Volltext: Der Naturarzt 1863 (1863)

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Druck von Liepsch & Reichardt in Dresden. 
Verantw. Redakteur und Verleger: 1)r. Meinert. 
Nach allen feuchten Einhüllungen haben Sie dann 
eine Abwaschung Ihres Knaben vorzunehmen, und dürfen 
Sie sich durch die diesfalls abweichenden Grundsätze der specifisch 
Schroth'schen schule nicht irre machen lassen; Sie werden gleich selbst 
finden, daß hier, wie überhaupt, das comb inir ende, d. h. das das 
Gute des Schroth'schen Verfahrens mit dem Guten des Hydriatischen 
verbindende das Vernunftgemäßeste ist und das erfolgreichste sein 
müsse; denn wenn die feuchte Wärme ihre Wirkung hervorgebracht, 
die Wandungen der Capillargefäße erweicht, dehnbar und zur Wieder 
aufnahme von Blut rc. fähig gemacht hat, so ist doch damit < nur erst 
der eine Theil, die eine Aufgabe der Procedur, erreicht, und die andere 
Aufgabe, auch das Blnt in die langgemiedenen Wege wieder 
hinzuführen, ist damit noch keineswegs, wenigstens durchaus nicht 
in sicherstellender Weise gelöst. Es tritt wohl vielleicht zeit 
weise während der Dauer des erweichenden und ausdehnenden 
Einflusses der feuchten Wärme Blut in die bisher verlassenen 
Gänge ein, aber ohne unmittelbar nachfolgende kühle, später 
selbst kältere Waschung kann und wird aus dem momentanen 
Erfolg keine Gewohnheit werden; ja, es bleibt überhaupt, ohne Bewir 
kung einer gewissen energischen Blutströmung von Innen nach 
der Peripherie, der Eintritt des Blutes in die erschlafften, abgestorbenen, 
Unendlich seinen Röhrchen ganz problematisch, der durch und bei der 
Vermeidung der kühlen Waschung nach der Auspackung leichter mög 
lichen Erkältung gar nicht einmal zu gedenken. Nun ist aber eine 
energische Blutströmnng nach der Peripherie, also eine ungewöhn 
liche und die feuchte Wärme-Einwirkung jedenfalls überdauernde 
Reaction der Nerven- und Blutströmung nur zu erwarten und ersah- 
rungsmäßig nur eintretend, wenn nach Beseitigung der feuchten Wärme, 
mithin nach erfolgter Auspackung, den Nerven- und Blutgefäßen ein 
gewisser (natürlich dem betr. Individuum in seinen Kraftverhältnissen 
angepaßter) Kälte-Eindruck zugeführt wird; denn gegen jeden solchen 
reagirt die Körpernatur von selbst und zwar desto stärker, je stärker er 
war, und je mehr er durch Bewegung des Betreffenden mitunterstützt 
wird. Dieß ist ja bekanntlich auch der Nutzen der sogen, russischen 
Dampfbäder — diese Abwechslung zwischen feuchter Wärme und darauf 
folgender kühler oder kalter Abspülung, Ueberbrausung oder dergl. — und 
kein Wärter in einem solchen wird einem Gaste rathen, das gebrauchte 
Dampfbad schließlich ohne nachfolgende solche Abbadung oder Abkühlung 
in kühlem oder kaltem Wasser (je nach seiner Individualität) zu ver 
lassen. Auch giebt es zur Zeit nur noch wenige Aerzte des Schroth'- 
scheu Systems, welche die Ueberzeugung nicht bloß von der Nützlichkeit, 
sondern von der unbedingten Nothwendigkeit einer dauernden Reactions- 
hervorrufung oder Unterhaltung nach gebrauchter feuchter Wärme-An 
wendung nicht theilten. 
Bei der hohen Reizbarkeit, d. i. Schwäche des Nervenzustandes, 
Ihres Knaben werden Sie nun diese auf die ersten kurzen (gewöhn 
lich morgendlichen) Einpackungen folgenden Abwaschungen ebenfalls nur 
mit sehr mildem Wasser beginnen; denn es würde thörigt sein, solchem 
Körper eine starke Reaction gleich anfänglich zumuthen zu wollen. Neh 
men Sie dazu Wasser von 20— 22 Grad Beaumur (frisch geholt und 
so weit temperirt) und führen Sie alle solche Waschungen vorerst und 
Wochen lang nur mit den Händen aus, sei es im Halbbade von 
angegebener Temperatur oder nur stehend vor irgend einem Wassergefäß 
(da nöthig bloß Waschbecken). Die Gründe dafür finden Sie bereits 
S. 55. 56. des Wasserfreundes annähernd angegeben und wird der „Na 
turarzt" darüber nächstens Ausführlicheres bringen. Nach und nach 
gehen Sie mit den Wassergraden bei diesen Abwaschungen bis auf 
150 herab; die Waschungen erstrecken sich, wenigstens Morgens, auch 
auf die Kopfhaut. — Nach der Auspackung und Abwaschung, wie nach 
dem Dampfbade (wenn Sie zu solchem später schreiten sollten— ob 
gleich das Rükli'sche Bettdampfbad mit seiner vervollkommneten Dampf- 
erzeugungs-Moderirung, die auch bei jedem Kastenbade rc. anzubringen 
ist, gleich von vornherein anwendbar erscheint) folgt am Besten etwas 
Bewegung bis zur völligen Wärmeausgleichung, falls die Abwaschung 
ein Kältegefühl erzeugt haben sollte. Im Fall Bewegung im Freien*) 
wegen schlechten Wetters nicht möglich, wird dafür etwas Zimmergym 
nastik getrieben, und verböte sich auch diese bei vorhandener Schwäche, 
so erfolgte die Erwärmung durch leichtes angemessenes Zudecken auf 
dem Bett' oder Sopha. 
Andere Curformen, als die angegebenen, haben Sie nach unserem 
Rath durchaus nicht anzuwenden. Sie werden die genügenden und 
sicheren guten Folgen davon bald ersehen. 
Und sollte Skrophelstofs latent im Körper Ihres Knaben vorhan 
*) bei der, wie überhaupt, nur durch die Nase zu athmen ist.. 
den sein, so werden die späteren, länger (bei Tage bis zu 2, 'ja 
3 Stunden, oder besser die ganze Nacht hindurch) dauernden feuchten 
Einpackungen die Lösung der betr. Einschleimungen ebenfalls bewirken. 
Sie dürfen dießfalls freilich nicht bestürzt sein und etwa die Kur- 
ganz (höchstens zeitweise zur Wiedersammlung der Kräfte bei deren 
etwaigem Sinken) aussetzen, wenn sich Ausscheidungen ungewöhnlicher 
Art in Form nässender oder eiternder Flechten, Geschwüre und Schwä 
ren, oder der von Durchfällen, Brechcriseu und dergl einstellten. 
Solche Ausscheidungen würden dann, soweit nöthig, durch örtliche 
feuchte, eingepackte Auf- und Umschläge zur besseren und leichteren Ent 
wicklung gebracht, mit mildem Wasser öfter gewaschen und die Natur 
heilt sie, sobald ihr Zweck vollbracht, ganz von selbst. — Lei critischen 
Diarrhöen und Erbrechungen hat man ebenfalls in der Hauptsache nur 
für Reinhaltung zu sorgen und dazu dem Körper mittelst der Klystier 
spritze hinter jedem Stuhlgange eine kleine (halbe Portion) ca. 12° 
Wassers zuzuführen, resp. dem Magen einen Schluck frischen Wassers 
zu reichen. Ausscheidungen, welche die Körpernatur selbst vornimmt, 
müssen pfleglich unterstützt, nie gehemmt werden. 
Zu 0. 
Zunächst haben Sie hier, mit dem Zunehmen der Hautkraft in 
Folge der Wirkung der feuchten Einpackungen (bez. Dampfbäder) und küh 
len Abwaschungen die Kleidung des Knaben für das Zimmer sowohl, 
als auch, und noch mehr, für die Bewegung im Freien zu verdünnen. 
Je reger die Thätigkeit der Haut wird, desto leichter kann und muß 
der Körper bekleidet werden, wenn Sie die Erfolge der Kur nicht ab 
schwächen, ja vernichten wollen. Ebenso ists im Bett. Da entwöhnen 
Sie ihn baldmöglichst vom Schlafen auf und unter L etten; diese mögen 
der Matratze und den Stepp- oder wollenen Decken weichen; das Schlafen 
finde auch thunlichst in kühlen Räumen statt und die Zimmertempera 
tur ber Tage übersteige niemals 16". Vor dem Niederlegen finde alle 
mal (auch wenn die nächtlichen Einpackungen Platz ergreifen), und zwar 
im warmen Zimmer, eine Abwaschung mit 180 Wasser statt. — Die Nah 
rungsweise gehe mehr und mehr aus kühle Form über und vermeide 
einige Zeit lang gerade die sogen, kräftige Kost (Fleisch, Bouillon, Ei, 
Bier, Wein rc.), bestehe vielmehr mehr in Vegetabilien (Gemüse, Brod), 
Butter, in Mehl-und Milch, vorzüglich aber auch Obst und Obstspeisen. 
Das Getränk werde, wenn nicht gleich möglich, nach und nach, durch 
mehr und mehr Zuthat zu seinem bisherigen Frühstück rc., ganz Milch 
— frisch von der Kuh weg, am Besten bei einem Spaziergange gleich 
im Stalle getrunken. — Ueberhaupt lassen Sie aber den Knaben seinen 
Appetit jetzt nur in mäßigster Weise befriedigen; viel Blut ist jetzt 
für Ihr Kind Gift! (Sehen Sie über dieses Capitel gefl. S. 96 fl. 
des Wasserfreundes nach.)*) 
Halten Sie auf warme Füße bei dem Knaben, d. h. darauf, daß 
sie in der Ruhe nicht kalt werden; dagegen lassen Sie ihn beim Gehen 
nach und nach mehr ganz leichtes Geschüche tragen (nie Gummi- oder 
dergl. Galoschen, außer wo er, nach einem Ausgang, auswärts zum 
Ruhen kommt und Strümpfe und Schuh nicht wechseln kann); beim 
Nachhausekommen gewöhne er sich aber, nach irgend einem langen 
Gange, die Strümpfe zu wechseln und (bei Disposition zu kalten Füßen) 
während des Sitzens dann warme Fußbekleidung (Filzschuh oder 
dergl.1 zu tragen. Werden die Füße dennoch im Litzen kalt, so müssen 
sie öfters mit feuchten Händen (später mit feuchten Tüchern) abgerieben 
und darauf bis zur Erwärmung Bewegung gemacht werden. Den Kopf 
lassen Sie mehr und mehr kühl tragen. 
Nur, wenn Sie mit der eigentlichen, Cur, der Haut gegenüber, 
das Bemühen der allmäligen Abhärtung Ihres Kindes verbinden, wer 
den Sie die Freude erleben, ihn gesund werden und gesund bleiben zu 
sehen! 
So viel für heute; wir sind aber zu ferneren Mittheilungen gern 
bereit und werden uns sehr freuen, wenn Sie uns von Zeit zu Zeit 
über das Einschlagen des angeregten Verfahrens berichten wollten. 
*) Fett mag der Knabe allenfalls bei ausgeprägtem Appetit dar 
nach genießen, aber die Haut ein reib ungen damit müssen wir 
Jhnen jetzt gänzlich Widerrathen 
Annonce. 
Ein kräftiger Mann, 23 Jahr alt, der mit der Wasserkur ver 
traut und schon selbst Besitzer einer Wasserheilanstalt gewesen, sucht 
zu Ostern eine Stelle in einer Wasser- oder Naturheilanstalt als Bademei 
ster, Inspektor oder Secretair. Derselbe besitzt einiges Vermögen und 
würde, wenn die Verhältnisse es. später erfordern, zur Vergrößerung 
einer Anstalt eine namhafte Summe hergeben. Adressen unter ü. 1. 
A. B. befördert die Expedition d. Bl.
	        
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