem sicheren Tode 
entgegen ; specieller kann ich Ihnen über diese nicht schreiben, 
indem ich, wenn ich mich bei den Leuten genauer erkundigte, 
zudringlich erscheinen möchte, da sie einmal von der Natur 
heilkunde nichts wissen wollen. 
Des Naturarztes v. Helfer Leiden und Freuden. 
Somatischchydriatische Novelle. 
(Fortsetzung.) 
Diesmal brachte ihr nun der Instinkt die gänzliche Ablegung 
der dampfenden und schweißdürchdrungenen Unterkleider sammt 
Hemd bei; es war ihr das Ankleben der Stoffe an^ver Haut etwas 
Unerträgliches geworden und da rings um das Haus die hohen 
Apfelbäume, jenseits des Baches aber ehrwürdige Platanen 
einen dichten Laubschirm um ihre luftige Wohnung bildeten, 
von der Hofseite aus aber Niemand über den Dachfirsten weg 
ihr Lager übersehen konnte, auch die Nothwendigkeit, die 
Nachtkleider und das Hemd nach dem Vorbeigang des Ge 
witters den Sonnenstrahlen zum Trocknen auszusetzen, einmal 
vorhanden war, so zögerte sie jetzt, in der peinlichen Lage dieses 
effectiven Angeklebtseins und der um so schmerzlicheren Empfindung 
jedes Regentropfens, nicht länger, sich völlig zu entkleiden und 
so, einer Nymphe des Baches ähnlich, auf das theure Decken 
packet sich zu setzen und es anderweit zu schützend Dabei 
machte sie nun zu ihrem Erstaunen die Erfahrung, daß ihr 
der Regen, der jetzt in Strömen auf ihren heißen Leib fiel, 
nicht nur nicht schadete, wie sie erst befürchtet hatte, sondern 
daß er ihr, abgesehen von dem Gefühle der Erleichterung, 
auch eine Empfindung- der Kraftherbeiführte, wie sie sich fc>e- 
reit seit ihren Kinderjahren nicht wieder bewußt geworden 
war. Natürlich hatte das ihr in seiner wohlthätigen Wir 
kung nun schon bekannte Reiben der Glieder, mit beiden Hän 
den während des Regens • abermals Platz ergriffen und so war 
auch bei diesem zweiten Regenbade, welches eine wahre hy- 
driat'ische Schweiß-abwaschung bildete, von Frösteln und Er 
ken, ant meisten aber ans der Verminderung, der Bluthitze.und Ner 
ven exaltation, was theils mit dem Gefühl der Hand des Arztes, theils 
durch sein Äuge all dem unter der Zunge des Patienten ober unter 
dessen Achselhöhle eingeführten Thermometer und an dem äußeren 
Habitlls -des Kränken erkannt wird. -
	        
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