Volltext: Der Naturarzt 1863 (1863)

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Auch Luftbäder dürfen nur so lange dauern, als 
Behaglichkeitsgefühl vorhanden. 
Erwärmung des Körpers zwischen den Eintauchungen 
und an zugfreier Stelle durch heiße Sonnenstrahlen 
befördert den guten Erfolg der Bäder außerordentlich. 
Fünfte Regel. 
Man sortze nach dem Bade für schnelle Wiedererwär- 
muna des Körpers (Eintritt der Reaction des Blutes gegen 
die Wärmeentziehung durch das Wasser). Dies geschieht durch 
Frottirungen des nackten Körpers mit den Händen und La 
kenabreibungen, durch Bekleidung (Einhüllung), durch Gehen, 
ja Laufen nach dem Bade. 
Ehe Wiedererwärmung eingetreten, trinke man kein Wasser. 
Sechste Regel. 
Bei öfterem Baden an einem und demselben Tage nehme 
man wohl Acht daraus, daß die durch das vorhergehende 
Bad hervorgebrachten Eindrücke (Kältegefühl, Ermüdung, Hun 
ger re.) völlig wieder ausgeglichen sind, ehe ein anderes Bad' 
genommen wird. 
Siebente Regel. 
Einer Mahlzeit darf ein Bad nur erst nach 3—4 Stun 
den folgen. 
Heilung einer Bauchwassersucht, 
in Folge vorangegangenen, unbeachtet gebliebenen Leber 
leidens. 
Mitgetheilt vom Herrn Director Winkler in der Wasser- 
Heilanstalt Tiefenau bei Winterthur in der Schweiz. 
Unterm 13. Mär^ 1862 wurde ich zu R. St. von 
Th. Kt. Z. gerufen, als der wievielte Arzt, blieb mir unbe 
kannt; denn schon seit mehreren Monaten kränkelte und siechte 
fraglicher Patient, ja die letzteren 11 Wochen mußte er ganz 
im Bette zubringen. Bei meinem Erscheinen in der Kranken 
stube fand ich einen langen, schlanken, an Gliedmaßen und 
Gesicht sehr abgemagerten, erdfahl aussehenden Jüngling vor, 
von 17 bis 18 Jahren, mit einem sehr ausgedehten Bauche, 
dessen Umfang, über dem Nabel gemessen, 33 f Zoll neues 
Schweizermaß betrug. Er saß auf seinem Bettrande und 
jammerte mehr um Leibesöffnung und Urinentleerung, als 
über Schmerzen. Nach einer kurzen vorgenommenen Unter 
suchung und eingezogener Erkundigung mußte ich mit meinem 
vorangegangenen Collegen dieses Krankheitsbild als eine 
Hydrops abdominalis, anerkennen; nur in der Behandlungs 
weise gingen wir dagegen weit auseinander. Dieser letzt 
behandelnde Arzt, der zugleich gegenwärtig war, wollte, da 
ihn Klystierspritze, Pillen und der ganze allopathische Appa 
rat im Stiche ließen (indem trotz aller Kunstversuche Patient 
nur alle 8 bis 10 Tage einmal Leibesöffnung bekam und die 
Urinentleerung innerhalb 24 Stunden kaum 2, höchstens 4 
Unzen betrug), zur Paracentese (Abzapfung) verschreiten, wo 
von er sich umsomehr noch ein gutes Resultat erwartete, als 
weder Hände, noch Füße angeschwollen waren; Patient aber 
dessen Eltern und Verwandte eiferten sehr dagegen, und auch 
ich mußte ihnen beistimmen, in der Voraussicht, daß mit der 
Operation höchstens nur Erleichterung, aber durchaus nicht 
Heilung erzweckt werden könne. Aber auch von einer Was 
serkur wollten Patient, Eltern und Verwandte nichts wissen, 
noch weniger wein allopathischer College, und da wieder ich 
für Beistimmung der Allopathie hinsichtlich der Paracentese 
kein Ohr hatte und also meine Vorschläge zur Wasseranwen 
dung keinen Eingang fanden, so verließ ich den Patienten und 
das Haus. 
Am späten Abend des 19. gleichen Monats kam man 
indeß mit diesem Patienten ohne vorher gethane Anfrage vor 
die Anstalt gefahren, und ich verweigerte ihm die Aufnahme 
nicht. Nach einer kurzen Erholung erhielt er eine leichte Ab 
waschung des ganzen Körpers mit Wasser von 24 0 R , dann 
wurde er nach umgelegtem Rumpfumschlage zu Bette gebracht 
und ihm nach einer Stunde ein Lavement von 20 0 R ge 
geben. Bei allen wasserfremden und so zu sagen wasserscheuen 
Patienten glaube ich zu einer hohen Temperatur anfänglich 
G rathen zu müssen. 
8 Die erste Nacht war ziemlich unruhig; zwar nicht Schmer- 
Dzen störten den Schlaf, dagegen Unbequemlichkeit, das Schla- 
! feit auf einer Matratze, nasser Rumpfumschlag, mangelnde 
Stuhl- und Urinentleerung machten die Jammerposaune die 
ganze Nacht nicht ruhen. 
Bei einer vorgenommenen nochmaligen Untersuchung den 
20. Morgens früh war ich nicht im Stande, irgend ein Or 
gan oder etwas Aehnliches durch die sehr straff angespannte 
Bauchdecke hindurch fühlen zu können, und bei der nochmals 
vorgenommenen Messung fand ich wieder einen Umfang von 
33| Zoll. 
Bei dem guten Appetit des Patienten, aber mangelndem 
Platze für das Genossene, richtete ich zunächst mein Augen 
merk aus den Unterleib, um Erregung und Bethätigung in 
demselben wach zu rufen, was vermittelst der Einwickelungen 
des Körpers, Morgens und Abends, je von einer halben bis 
zur ganzen Stunde, je nach der Erwärmung, mit darauffol 
gendem Halbbad von 20 0 R., tüchtigem Frottiren der Glied 
maßen, wie namentlich auch des Unterleibes, mittels erregen 
der Umschläge um den letzteren und mit Morgens und Abends 
einem großen Lavement von 20 0 R., wie vier kleinen kalten 
dergl., je von 2 Unzen Gehalt und 7° im Verlaufe von 
24 Stunden, so weit gelangt, daß Patient nach 20stündigem 
Aufenthalt seine erste, reichhaltige, sowie stark aashaft rie 
chende Stuhlentleerung hatte, und ebenso eine enorme Quan 
tität Urin entleerte. Letztere Entleerung geschah von da an 
sehr häufig, bald trüb und ein röthliches Sediment bildend, 
bald wieder klar, wie reines Brunnenwasser, aber immer ohne 
Schmerzen, dagegen zu mehreren Malen des Nachts in's Bett, 
ohne Empfindung, was sich jedoch auf gemachte erregende 
Umschläge um die Genitalien bald verlor. Die Darmentlee 
rungen erfolgten bald regelmäßig innerhalb 24 Stunden, zwei, 
drei und öfter viermal, in Folge dessen die warmen großen 
Lavements bei Seite gelassen, dagegen aber die kalten kleinen 
auf sechs gesteigert wurden. 
Bewegung und Aufenthalt in der freien Natur war, 
theils der schlechten Frühlingswitterung wegen, theils bei den 
mangelnden Kräften und der allzustarken Anschwellung des 
Unterleibes eine reine Unmöglichkeit; dagegen aber lag Pa 
tient Tag und Nacht bei mehr oder minder geöffnetem Fenster. 
Obige Behandlung wurde, unter Verminderung der 
Wärmegrade bis auf 16 des Wassers, 4 Wochen lang fort-
	        
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