Volltext: Der Naturarzt 1863 (1863)

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lang; Nachmittags zwischen 5 und 6 Uhr die Morgens vor 
geschriebene Einpackung. Nach acht Tagen muß Patient alle 
Morgen eine Stunde in einem nassen Laken schwitzen. Muß 
Patient vier Stunden darin liegen, ehe er zum Schwitzen 
kommt, so nehme man ihn heraus, reibe ihn ab und wickele 
ihn das nächste Mal in eine trockene, wollene Decke, nachdem 
ihm vorher ein in kaltes Wasser getauchtes und ausgerunge 
nes Handtuch aus den Unterleib bis zum Halse hinauf gelegt 
worden ist 3 4 * ). Beginnt Patient zu schwitzen, sei es nun im 
Laken oder in der Decke, so kann man ihm häufig etwas 
kaltes Wasser zu trinken geben. Nach dem Schwitzen nimmt 
Patient ein Vollbad, er steigt hinein und gleich wieder her 
aus, und wenn dies Bad nicht zu haben, eine Abreibung mit 
2 ausgerungenen Laken nacheinander, im Ganzen von 4 Mi 
nuten Dauer. Diät ist nothwendig; Patient trinke Morgens 
frische, unabgekochte Milch, esse Mittags Mehlsuppe, Reis 
oder Gries und trinke Abends wieder Milch, oder genieße 
Suppen, wie des Mittags; zu allen Mahlzeiten kann er 
Semmel essen. Den ganzen Tag über muß Patient viel 
Wasser trinken und kann es zu 20—26 Gläser in 24 Stun 
den bringen 4), dagegen ist Kaffee, Wein, überhaupt jedes er 
regende Getränk strenge verboten. Mittelst Klystieren muß 
für gehörigen offenen Leib gesorgt werden. Nach dieser Be 
handlung ist Patient gewöhnlich in vier Wochen geheilt h ). 
Bei der secun dären und tertiären Syphilis hat 
man genau darauf zu sehen, wo ihr Sitz ist und ihre Zer 
störungswuth sich äußert. Ist ihr Sitz äußerlich, so hat man 
die Stelle mit Compressen zu belegen, und diese müssen so 
stark sein, daß sie 3—4 Stunden ihre Feuchtigkeit nicht ver 
lieren, und vor Ablauf dieser Zeit dürfen sie nicht erneuert 
werden. Haben die Wunden einen entzündlichen Charakter, 
so dürfen die Compreffen nicht in kaltes, sondern müssen in 
Wasser von 18—20 o ausgedrückt werden. Ueber jede nasse 
Compresse kommt eine trockene von gleicher Stärke, und zwar 
so groß, daß sie überall überragt. Man hat sodann darauf 
3 ) Es wäre wünschenswert^ gewesen, wenn, wie überhaupt für 
alle hier angeführten V/schen Manipulationen, so auch für diese lang 
gestreckte Compressen-Legung der Zweck angegeben worden wäre Denn 
dieser ist hier nicht einleuchtend, während stark und gut verpackte Com 
pressen um die Genitalien sebst während Tag und Nacht, zur Unter 
haltung der gelinde, nört.ichen Erregung, ganz vermißt werden. D. N. 
4 ) Häufiges. resp. ohne Appetit vorgenommenes Wassertrinken 
würden wir nur beim Tripper für gerechtfertigt ansehen, weil es 
dort, durch die damit bedingte Nothwendigkeit des öfteren Harneus, 
den Zweck der Reinigung der Harnröhren-Schleimhaut mittels eines 
wasserreichen, also milden nnd wenig heißen Urins hat. Aber doch 
müßte auch hier die Quantität ganz nach Individualität und sonstigen 
Umständen bemessen werden. Dagegen erscheint uns vieles, instinkrloses 
Wassertrinken beim primären Schanker eine ebenso bedenkliche Ap 
plication, wie die viele und starke Anregung der ganzen äußeren Haut, 
als eine Reizung für die inneren Organe, die wehr oder weniger immer 
von nachtheiliger Rückwirkung aus die äußere Haut, also auch der af- 
ficirten Hautstelle am Penis, begleitet sein muß und um so eher, je 
mehr Patient dabei und in Folge davon sich Bewegung zu machen 
Veranlassung haben wird. Die Red. 
5) Wenn dies bei obigen Formen geschehen, unter deren An 
wendung der syphi itische Stoff nach unserer Ansicht in's Blut über 
gehen muß, so wäre dies nur so erklärbar, daß man annähme, der 
Krankheitsstoff werde, auch in's But übergeführt, ohne Schaden für 
den übrigen Organismus, sofort durch die Ausscheidungsorgane ent 
sernt. Abgesehen aber davon, daß für diese Durchgangsfähigkeit des 
Giftes keine wissenschaftlichen Beweisgründe vorliegen, möchte auch, selbst 
wenn solche noch aufzufinden, nicht jeder Körper, sondern höchstens ein 
überhaupt kräftiger, diesen Versuch der Mitleidendmachung glücklich 
überstehen, und deshalb empfiehlt sich gewiß im Allgemeinen das 
örtliche Verfahren mehr. Möchten sich über diese hochwichtige Frage 
auch andere Urtheile und Erfahrungen noch hören lassen. Die Red. 
zu achten, daß eine gleichmäßige 6 * * * * ) Reaction des ganzen Or 
ganismus hervorgerufen wird, und ist dies erreicht, so suche 
man eine andere Säftemischung herbeizuführen, damit der 
Organismus sich zum Ausscheidungsproceß vorbereitet^). Um 
diesen zu erreichen, gebe man dem Patienten täglich 6 Ein 
packungen, und zwar hintereinander 2 des Morgens, 2 des 
Mittags vor dem Essen und 2 Nachmittags zwischen 5 und 
6 Uhr, die erste dieser Einpackungen von !0 und die andere 
von 15 Minuten. Nach jeder zweiten Einpackung erhält Pa 
tient eine Abreibung mit dem nassen Laken^). Hat man auf 
diese Weise das vorgeschriebene Ziel erreicht, was gewöhnlich 
8 - 14 Tage dauert"), so lasse man den Patienten Morgens 
in einem Laken 1 — 2 Stunden liegen; Mittags bekommt er 
eine Douche oder ein Sitzbad (letzteres von 14" 15 Minuten) 
und Nachmittags dieselbe Einpackung, wie des Morgens. Auf 
jede Einpackung folgt ein Vollbad (der Kranke steigt hinein 
und gleich wieder heraus), uub so geht man nach und nach 
zum Schwitzen im nassen^") Laken über. Sehr zu empfehlen 
ist, daß diese Kur unter Leitung eines erfahrenen Arztes") 
c ) Wir möchten mehr, als im Text geschehen, das Wort gleich 
mäßig betont sehen, denn nach unserer Ansicht ist, ehe an die eigent 
liche Ausscheidungskur bei solchen und ähnlichen Krankheiten gedacht 
werden kann, die Regelung der Blutcircnlation und Nervenströmun 
gen — wenn diese, wie fast großenteils, gestört nnd besonders vor 
wiegend nach dem Kopfe zu verhanden sind — anzustreben. Der Um 
stand, daß syphilitische Gaumen-, Nasen- und Augengeschwüre, auch 
Kupferausschlag im Gesicht und überhaupt syphilitische Kopfleiden se- 
cundärer Art bei einer physiatrischen Kur oft so schwer oder gar nicht 
weichen; hat gewiß meist seinen Grund darin, daß nicht vor begonne 
ner Ausscheidungskur das so nöthige und bisher gestörte Gleichgewicht 
zwischen Ober- und Unterkörper in Blut- und Nerventhätigkeit wie 
derherzustellen getrachtet wird. Es ist zwar richtig, daß einige der auf 
die Ausscheidungsthätigkeit abzielenden Formen, wie das milde Sitz 
bad und die kühlen Klystiere, ebenso die die Herstellung der Reactions 
thätigkeit des Körpers anstrebenden, kurzdauernden, feuchten Einpak- 
kungen eine Ableitung namentlich vom Kopfe, mit ermöglichen; aber 
wenn dies blos zufällig geschieht, und meist auch unvollkommen, so 
nämlich, daß die Blutcircnlation, z B. in den Füßen, trotzdem eine 
mangelhafte bleibt, so ist eben nicht sicher auf wahren Erfolg einer 
Ausscheidungskur zu rechnen, bei der der Patient allemal und zuerst 
auf Beseitigung der ihn am meisten benachteiligenden und belästigen 
den Kopfsymptome aufsieht. Deshalb systematische 'Ableitungskur 
vor der Ausscheidungskur! Die Red. 
') Dieser Satz scheint uns etwas dunkel. Reaction des Körpers 
ist soviel als e r h ö h t e, wenn auch nicht immer gleichmäßige Blut- u. Ner 
venströmung, als deren Folge sich, neben erhöhtem Stoffwechsel überhaupt, 
natürlich auch normale oder nach Umständen auch stärkere, als nor 
male, Ausscheidung von selbst ergiebt Mit der entsprechenderen 
Ausscheidung regulirt sich aber auch die Säftemischung des Kör 
pers in der Hauptsache ebenfalls von selbst, wenn auch diese Selbstrer- 
nigung des Körpers durch zweckmäßiges diätetisches Verhalten unserer 
Seits wesentlich erleichtert werden kann. — Also führen nicht sowohl 
wir, sondern der Körper selbst - seine Reaction und Ausscheidungsbe 
strebung — jene „andere Säftemischung" herbei, nnd die Begriffe „Re 
action", „Säfteverbesserung", „Ausscheidung" fallen mehl 
oder weniger in Eins zusammen, denn: natura «anat, nieälens 
enrat! Die Red. 
8) Jedenfalls ist dabei vorauszusetzen, daß der Individualität 
Rechnung getragen und daß nicht sofort Jeder diesem energischen Ver 
fahren zur Erhöhung der Körperreaction auf einmal, sondern nach 
und nach sich steigernd, ausgesetzt wird? Die Red. 
u ) Bei Manchem doch wohl (?) und nothwendiger Weise auch viel 
länger! Die Red. 
lö ) Unter Umständen, d h. wo Patient es vertragen kann, boch 
wohl auch in der trockenen,' wollenen D^cke? Denn wo diese zulässig 
erscheint, verkürzt sie offenbar allemal dre Kur! Die Red. 
n ) Der Ausdruck „Arzt" muß im Naturheilfache so aufgefaßt 
werden, daß darunter Jeder zu verstehen ist, der sich einmal volles 
Verständniß des Wesens der Naturheilkunde, welches auch die Kennt 
niß von den Körpereinrichtungen und der ihre krankhafte Veränderung 
bekundenden Symptome mitumfaßt, und das andere Mal Erfahrung 
in der Anwendung ihrerApplicationsformen erworben hat. Ebenso
	        
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