Volltext: Der Naturarzt 1863 (1863)

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in welchem der Erfinder in seinem Werke von Heilungey der 
Epilepsie und Cholera spricht, und bei solchen phantasti 
schen Anpreisungen, muß es dem unparteiischen und erfahre 
nen Naturarzte gerechtes Bedenken, ja sogar gegründeten 
Verdacht erwecken. 
Die Lobeserhebungen und Briefe, welche in Baunscheidt's 
Schrift abgedruckt stehen, vermögen wohl die große Masse zu 
blenden und zu begeistern, aber nicht zu belehren. 
Ein reiflich-ernstes Bedenken ist hier um so gerechtfertigter, 
als die Speculation zu offen vorliegt, wenn Baunscheidt sei 
nen von ihm bezogenen Stech-Apparaten Eigenschaften beilegt, 
die jeder geschickte Mechanikus so leicht nachahmen kann, daß 
Herr Baunscheidt selbst sein Fabrikat von dem nachgeahmten 
kaum erkennen wird. 
Der Erfinder Baunscheidt ist sehr im Irrthum, wenn er 
behauptet, sein Geheimmittel des Oels wäre unschädlich; auch 
finden wir es geradezu unmoralisch, daß Herr Baunscheidt 
aus der chemischen Beschaffenheit so großes, gewinnsüchtiges 
Geheimniß macht. 
Wenn Herr Baunscheidt aber mehr Menschenfreund als 
Speculant ist, wenn er sogar wirklich glaubt, daß sein Oel nicht 
erreichbar in Nachahmung ist, und wenn er vor Surrogaten 
warnt, so ist er es der Ehrlichkeit und Menschlichkeit schuldig, 
seine Erfindung als Gemeingut kundzugeben. 
Der Baunscheidtismus ist nach meiner Ansicht bei 
gewissen acuten Leiden, insbesondere bei Rheumatismus und 
beginnendem Gichtleiden, ein ganz vorzügliches Kurmittel, über 
haupt in allen Fällen, wo es sich um Erhöhung der Reaction 
durch Fiebererzeugung handelt. Da der Baunscheidtismus 
vornehmlich die Function der Haut bethätiget und Pusteln 
von bösartiger Substanz auf die Peripherie fördert, so ist 
diese Wirkung zur Ausscheidung böser Stoffe einem günstigen 
Resultat förderlich, sowie die ganze Manipulation häufig zu 
reichend, um eine Ableitung von einem edlen Theile, resp. 
von einem inneren Organe, wie.z. B. vom Magen, von 
der d Leber rc. aus die Oberfläche und aus unedlere 
Theile Zu leisten. Hieraus' ist der Nutzen, sowie der Ort, wo 
die Anwendung des Baunscheidt-Instruments und seines rei 
zenden Oeles indicirt ist, jedem vernünftigen Naturarzte klar 
und wird sich diese Erfindung sicher als „Volks mittel" 
erhalten. Die Lächerlichkeit des Verbotes seiner ärztlichen 
Thätigkeit ist offenbar, da Baunscheidt Bücher, sowie seine 
Instrumente und sein geheimes Oel, in Tausenden von Exem 
plaren versendete. 
Der Baunscheidtismus kann und wird aber niemals das 
in Wahrheit als Kur-Mittel leisten, was sein Erfinder in 
seinem Werke schreibt und noch weniger jene „Wunder" 
thun, welche die stets lobfertigen Fanatiker von ihm erzählen. 
Wir kennen und schützen in der Praxis diese Manipula 
tion (das trockene Schröpfen, wie man diesen Stupf- und 
Stechmaschinendienst nennen kann), schon seit einer langen 
Reihe von Jahren und fanden das Baunscheidtiren in den 
Heil-Anstalten als ein schätzbares Intermezzo, insbesondere 
auch bei Hypochondern, bei denen eine Schmerz-Empfindung 
sich als herrliche Zerstreuung von fixen Ideen bewährte, vor; 
das künstlich erzeugte Fieber förderte dann die Wickelkur, und 
freudig sprangen die Patienten, in dem Stadium der Abschup 
pung der erzeugten, häufig giftigen Blasen und in dem Mo 
mente des fast unerträglichen Juckens der Haut, mit Lust und 
Sehnsucht wieder in die Sch roth'sche Wicklung, aus zwei 
uni> drei nassen Lakentüchern bestehend. 
In einzelnen Fällen wendete Dr. Steinbacher, als er 
zu Brunnthal fungirte, zur Zeit, wo diese Erfindung in der 
Kindheit lag, dieselbe in Verbindung mit dem elektro-galva 
nischen Strome an und zwar einmal beim runden Magenge 
schwür mit dem glänzendsten Heilerfolge. 
Es ist bekannt, daß der Baunscheidtismus schon mit be 
stem Resultate auch bei Thieren Platz ergriffen hat und zwar 
in Fällen, wo sonst das scheußliche Werkzeug des Glüheisens 
applicirt wird. 
Dr. von Kottwitz-Kaliky zu Lemberg, ein hochersahrener 
Hydrotherapeut, welcher schon seit 22 Jahren, wie er sagt, 
der alten Allopathie den Rücken zuwendet, spricht sich außer 
ordentlich günstig für diese Baunscheidt-Manipulation aus. 
Derselbe verräth allerdings noch, wie alle schulgerechten äoo- 
tores medicinae, eine gewisse rückfällige Sympathie für Apo 
thekermittel, da er dem ächten Baunscheidt-Oel auch inner 
lich eine besondere Wirkung in gewissen Fällen zuerkennt, und 
es wäre zu wünschen, daß derselbe seine Erfahrung und An 
sicht zur Wohlfahrt der Menschheit in diesen Blättern (die 
ihm stets zukommen) kundgäbe. — Wir aber glauben, bis 
wir nicht eines Anderen und Besseren belehrt werden, nicht 
an eine Extra-Kraft und Macht des geheimen Baunscheidt- 
Oeles, sondern erzielen mit anderen Reizmitteln auf die punk- 
tirten und entzündlichen Stellen, z. B. Salzwasser mit 
Branntwein oder mit Zusatz von etwas Schwefelsäure, ganz 
denselben Erfolg, heilen und heilten aber nie einen Typhus, 
eine Cholera oder Epilepsie durch Baunscheidtismus, trotzdem 
daß wir ganz ächtes Baunscheidt-Oel benutzten. 
Es ist eine eigenthümliche Erfahrung, daß die sonst ver 
dienstvollen Männer, wenn sie etwas erfunden, stets in die 
Meinung und Täuschung gleichsam sich verrennen, sie hätten 
ein Universal-Mittel und Werk vollendet und doch giebt es 
„Nichts Neues unter der Sonne" und Nichts kommt aus 
dem Menschengeiste, was den Stempel des Vollkommenen 
trägt. Darin eben liegt die Größe unseres Daseins-Zweckes 
und das ist die ewige Anregung und Aneiferung zum Den 
ken und Schaffen, zum eigenen Nutzen aber insbesondere zur 
Wohlfahrt des Allgemeinen, daß wir mit unseren besten Ge 
danken und Entdeckungen stets nur die Vorläufer von noch 
Besserem und noch Vollkommenerem sind!! 
Die magnetische Kuranstalt und das Laub- 
Bad Steinerhos 
(nächst der Station Kapfenberg an der Triester Bahn in 
Stehermark.) 
(Eingesandt*). 
„Die Laubbäder sind besonders für solche Individuen an 
gezeigt, die wegen großer Reizbarkeit der Nerven durch den 
Gebrauch gewönlicher Bäder sehr geschwächt oder heftig auf 
geregt werden, weil der durch das Laubbad hervorgerufene 
*) Anm. der Red. Die Redaction verdankt diese Aufzeichnun 
gen einem Kurgast von Steinerhof, welcher an einer österreichischen 
Universität als Professor thätig ist.
	        
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