Volltext: Der Naturarzt 1863 (1863)

191 
zu dunstförmiger, nachhaltiger Ausscheidung, als einen 
plötzlichen und copiösen, massenhaften Erguß von Schweiß, 
wie ihn die trockene Einpackung und auch das heiße Luftbad 
zu liefern im Staude sind, unb deshalb konnte es nicht feh 
len^ daß in dieser Berücksichtigung und nachdem die seltsamer 
Weise vom Abendlande so lange unbeachtet gelassenen türki 
schen heißen Luft-Badeeinrichtungen durch das Verdienst des 
irländischen Arztes Dr. Barter einmal im Norden Europa's 
besser bekannt geworden waren, denkende und dem Fortschritt 
geneigte Aerzte überhaupt, aber auch speculative Privatleute 
es bald als eine ebenso wichtige therapeutische, wie Gewinn 
materieller Art versprechende Sache ansehen mußten, wenn 
sie so leicht erträgliche rmd daher so bequeme, aber auch mäch 
tig wirkende natürliche Schwitzvorrichtungen, zugleich in 
eleganter Form, herstellten und dem Publikum gegen Entschä 
digung zur Benutzung freigäben, wie die Form und Einrich 
tung der sogen, römischen Bäder, also dieser heißen Lufträume^ 
bieten. 
Auch hier hätte man erwarten sollen, daß es vor Allem 
und in größerer Zahl „Naturärzte" gewesen wären, welche, 
resp. in und für ihre Anstalten, sich dieses Fortschrittes der 
Schwitzkunst bemächtigt hätten. Aber offenbar sollte nach dem 
Willen des gütigen Genius der Menschheit das heiße Luftbad 
nicht blos therapeutisches Mittel werden, nicht also blos ein 
bei schon eingetretenen Krankheiten (besonders chronischer Art) 
anwendbares Mittel, sondern viel mehr noch ein hygieinisches, 
also zur Verhütung von Krankheiten geeignetes. Deshalb 
lenkte der Genius nicht sowohl die Blicke der Naturärzte/ 
sondern mehr die der leider im Allgemeinen der großen Masse 
der Bevölkerungen noch näher stehenden Medicin-Aerzte 
auf' dieses treffliche prophylaktische Hülfsmittel. Und wenn 
diese auch im Ganzen wohl mehr in lucrativen, als rein 
humanen Absichten die Herstellung dieser Römer-Bäder betrie 
ben, so wurden sie doch gerade dadurch die Veranlasser, daß 
die Speculation überhaupt sich dieser Angelegenheit bemächtigte 
und so nur war zu erwarten, daß nach und nach allerwärts, 
bis in die kleineren Städte herab, die Bevölkerung der neu 
alten Wohlthat der heißen Luftbäder theilhaftig werden, sich 
vor Krankwerden mehr als bisher schützen und so indirect 
der größten Calamität unserer Zeit: dem körperlichen Siech 
thum und Rückschritt, nach und nach etwas vorgebeugt würde. 
Immerhin verspricht aber auch das heiße Luftbad, in 
Verbindung namentlich mit guten und zweckmäßigen hydriati? 
schen Einrichtungen, ein therapeutisches, also ein Heil- 
Mittel der ersten und wichtigsten Art zu werden, und man 
muß es daher Herrn Viek, Besitzer der Wasserheilanstalt zu 
Eckerberg bei Stettin, sehr Dank wissen, daß er der, mnseres 
Wissens, erste Naturarzt gewesen, welcher in seiner Anstalt 
das heiße Luftbad in Form des römischen zur Einführung 
und Geltung brachte. Zwar gebührt das Verdienst der ersten 
Römerbad-Anlage in Deutschland, und zwar nach dem ver 
besserten Systeme des irländischen Arztes Dr. Barter, dem 
deutschen Arzte Dr. Luther, welcher auf seinem Gute Rüders 
dorf bei Wittenberg zuerst und nicht ohne ziemliche Opfer eine 
derartige Einrichtung anstaltmäßig begründete und sie specu- 
lationsweise, wie zu therapeutischen Zwecken zugleich, dem Pu 
blikum eröffnete*). Auch machte sich derselbe höchst verdient 
*) Wir werden deshalb auch zuerst dieses Nudersdorfer irisch 
römische Bade-Etablissement unseren Lesern nächstens vorführen und 
einen Grundriß der inneren Einrichtungen desselben, wie eine einfache 
Ansicht des Aeußeren dieses wichtigen und verdienstlichen Institutes 
geben. 
durch Herausgabe einer zum Zweck der Bekanntmachung sei 
nes Bades geschriebenen ebenso taktvollen, als geistreichen 
Brochure ^Bemerkungen über das altrömische Bad rc. 3te Aufl. 
Leipzig 1862 bei G. Mayer, 7-| Ngr.), welche wir zum Le 
sen nicht angelegentlich genug — auch dem Herrn Dr. Richter 
in Alexisbad — empfehlen können. Aber dieser verdienstliche 
Vorausgang des Dr. Luther thut dem unmittelbar nachfol 
genden Verdienste des Herrn Viek durchaus keinen Abbruch; 
im Gegentheile steht er, nach unserer Ueberzeugung, damit 
noch heute als ein Vorbild der Nachahmung für alle anderen, 
Anstalten besitzenden Naturärzte (der hydriatischen, wie diäte 
tischen Schule) da und können wir nicht lebhaft genug wün 
schen, daß, wie die Anstalt Brühl am Rhein, auch bald recht 
viele andere sich dem Vorangang des Herrn Viek*) anschlie 
ßen möchten! 
Ueber Neubildungs- und Ansatz-Fieber, 
zugleich eine Familien-Episode. 
Von A. Rikli**), Dirigent der Naturheilanstalt Veldes in 
den Kramer Alpen bei Laibach. 
Bis jetzt hat die Allopathie mit wenigen Ausnahmen 
Fieber immer als ein absolutes Krankheits-Symptom an 
gesehen, ja meistens als die Krankheit selbst, welche man um 
jeden Preis beseitigen müsse, so daß sie sich für berechtigt 
hielt, mit allen ihr zu Gebote stehenden Mitteln dagegen zu 
Felde zu ziehen, und zwar gegen heftige (acute) Fieber meist 
mit Blutentziehungen, gegen schwache, langdauernde (chronische) 
Fieber mit Chinin. 
Einige hellere Köpfe unter den Allopathen erkennen je 
doch schon an, daß in „einzelnen" acuten Fieberfällen das 
Fieber ein Heilungsproceß sei, also einen Heilungs 
und nicht einen Zerstörungs-Charakter an sich trage. 
Die Naturheilkunde sieht aber in allen acuten 
Fiebern den Heilungscharakter, dagegen in den schlei 
chenden, langdauernden Fiebern den Auflösungs 
oder Zerstörungscharakter. Nichtsdestoweniger ist auch 
mit dem Heilungscharakter eines acuten Fiebers, mei- 
meistens eine äußere oder allgemeine Stoffabnahme, eine 
mehr oder weniger sichtbare Abmagerung, wenn auch nur 
in sogenannten „angegriffenen" Zügen bemerkbar! 
Es giebt aber einzelne Fälle, wo nicht blos acut dauern 
des, sondern selbst ein auf mehrere (5 bis 6) Wochen sich 
hinausziehendes Fieber ein wirkliches 
Stoffansatz- oder Neubildungs-Fi eber 
ist. In meiner 18 jährigen Praxis beobachtete ich dies in 7 
Fällen, und zwar meistens nach überstandenem Typhus tor 
*) Die auch gegen ihn, wegen dieser Vermehrung der natur 
ärztlichen Hülfsmittel, von Dr. Richter in dessen mehrerwähntem Pam 
phlet geschleuderten Vorwürfe überlassen wir zwar des Weiteren Herrn 
V. selbst zur Widerlegung, bieten ihm aber hiermit unser Blatt als 
Ort derselben an, in der Hoffnung, daß seine Form dabei möglichst die 
der Sache würdigste, die rein didaktische, sein würde. 
**) Von demselben Herrn Verfasser rührte auch der Aufsatz Seite 
127ff über Klystiere her; aus Versehen war bei demselben der Name 
zu setzen unterlassen worden. Die Red.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.