Volltext: Der Naturarzt 1863 (1863)

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verharren, ist teuflisch. Welche loyale Regierung möchte 
sich den Vorwurf machen wollen, nachdem tausendfältig con- 
statirt ist, daß die Impfung kein Schutz gegen die 
Blattern ist, daß die Blättern durchaus keinen pestartigen 
Charakter mehr haben, sondern zu den gewöhnlichen Krank 
heiten, für welche auch noch kein Schutz erfunden wurde, 
herabgesunken sind, und daß beim Eintritt der Blatternkrank 
heit so ein ganz einfaches Mittel den ruhigsten und gefahr 
losesten Verlauf derselben herbeiführt; — welche Regierung 
möchte noch eine Zwangsmaßregel bestehen lassen, die nicht 
allein zwecklos, sondern sogar höchst schädlich ist! — Alles 
ruft nach Freiheit und schon das unbehilsliche 
Kind wird dem Zwang unterworfen, sich vergif 
ten zu lassen. 
Allerdings macht es den Aerzten einen großen Eintrag 
in ihrem Verdienste; denn nicht allein die Jmpfdiäten, son 
dern auch die später hierdurch erscheinenden Krankheiten sichern 
ein nachhaltiges Einkommen. 
Dieses Impfen ist zu einem Polizeigesetz erhoben worden 
und der Zwang, unsere Jugend zu vergiften, muß durch 
religiöse und Vernunft-Gründe wieder aufgehoben werden; 
es haben ja so viele Hunderte juridische und polizeiliche Ge 
setze durch ihre Untauglichkeit ihre Abwürdigung und Aufhe 
bung gefunden, warum soll dieses Jmpfgesetz nicht auch sein 
Ende finden, da doch den Eltern der freie Wille bleibt, ihre 
Kinder dennoch impfen zu lassen, wozu die Ueberredungskraft 
dem ärztlichen Personale zu Gebote steht. — Uebrigens könnte 
demselben auch eine andere Verordnung als Entschädigung 
dienlich sein. Man dürfte ja nur statt des Impfzwanges den 
Beschneidungs-Zwang einführen der doch keine heillosen Nach 
theile herbeiführt, was die Israeliten seit Moses Zeiten nach 
weisen können. 
Möchte für den bevorstehenden Landtag diese höchst 
wichtige Impfzwangs-Aushebung eine Ausgabe wer 
den, die beim Vernunft achtenden Publikum seine Unterstütz 
ung finde! 
Des Naturarztes D. Helfer Leiden und Freuden. 
Somatisch-hydriatische Novelle. 
(Fortsetzung.) 
Bertha. Also lieber Papa, merke Dir, wenn Du mich 
diesem Herrn Wasserdoetor überantworten wolltest, würdest 
Du freundlichst auch für eine solche Naturnachahmung zu sor 
gen haben — 
Dr. Helfer. — Aber in der einfachsten Weise. Es 
wird irgendwo — am besten im Schlafzimmer selbst — eine 
kleine Vorrichtung an der Wand oder Decke angebracht, welche 
das Aufhängen oder Aufziehen einer Kanne oder überhaupt 
eines Gefäßes ermöglicht, an dem eine zumOeffnen mittelst Druck 
klappe und Faden angebrachte Brausevorrichtung vorhanden ist. 
Dieses Gefäß wird, so oft als man sich baden will, mit et 
was Wasser versehen, aufgehängt und dessen Temperatur dem 
Nervenzustande der betreffenden Person angemessen, so also, 
daß z. B. bei Fräulein Bertha anfänglich die Grade 22, 
selbst 24 R. vorherrschend sein müßten. Um das über den 
Körper abfallende Wasser, welches nur eben so viel zu sein 
braucht, daß die Haut überall gehörig angefeuchtet wird, am 
Fußboden aufzufangen, legt man am einfachsten altwaschen 
Leinen (Betttücher) in gehörigem Umfange aus die Diele; 
besser aber freilich läßt man sich einen Bretboden dazu ma 
chen, der, von ganz niedrigen Rändern eingefaßt, das Wasser 
auffängt und so die Benässung der Diele verhütet. 
Berthg. Allmälig müßte man aber wohl kühleres 
Wasser zu diesen Ueberregnungen nehmen? 
Dr. Helfer. Allerdings, aber doch nicht so kühl, als 
leider oft angewendet und damit großer Schaden, nämlich 
ganz allmälige Ueberreizung und Schwächung der Nerven, her 
beigeführt wird. Niemand sollte als Gesunder und als Re 
gel unter 150 im Sommer und unter 18" im Winter ba 
den oder sich waschen. Der Zweck der thätiges Nerven- 
und Blutreaction wird damit ebenfalls vollständig erreicht, 
aber die spätere oder frühere Ueberreizung ausgeschlossen. 
Bertha. Wie bekam denn nun der Comtesse Amelie 
das unfreiwillige, aber naturgemäße Regenbad, und was 
waren die Folgen davon und wie benahm sie sich diesen ge 
genüber in ihrer eigenthümlichen Situation, daß sie es im 
Nachtkleide zu nehmen gezwungen gewesen war? 
Dr. Helfer. Wie gesagt, der durch die Benässung 
herbeigeführte ungewöhnliche Hautreiz erhielt sie in unablässi 
ger Bewegung des Sichreibens, und diese Bewegung schützte 
sie vor Erkältung und dadurch herbeigeführter zu großer Er 
schütterung ihres zarten, geschwächten Nervensystems. Uebri 
gens hörte der Regen schon nach kurzer Zeit wieder auf, so 
daß die unfreiwillig Badende auch nicht ihren Kraftvorrath 
in den Bewegungen völlig zu erschöpfen brauchte, sondern 
nach dem Vorüberzug der Gewitterwolke davon noch genug 
vorräthig fand, um sich nun in die geöffneten Decken fest 
einzuhüllen. 
Bertha. Sammt dem nassen Nachtkleide auf dem 
Leibe? 
Dr. Helfer. Ja wohl! Das war das glückliche Ohn- 
gefähr oder, wenn Sie wollen, auch die gütige höhere Fügung, 
daß Fräulein Amelie, indem sie theils das natürliche Scham 
gefühl, theils aber auch die ziemliche Erschöpfung Ihrer Kräfte 
abhielt, das nasse, weiße Nachtkleid mit dem Hemd abzustreifen, 
mit der Wohlthat der feuchten Wärme bekannt wurde, 
zu deren Erzeugung und Erprobung aus diese nothwendige 
und einfachste Weise sie sich außerdem wohl niemals entschlos 
sen haben würde.. 
Frau Augustin. Wie konnte denn aber bei der Com 
tesse von feuchter Wärme die Rede sein, da sie ja nur im 
naßkalten Nachtkleide sich befand? 
Dr. Helfer. Das ging sehr natürlich zu. Unser Kör 
per wird, wie Sie wissen, von einem warmen Blutstrome 
in immer gleichmäßigem Kreisläufe durchströmt. Sobald 
man daher ein kaltfeuchtes Tuch oder Leinen oder dergleichen 
mit seiner warmen Haut in Berührung bringt, und so zwar, 
daß die in das nasse Tuch re (vermöge des in der Natur be 
stehenden Gesetzes, wornach sich verschiedene Temperaturen so 
fort und möglichst auszugleichen suchen), einströmende Wärme 
nicht so leicht wieder, behufs fernerer Ausgleichung mit der 
umgebenden kühlen Luft, in diese entweichen kann, wenn also 
z. B. durch Auflage oder Verbindung und Einhüllung trok- 
kener Tücher re die umgebende Luft von dem feuchten 
Tuche abgesperrt worden ist — alsbald ist das kaltfeuchte 
Tuch in ein warmfeuchtes verwandelt und die Naturheil 
kunde benutzt diesen organisch-physikalischen Vorgang als eines 
ihrer wichtigsten und mächtigsten Heilmittel.
	        
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