Volltext: Der Naturarzt 1863 (1863)

man wohlthätiger wirkt, besonders auf schmerzhafte Theile. 
Solche sollen daher immer mit einfacher Bedeckung an's Son 
nenbad gebracht werden, damit sich über denselben Schweiß 
bildet, wodurch meistens sogleich Linderung für mehr oder 
weniger lange Zeit eintritt. Es scheint also, daß die 
starke directe Sonnenhitze, durch den Congestions- 
zustand in der Haut, eine Art Krampfzustand in 
die Hautdrüsen bringt, und daß, um allgemein wohl 
thätig zu wirken, ihre mittelbare Anwendung ebenso zweck 
mäßig, als nothwendig wird; denn durch stärkere Entleerung 
der Hautcapillarien erreicht man wahrhaft Ableitung. 
Sind einmal die Unterkörpertheile (bis an die Brust) 
mit Wärme übersättigt und man bricht ihr nicht Bahn durch 
Schweißentleerung, so findet eine um so größere Rückstrahlung 
der Wärme nach Kopf und Brust statt, welche ohnehin bei 
den meisten Patienten von Ansang an durch große kühlende 
Umschläge in Schranken gehalten werden müssen. Analog 
beobachtete ich auch, daß Congestions-Kranke, bei unmittelbar 
vorausgehender sanfter Schweißentleerung, das Vollbad 
(welches in Beziehung auf Temperatur durch Halbbäder schon 
vorbereitet ist) gut, oder wenigstens viel leichter aushalten, 
als wenn sie ohne Schweiß hineingehen! 
Des Naturarztes v. Helfer Leiden und Freuden. 
Somatisch-hydriatische Novelle. 
(Fortsetzung.) 
„Halt, hier!" rief einer der Soldaten, der bei 
der Stelle angekommen war, wo Jean den Kahn um 
geworfen, aber etwas im Ufergestrüpp und so, daß er 
sichtbar war, verfitzt hatte — „hier — ist das etwa der 
Kahn vom Schlosse?" „Mein Seel'," sagte Jean, neugie 
rig näher tretend und die sichtbare Spitze des Kahnes prü 
fend, — „das ist der Comtesse Nachen — sollte sie heraus 
gefallen und ertrunken sein? Ei, ei, das Geheul meiner Al 
ten da, wenn dem so wäre!" „Nein, nein," bemerkte ein 
Anderer der die Umgebung mit den Fackeln näher durchsuchen 
den Garden — „da ist ein Fußtritt — da wieder einer, und 
zwar von einem nackten Fuße, wie es scheint, abwärts vom 
Flusse nach den Büschen und Wiesen gewendet: „Holla, auf, 
die Comtesse ist nicht ertrunken, in den Feldern dort werden 
wir sie schon finden, durchsucht Alles genau!" commandirte 
der Anführer. „Einstweilen," fuhr er zu Jean (der sich sei 
ner List freute, mit entblößten Füßen aus dem Kahne gestie 
gen zu sein) gewendet fort, „einstweilen geh' ich mit zu Euch ; 
wenn Ihr wirklich ein guter Volksmann, werdet Ihr einen 
Labetrunk und auch was zu beißen für mich haben. Die 
ganze Nacht sind wir auf den Beinen; schon dümmert's und 
noch habe ich fast nichts im Leibe; denn wo die Andern 
schmausen, muß unser Eins wachen und zuseh'n, daß man 
klaren Blick behält über die Leute, die eigenen und die 
Feinde; freue mich daher, bei Euch zum ersten Male etwas 
ruhiger an mich denken zu können." „Ja, das könnt 
Ihr, Bürger-Officier", meinte Jean dumm-treuherzig; „ich 
hab's Herz auf'm rechten Flecke, und was Küche und Keller 
an Wenigem bei mir enthält, steht Euch mit Freuden zu 
Diensten.; aber auch für Eure Leute, wenn sie von der Suche 
heimkommen, werd' ich nach Bestem sorgen — freilich doch 
wohl auch für's Jüngferchen und 's -gefangene Täubchen, 
wenn's gebracht wird, etwas? : ' Das bejahte der Officier 
und erzählte jetzt Jean, daß der Graf leider entflohen sei 
mit der ganzen Familie, bis auf die Tochter und deren Ge 
sellschafterin, und daß die Habhaftwerdung der ersteren daher 
desto wichtiger sei, um wenigstens, wenn nicht der Graf selbst 
damit zu fangen, ein tüchtiges Lösegeld von ihm für die 
Tochter zu erzwingen. 
So befreundete sich Jean mit dem Officier..auf's Mög 
lichste, und als er, zu Hause angekommen, der inzwischen 
auch wieder eingetroffenen und mit verweinten Augen an der 
Thüre stehenden Babette befahl, tüchtig aufzutragen, was 
Küche, Keller und Garten an Wein, Nahrungsmitteln und 
Obst aller Art vorräthig enthielte, da wurde es dem Natio- 
nalgardeofficier traulich zu Muthe, und wenn er auch, wie 
er sagte, der Form wegen, noch selbst Haus, Boden, Keller 
und Stall untersuchte, so hielt er sich'doch mehr und mehr 
überzeugt, daß er bei einem „Gesinnungsgenossen" sich be 
finde, und dieser Glaube rettete das Häuschen und seine 
Dachbewohnerin vor dem Untergange, dem auch die Meierei 
und alle übrigen, dem Grafen gehörigen Gebäude bald genug 
verfielen. 
Je heller nun das Tageslicht erschien, desto mehr stell 
ten sich von den ausgeschickten Soldaten mit der Meldung 
von der Vergeblichkeit des bisherigen Suchens nach der Com 
tesse ein. Es trieb sie aber auch wahrscheinlich nach dem 
schützenden Dache ein Gewitter, welches mit aller Schrecklich 
keit, wie sie dem südlichen Himmelsstriche dabei eigen ist, her 
anzog und welches den Officier selbst veranlaßte, den befoh 
lenen Brand der Meierei bis nach seinem Vorübergange zu 
verschieben. Demoiselle Fleurh war untröstlich bei jeder neu 
eintreffenden Kunde von der Erfolglosigkeit des Forschens nach 
Amelie, und auch Babette, welche auf strengsten Befehl ihres 
Gatten kein Wort von dem jetzigen Aufenthalte derselben zu 
Fleury sagen durste, sah mit Entsetzen dem bei Gewittern 
daselbst gewöhnlichen Orcan und fürchterlichen Regen entge 
gen; Jean aber, so lieb ihm diese der „Abwesenden" geltende 
Aengstlichkeit der Frauen war, da die Aufmerksamkeit der 
Soldaten dadurch von dem Hause selbst mehr und mehr ab 
gelenkt wurde, kniff gelegentlich seine Frau in den Arm und 
meinte flüsternd: „Doch zehnmal besser noch eingeweicht wer 
den bis auf die Haut, als gebraten werden, wie eine Taube." 
Es war schon ziemlich völlig licht geworden, als der 
Regen prasselnd aus das Häuschen niederzufallen begann; 
glücklicher Weise aber geschah es ohne den gefürchteten Sturm, 
und überhaupt ging das Wetter schneller vorüber, als ge 
wöhnlich. Aber es war doch der Regen hinreichend stark ge 
nug gewesen, um allerdings Amelie „bis aus die Haut" zu 
durchnässen: Die junge Dame hatte sich indeß trotz aller bis 
her im Leben bewiesenen Unselbstständigkeit in das anrückende 
Unwetter besser, als man hätte erwarten sollen, zu schicken 
gewußt. Zunächst hatte sie, in Berücksichtigung der Wahr 
scheinlichkeit, daß ihr Herabsteigen vom Dache auch nach dem 
Regen noch längere Zeit sich verzögern könne, und ebenso in 
der, daß ihr nach dem Regen und mit der unfehlbaren Durch- 
nässung ihres sämmtlichen Kleider- und Deckenvorrathes, wenn 
sie denselben während seiner Dauer schon ihn aussetze, jede 
dann doppelt nöthige trockene Hülle fehlen würde, den heroi 
schen Entschluß gefaßt, das Wetter im bloßen Nachtkleide zu 
erwarten und die ihr von Jean mitgegebenen beiden Decken, 
welche sie fest zusammenrollte und sich darauf setzte, mit ihrem
	        
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