Volltext: Der Naturarzt 1863 (1863)

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Dresden, so wird es überall sein; die praktische Anwendung 
der Elektricität zu Heilzwecken ist also die verbreitetste und 
es kann deshalb auch nicht, am allerwenigsten aber von Män 
nern der Wissenschaft, Dirigenten von Naturheilanstalten ver 
dacht werden, wenn sie die Elektricität unter die Zahl ihrer natur 
gemäßen Heilpotenzen mit aufnehmen, Demgemäß müssen aber 
auch wir uns das Recht vindiciren, in unserem Blatte die 
Elektricität mit in den Bereich der Besprechung zu ziehen, 
und richten an die besonderen Vertreter dieser Heilweise, wie 
namentlich auch an Herrn Dr. Steinbacher in München, die 
Bitte, uns gefälligst von den Erfahrungen, welche er bei der 
Mitverwendung der Elektricität in seiner Natur-Heilanstalt ge 
macht hat, recht bald einmal einige Mittheilung zugehen zulassen. 
Ebenso erwünscht wäre uns aber auch die Betheiligung 
tüchtiger Magnetiseure bei unserem Bestreben der Mitthei 
lung und Weiterforschung auf dem Gebiete dieser Heilkraft. 
Möchten daher die Vertreter derselben oder gebildete Laien, 
welche an sich oder in ihren Familien- und Bekanntenkreisen 
Erfahrungen über die Wirkung der magnetischen Kur zu ma 
chen Gelegenheit hatten, sich bestimmt fühlen, dieselben durch 
unser Blatt zu veröffentlichen und so zur Aufklärung und 
Verbreitung 'einer zum Theil noch ganz unbekannten, zum 
Theil bezweifelten, ja so oft auch mit Spott oder schmutzigem 
Geifer des Egoismus ganz bestrittenen Wahrheit das Ihre bei 
zutragen*). 
Die Wichtigkeit des Einflusses nicht blos von Kälte, son 
dern auch von Hitzereizen auf unseren Organismus ist eine 
jetzt so allgemein anerkannte, aber auch schon seit langer Zeit 
bekannte, daher gewissermaßen historische Sache, daß man den 
nur bedauernd belächeln kann, der dagegen noch wie ein mit 
telalterlicher Ritter mit großen Fausthandschuhen und Visir 
vor den Augen ankämpft. Den den Naturverhältnissen noch 
näher stehenden Völkern lehrte und lehrt noch heute ein in- 
stinctiver Trieb dw regelmäßig-bisweilige Anwendung von 
hoher Hitze aufsuchen, um sich gesund zu erhalten, aber auch 
um in langwierigen Leiden gesund zu werden. 
Und die Erfahrung lehrt auch uns, nicht blos, daß der 
Körper am gesundesten bleibt, resp. am ersten gesundet, bei 
dem eine Blutreinigung durch, bez. regelmäßigen, eintretenden 
starken Schweiß aus der äußeren Haut stattfindet, 
sondern auch, daß der schnellste Schweißerguß äußerlich durch 
trocken-heiße Luft erzielt wird. Daß ein vorüber 
gehender, verhältnißmäßig kurzer Aufenthalt (von 1 — 2 
Stunden) in einem heißen Luftbade weder gefährlich für 
den Körper (besonders die Athmungsorgane) noch verderblich 
für die Moral — (erschlaffend, verweichlichend, die Sinnlich 
keit anregend) wirkt — wie dies bombastisch die Richter'sche 
Zeitschrift in ihrem Aerger über den Mangel eines römischen 
Bades in Alexisbad den Leuten weiszumachen sucht — das lehrt 
ebenfalls das Beispiel vieler Völker, von denen wir nur die 
Lappländer und Samojeden, überhaupt Russen, wie die heu 
tigen Indianer, erwähnen wollen. Die Nachtheile, welche 
*) In Steiner - Hof bei Bruck in Steyermark besteht jetzt eine 
— unseres Wissens die erste — eigentliche magnetische Heilan 
stalt. Herr v Czschippik, der Besitzer derselben, soll übrigens auch ein 
Laub bad zu systematischer Anwendung bringen, so, daß er in den frischen 
Blättern der oder jenen Baumart, welche gegen ein gewisses Uebel 
nach dem Volksgebrauche des. einen oder anderen Landes bisher schon 
angewandt wurden, seine Patienten einhüllen läßt. Wir senden ihm 
dieses Blatt als einen Gruß und Boten gleicher und anerkennender Ge 
sinnung seines Strebens mit der Bitte, daß er das in unseren Blät 
tern waltende Element — das der Belehrung — auch seiner Seits 
bereichern und freundlichst unterstützen wolle (Gruß auch an D 's; 
alles gut.) - 
im Orient aus der Anwendung heißer Luftbäder moralisch 
hervorgehen mögen, liegen keinesweges im Gebrauche selbst, 
sondern im Mißbrauche, wie auch andere an sich sehr heilsame 
Dinge durch übermäßigen, unvernünftigen Genuß zu Schaden 
führen können und führen. 
Wir unserer Seits erachten nach genauester theoretischer 
und praktischer Selbstprüfung die Einführung der heißen Luft 
bäder zu prophylaktischem (hygieinischen) Gebrauche und zu 
therapeutischen Zwecken als einen so wichtigen Umstand und 
als eine so wesentliche Bereicherung der Naturheilkunde mit 
einem der kräftigsten und zugleich völlig unschädlichen Mittel 
zur Beförderung des Stoffwechsels, daß wir uns verpflichtet 
erachten, in mehreren Artikeln demnächst ganz besonders aus sie 
zurückzukommen und Beschreibungen der bis jetzt in Deutsch 
land unter dem Namen der römischen oder irisch-römi 
schen Bäder zu liefern. 
Auch in der Wasserkur sind bisher schon trocken- und 
feuchtheiße Luftbäder zur Anwendung gekommen und selbst 
der größte scheinbare Feind der „Römerbäder, Herr M.-R. 
Dr. Richter, wird zugeben müssen, daß die trockenen, wie 
feuchten Packungen, welche eben nichts anderes, als trok- 
ken- und feucht-heiße Luftbäder sind, zu den wichtigsten An 
wendungsformen der Wasserheilkunde von Prießnitz an bis 
auf heute gehört haben und noch gehören. Wie kann man 
also, wenn sich findet, daß die bei anderen Völkern schon 
ebenfalls bisher gebräuchliche Form für solche heiße Luftbäder 
praktischer sei, als die unsere, die Adoption, die Mit- 
aufnahme dieser anderweiten, besseren Form unbedingt 
verwerfen?! Bringe doch Jeder, der sich solche absprechende 
Urtheile anmaßen will, erst seinen. Leib selbst und wiederholt 
in die neue Form, höre auch das Urtheil anderer dasselbe Be 
nutzender: dann wird kein so thörichter*) Ausdruck mehr die 
Folge davon sei: „Wasserkur und Römerbad verhielten sich 
zu einander wie Wasser und Feuer!" Schon das russische 
Dampfbad, welches ja ebenfalls ursprünglich nichts anderes 
ist, als eine Hinterlassenschaft der altclassischen, in Verweich 
lichung und Sittenlosigkeit untergegangenen Griechen und Rö 
mer und welches wir doch schon seit einigen Decennien mit 
großem Nutzen bei uns eingeführt haben, schon dieses mußte 
sehr bald die Aufmerksamkeit denkender Naturärzte und 
Dirigenten von Wasserheilanstalten rc. auf sich ziehen, weil 
es offenbar das, was sie bisher mit der feuchten Einpak- 
kung angestrebt hatten, „erhöhte Reaction des Organismus 
gegen den Kälteeindruck und dadurch bedingte bessere Lösung 
und Ausscheidung von Stoffen, welche dem Körper durch ihr 
Verharren zu einer Last und Gefahr werden", vollkommener 
und zugleich angenehmer für den Betreffenden gewährte, als 
die feuchte Packung. 
Inzwischen erreicht man mit dem russischen Dampsbade, 
ebensowie mit der feuchten (wenn auch langdauernden) Packung 
mehr blos eine energische Anregung und Kräftigung der Haut 
*) Wir wollen es Herrn Richter nicht nachmachen, der in seiner 
Schrift mit „einfältig" und „dumm" herumwirft und damit das 
Syrüchwort, „daß der Weiseste auch der Bescheidenste ist" (8kM6n- 
ti88iinu8 et M0ä68ti88iniu8) recht geflissentlich — aber wahrlich nicht 
zu seinem Vortheile — mit Füßen tritt. Herrn Richter's me- 
dicinisches Studium datirt seit einigen 40 Jahren, während das 
unsere allerdings erst 13 Jahr alt ist (nach vorausgegangenem ebenso 
langem juristischem) und insofern sind wir gern geneigt, nach altlace- 
dämonischer guter Sitte „dem Alter seine Schwächen nachzusehen". 
Aber auch in blos 13 jährigem Studium ist es herausgefunden, was 
„Fortschritt" und was „Rückschritt" ist und aus allen neueren Auf 
sätzen Richter's giebt sich leider der „Rückschritt" unverkennbar kund. 
8ie ti'Lvbit gloria mundi — fuimus Troes.
	        
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