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Dresden, so wird es überall sein; die praktische Anwendung
der Elektricität zu Heilzwecken ist also die verbreitetste und
es kann deshalb auch nicht, am allerwenigsten aber von Män
nern der Wissenschaft, Dirigenten von Naturheilanstalten ver
dacht werden, wenn sie die Elektricität unter die Zahl ihrer natur
gemäßen Heilpotenzen mit aufnehmen, Demgemäß müssen aber
auch wir uns das Recht vindiciren, in unserem Blatte die
Elektricität mit in den Bereich der Besprechung zu ziehen,
und richten an die besonderen Vertreter dieser Heilweise, wie
namentlich auch an Herrn Dr. Steinbacher in München, die
Bitte, uns gefälligst von den Erfahrungen, welche er bei der
Mitverwendung der Elektricität in seiner Natur-Heilanstalt ge
macht hat, recht bald einmal einige Mittheilung zugehen zulassen.
Ebenso erwünscht wäre uns aber auch die Betheiligung
tüchtiger Magnetiseure bei unserem Bestreben der Mitthei
lung und Weiterforschung auf dem Gebiete dieser Heilkraft.
Möchten daher die Vertreter derselben oder gebildete Laien,
welche an sich oder in ihren Familien- und Bekanntenkreisen
Erfahrungen über die Wirkung der magnetischen Kur zu ma
chen Gelegenheit hatten, sich bestimmt fühlen, dieselben durch
unser Blatt zu veröffentlichen und so zur Aufklärung und
Verbreitung 'einer zum Theil noch ganz unbekannten, zum
Theil bezweifelten, ja so oft auch mit Spott oder schmutzigem
Geifer des Egoismus ganz bestrittenen Wahrheit das Ihre bei
zutragen*).
Die Wichtigkeit des Einflusses nicht blos von Kälte, son
dern auch von Hitzereizen auf unseren Organismus ist eine
jetzt so allgemein anerkannte, aber auch schon seit langer Zeit
bekannte, daher gewissermaßen historische Sache, daß man den
nur bedauernd belächeln kann, der dagegen noch wie ein mit
telalterlicher Ritter mit großen Fausthandschuhen und Visir
vor den Augen ankämpft. Den den Naturverhältnissen noch
näher stehenden Völkern lehrte und lehrt noch heute ein in-
stinctiver Trieb dw regelmäßig-bisweilige Anwendung von
hoher Hitze aufsuchen, um sich gesund zu erhalten, aber auch
um in langwierigen Leiden gesund zu werden.
Und die Erfahrung lehrt auch uns, nicht blos, daß der
Körper am gesundesten bleibt, resp. am ersten gesundet, bei
dem eine Blutreinigung durch, bez. regelmäßigen, eintretenden
starken Schweiß aus der äußeren Haut stattfindet,
sondern auch, daß der schnellste Schweißerguß äußerlich durch
trocken-heiße Luft erzielt wird. Daß ein vorüber
gehender, verhältnißmäßig kurzer Aufenthalt (von 1 — 2
Stunden) in einem heißen Luftbade weder gefährlich für
den Körper (besonders die Athmungsorgane) noch verderblich
für die Moral — (erschlaffend, verweichlichend, die Sinnlich
keit anregend) wirkt — wie dies bombastisch die Richter'sche
Zeitschrift in ihrem Aerger über den Mangel eines römischen
Bades in Alexisbad den Leuten weiszumachen sucht — das lehrt
ebenfalls das Beispiel vieler Völker, von denen wir nur die
Lappländer und Samojeden, überhaupt Russen, wie die heu
tigen Indianer, erwähnen wollen. Die Nachtheile, welche
*) In Steiner - Hof bei Bruck in Steyermark besteht jetzt eine
— unseres Wissens die erste — eigentliche magnetische Heilan
stalt. Herr v Czschippik, der Besitzer derselben, soll übrigens auch ein
Laub bad zu systematischer Anwendung bringen, so, daß er in den frischen
Blättern der oder jenen Baumart, welche gegen ein gewisses Uebel
nach dem Volksgebrauche des. einen oder anderen Landes bisher schon
angewandt wurden, seine Patienten einhüllen läßt. Wir senden ihm
dieses Blatt als einen Gruß und Boten gleicher und anerkennender Ge
sinnung seines Strebens mit der Bitte, daß er das in unseren Blät
tern waltende Element — das der Belehrung — auch seiner Seits
bereichern und freundlichst unterstützen wolle (Gruß auch an D 's;
alles gut.) -
im Orient aus der Anwendung heißer Luftbäder moralisch
hervorgehen mögen, liegen keinesweges im Gebrauche selbst,
sondern im Mißbrauche, wie auch andere an sich sehr heilsame
Dinge durch übermäßigen, unvernünftigen Genuß zu Schaden
führen können und führen.
Wir unserer Seits erachten nach genauester theoretischer
und praktischer Selbstprüfung die Einführung der heißen Luft
bäder zu prophylaktischem (hygieinischen) Gebrauche und zu
therapeutischen Zwecken als einen so wichtigen Umstand und
als eine so wesentliche Bereicherung der Naturheilkunde mit
einem der kräftigsten und zugleich völlig unschädlichen Mittel
zur Beförderung des Stoffwechsels, daß wir uns verpflichtet
erachten, in mehreren Artikeln demnächst ganz besonders aus sie
zurückzukommen und Beschreibungen der bis jetzt in Deutsch
land unter dem Namen der römischen oder irisch-römi
schen Bäder zu liefern.
Auch in der Wasserkur sind bisher schon trocken- und
feuchtheiße Luftbäder zur Anwendung gekommen und selbst
der größte scheinbare Feind der „Römerbäder, Herr M.-R.
Dr. Richter, wird zugeben müssen, daß die trockenen, wie
feuchten Packungen, welche eben nichts anderes, als trok-
ken- und feucht-heiße Luftbäder sind, zu den wichtigsten An
wendungsformen der Wasserheilkunde von Prießnitz an bis
auf heute gehört haben und noch gehören. Wie kann man
also, wenn sich findet, daß die bei anderen Völkern schon
ebenfalls bisher gebräuchliche Form für solche heiße Luftbäder
praktischer sei, als die unsere, die Adoption, die Mit-
aufnahme dieser anderweiten, besseren Form unbedingt
verwerfen?! Bringe doch Jeder, der sich solche absprechende
Urtheile anmaßen will, erst seinen. Leib selbst und wiederholt
in die neue Form, höre auch das Urtheil anderer dasselbe Be
nutzender: dann wird kein so thörichter*) Ausdruck mehr die
Folge davon sei: „Wasserkur und Römerbad verhielten sich
zu einander wie Wasser und Feuer!" Schon das russische
Dampfbad, welches ja ebenfalls ursprünglich nichts anderes
ist, als eine Hinterlassenschaft der altclassischen, in Verweich
lichung und Sittenlosigkeit untergegangenen Griechen und Rö
mer und welches wir doch schon seit einigen Decennien mit
großem Nutzen bei uns eingeführt haben, schon dieses mußte
sehr bald die Aufmerksamkeit denkender Naturärzte und
Dirigenten von Wasserheilanstalten rc. auf sich ziehen, weil
es offenbar das, was sie bisher mit der feuchten Einpak-
kung angestrebt hatten, „erhöhte Reaction des Organismus
gegen den Kälteeindruck und dadurch bedingte bessere Lösung
und Ausscheidung von Stoffen, welche dem Körper durch ihr
Verharren zu einer Last und Gefahr werden", vollkommener
und zugleich angenehmer für den Betreffenden gewährte, als
die feuchte Packung.
Inzwischen erreicht man mit dem russischen Dampsbade,
ebensowie mit der feuchten (wenn auch langdauernden) Packung
mehr blos eine energische Anregung und Kräftigung der Haut
*) Wir wollen es Herrn Richter nicht nachmachen, der in seiner
Schrift mit „einfältig" und „dumm" herumwirft und damit das
Syrüchwort, „daß der Weiseste auch der Bescheidenste ist" (8kM6n-
ti88iinu8 et M0ä68ti88iniu8) recht geflissentlich — aber wahrlich nicht
zu seinem Vortheile — mit Füßen tritt. Herrn Richter's me-
dicinisches Studium datirt seit einigen 40 Jahren, während das
unsere allerdings erst 13 Jahr alt ist (nach vorausgegangenem ebenso
langem juristischem) und insofern sind wir gern geneigt, nach altlace-
dämonischer guter Sitte „dem Alter seine Schwächen nachzusehen".
Aber auch in blos 13 jährigem Studium ist es herausgefunden, was
„Fortschritt" und was „Rückschritt" ist und aus allen neueren Auf
sätzen Richter's giebt sich leider der „Rückschritt" unverkennbar kund.
8ie ti'Lvbit gloria mundi — fuimus Troes.