Volltext: Der Naturarzt 1863 (1863)

Zeiten öfters auf dem GräfenVerg bei Prießnitz vorgekommen 
sein mag — nicht verkannt werden. Wenn solche auf dem 
Gräsenberg in ihrem Hautsysteme überreizte Kranke herab nach 
Lindewiese zu Schroth kamen, so vermochte dieser natürlich 
nur durch gänzliche Hinweglassung dessen aus der Kur, was 
vorher eben geschadet hatte, die Heilung noch anzustreben und 
daß er sie dann wirklich noch häufig erreichte, brachte wohl, 
und ganz mit Recht für solche Fälle der Haut 
überreizung, die trockene Abreibung nach der Einpak- 
kung in Ansehen. Aber wenn man dies auch vollständig und 
gerechter Weise anerkennen muß, so kann doch kein ruhiges 
und verständiges Urtheil deshalb anderer Seits die Nütz 
lichkeit und Wichtigkeit des kühlen Bades nach der Packung 
ganz verkennen und nicht zugestehen wollen, daß dasselbe in 
tausendmal mehr Fällen nützlicher, als schädlich gewirkt hat, 
so daß man in der Hauptsache auch in diesem Streit bei der 
alten Wahrheit anlangt: per nimium peccatur, d. h. „das 
Zuviel ist's, was schadet", dem das Falsch-Anwenden 
noch allgemeiner und passender zur Seite steht*). 
Wer nach alledem doch die Anwendung des kühlen Ba 
des nach der Packung unbedingt für nachtheilig erklärt, von 
dem müsten wir annehmen, daß er ein Principienreiter ist, 
der die Nachwirkung des kalten Wassers auf die vorange 
gangene Er st Wirkung weder theoretisch, noch viel weniger 
praktisch kennt und der daher ebenso, als ein Blinder von der 
Farbe, spricht. Er verfällt in denselben Fehler, den sich die 
jenigen zu Schulden kommen lassen, welche unbedingt jede 
Schroth'sche Form verwerfen. (S. die nachf. Abhandlung.) 
(Fortsetzung folgt.) 
An die Redaction. 
Zur weiteren Erläuterung der Blatt 158 des „Naturarztes" 
gegebenen Regeln für das Flußbad (sammt physiologischen 
Vorbemerkungen) ersucht der unterzeichnete Verein um Abdruck 
seiner nachstehenden, auch für die „Dresdner Nachrichten" 
bestimmten Bemerkungen über 
Erst- und Nachwirkung des kalten Wasserbades. 
Es kann uns natürlich nicht in den Sinn kommen, in 
so kurzen und abgemessenen Artikeln Vollständiges und Er 
schöpfendes liefern zu wollen, und ebenso wenig geben wir 
*) Man muß sich in dieser Hinsicht nicht durch Urtheile irre ma 
chen lassen, die für den Unkundigen auf den ersten Anblick etwas 
Wahrscheinliches an sich tragen, aber doch auf Selbst-Nichtverständniß 
des betr. Urtheilenden beruhen. So ist es auch mit dem Urtheile von 
Wislicenus (Arzt) über die angeblich nachtbeilige Wirkung der kalten 
Waschung nach Schweißproceduren, welches in Nr. 12 (S. 93) des 
heurigen Jahrg. der Kadner'schen Zeitschrift „Rückkehr zur Na 
tur" erwähnt wird. Dieses Urtheil läßt schließen, daß Wislicenus 
wenig oder gar nicht Erfahrung in Wasseranwendung hat. Er erzählt 
dort von einer Dame, welche wegen Mandelbräune und Rheumatis 
mus der H alsmuskeln äußerliche Kaltwasserumschläge anwandte, aber 
Herzentzündung, organischen Herzfehler und Bauchwassersucht metasta 
tisch sich zugezogen habe, und der Herr Herausgeber fraglicher Blätter 
fügt hinzu: „Dergleichen Vorwürfe, wie hier der Wasserkur, würde 
Wislicenus der diätetischen Kur nicht machen können." Macht 
derjenige, der solches sagen kann, sich nicht der Theilnahme an der 
Thorheit schuldig, mit der die betr. Dame ihre „äußerlichen Kalt 
wasserumschläge" (macht sie die Schroth'sche Kur etwa innerlich?) 
anwandte und W. dies Beispiel überhaupt anführt? 
uns dem Wahne hin, für unsere Bestrebungen allgemeinen 
Beifall zu finden; denn alles Schreiben und Reden nützt nichts 
und hat keinen bleibenden Halt, wenn nicht die eigene An 
schauung, Beobachtung und Ueberzeugung „Ja und Amen" 
dazu sagen. Aber — es gewährt uns schon hinreichendes 
Genüge, in Angelegenheit des so kostbaren Gutes der Gesund 
heit hier und da das weitere Nachdenken anzuregen und auf 
das Einfache und Natürliche hinzuweisen. Wir erwarten und 
wünschen daher nur — ein vorurteilsfreies Gehör. 
Die Wirkung des kalten Wassers*) auf den leben 
den Organismus ist — je nachdem es innerlich oder äußer 
lich zur Anwendung gebracht wird — eine fünffache: 1) eine 
sästeverdünnende, auflösende; 2) eine von dem kohlensauren 
Gase abhängige, sanft belebende; 3) die Kältewirkung; 4) eine 
auf die (Körper-) Elektricitätsleitung ^resp. Entziehung) be 
zügliche ; 5) eine mechanische (?) Wirkung durch Druck, Fall und 
Schlag, sowie durch kurze Unterbrechung der Hautausdünstung. 
— Alle diese Wirkungen gesteht man nun zwar meist dem 
Wasser zu und meint wohl auch, daß dasselbe wegen der einen 
oder anderen seiner Wirkungen in einzelnen Krankheitsfällen 
mit einigem Nutzen angewendet werden könne; aber was die 
eine der aufgeführten Wirkungen, nämlich die Kälte Wir 
kung anlangt, so verspricht man sich in Bezug aus Ersprieß 
lichkeit (gesundheitliche — hygieinische — und Heilzwecke) von 
ihr in der Regel nicht nur wenig oder keinen Nutzen, sondern 
sogar großen Schaden und Nachtheil. Und woher kommt 
das? Weil man gewöhnlich nur an die Er st Wirkung und 
nicht zugleich auch an die Nachwirkung denkt, auf welche 
letztere sich doch eigentlich erst die für den gesund bleiben 
Wollenden wie bei Krankheitsfällen so erwünschte natürliche 
Reaction des Organismus gründet. Ueber^ diese Nach 
wirkung und über die damit in Verbindung stehende Re 
action des Körpers erlauben wir uns nun nachfolgend Eini 
ges zu bemerken: Wir sehen dabei von der durch Wasseran 
wendung ebenfalls leicht zu bewirkenden feuchten und an 
dauernden Wärme ab und ziehen nur diejenige Wärme in 
Betracht, welche die Körpermasse durchdringen muß, wenn 
alle Organe ihre Functionen in normaler Weise verrichten 
sollen. Von dieser Wärme sagen wir nun, daß sie erzeugt 
wird durch angemessene Anwendung des kalten 
Wassers. Um dies einzusehen, hat man vor Allem — wie 
schon angedeutet — zwei Wirkungen der Kälte des Wassers 
zu unterscheiden, die Erstwirkung und die Nachwirkung. Zur 
Erklärung diene Folgendes: 
„Sobald das kalte Wasser mit dem wärmeren Körper in 
unmittelbare Berührung gebracht wird, so entzieht es demsel 
ben einen Theil seiner natürlichen Wärme und erzeugt da 
durch eine Abnahme der Nerventhätigkeit und Verminderung 
des Gefühls. Die Muskeln und alle Gefäße ziehen sich zu 
sammen, der Blutzufluß nach den betroffenen Theilen wird 
momentan vermindert und der Rückfluß nach den inneren Thei 
len (— oder bei blos örtlicher Anwendung zugleich nach den 
nächstgelegenen äußeren Theilen —) wird vermehrt. Die Ab 
sonderungen nach Außen, welche fort und fort durch die Haut 
erfolgen, find verringert und deshalb im Innern verstärkt, 
*) In der Naturheilkunde nennt man das Wasser in der Regel 
nur dann kalt, wenn es nicht über 10 Grad lR.) Wärme hat. Diese 
niedere Temperatur wollen wir jedoch keineswegs in allen Fällen 
festgehalten wissen, weil unter Umständen und bei vielen Naturen recht 
füglich und zweckgemäß mit Wasser von 12 und mehr Graden operirt 
werden kann, ja operirt werden muß. Nur darauf müssen wir be 
stehen, daß dem Wasser niemals die Frische fehle.
	        
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