Volltext: Der Naturarzt 1863 (1863)

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ersten Stadium besteht in einer Entzündung, von der zu 
nächst die inficirte Schleimhaut - Stelle innerhalb drei oder 
mehrerer Tage nach der Ansteckung ergriffen wird; es bilden 
sich daselbst Geschwüre mit speckig aussehendem Rande. In 
diesem Stadium ist die Syphilis eine örtliche, oft noch 
durch Aetzung (?) zu beseitigende Krankheit (primäre Sy 
philis). 
Wenn aber die Umgebung des Geschwürs sich bereits 
verhärtete, ist eine Allgemeinkrankheit kaum zu verhüten. Dann 
pflanzt sich die Entzündung auf die Lymphgefäße und deren 
Drüsen fort, greift immer mehr und mehr um sich und äußert 
sich an entfernteren Stellen, z. B. im Halse und Munde, als 
Entzündungen der Schleimhaut und äußeren Haut (sekun 
däre Syphilis). 
Später verläßt die Syphilis die Körperhüllen (Haut- 
und Schleimhäute) und geht auf die inneren Zellgewebe, die 
Faserhäute und Knochen über (tertiäre Syphilis). Sonach 
unterscheidet man drei verschiedene Stadien: primäre, se 
kundäre und tertiäre Syphilis. 
Heilung der Syphilis. 
Im Allgemeinen läßt sich jede syphilitische Krankheit 
durch Behandlung mit Naturheilmitteln heilen, insoweit nicht 
bereits Zerstörungen in dem Körperleben überhaupt eingetre 
ten sind. Mit künstlichen Mitteln (Medieamenten) dagegen 
läßt sich eine Heilung nur in den Fällen ermöglichen, wo es 
gelingt, durch Aetzung der festen Ansteckungsstelle den Gift 
stoff zu entfernen*). Ist derselbe erst in den Kreislauf der 
flüssigen Masse aufgenommen, dann kann mit Arzneien nicht 
mehr von einer vollkommenen Heilung, sondern nur von einer 
Unterdrückung der Symptome der Krankheit, durch Abschwä 
chung der Lebensenergie, die Rede sein. Eine solche Abschwä 
chung richtet sich nach der Qualität und Quantität des Me- 
diein-Giftes und erreicht oft einen solchen Umfang, daß der 
anscheinend gesunde Körper plötzlich, wie vom Schlage getrof 
fen, die Seele aushaucht, wenn er vom Luftzuge berührt 
wird. Diese Art der Krankheitsheilung läßt sich vom Stand 
punkte der Naturheilkunde aus nur als ein Rechenexempel be 
trachten, bei dessen Entwickelung man zu der Gleichung kommt, 
wo x z o, die ganze Sache also eine leere Phantasie ist. 
Denn die flüssige Masse oder der eigentliche Lebenssaft in dem 
Körper läßt sich niemals durch künstliche Mittel in ein rich 
tiges Mischverhältniß bringen, — dies Geschäft hat vielmehr 
der Schöpfer in seiner weisen Fürsorge der Natur, bezie 
hungsweise dem Organismus mit seinem aus regulatorischen 
Einrichtungen beruhenden Heilvermögen vorbehalten. Der 
Mensch, also auch der Arzt, kann daher weiter nichts thun, 
als naturgemäß auf den Körper einwirken, damit dieser die 
Kraft und Energie erhält, die Säftewasse von ihren schäd 
lichen Elementen zu reinigen, die feste Körpermasse, die sich 
daraus stoffwechselnd bildet, wird dann von selbst gesund. 
Daß zu einer naturgemäßen Unterstützung des Organis- 
mus, in seinen Heilbestrebungen, allein die Lebenselemente 
*) Anrn. der Red. Wir halten aber dafür, daß auch der Ge 
brauch der gewöhnlichen Cauteria, als Kalicausticum (Aetzstein), von 
argentum nitricum fusim» (Höllenstein), tartarus stibiatus (Brechwein- 
stein) u. s. w. u. s. w. mehr gefährlich, als nützlich wirken könne, und 
daß als die einzige zulässige Form von Aetzung höchstens die mit 
Feuer anzusehen ist, aber auch nur dann, wenn andere physiatrische 
Mittel, welche eine Entzündung und zwar ohne Vernichtung oder zu 
schwere Verletzung gewisser Nervenparthieen herbeizuführen im Stande 
sind, nicht zu beschaffen wären, wie z. B. auffReiseu, oder der Schwäch 
lichkeit des Individuums wegen nicht Aussicht aus schnellste Herbei 
führung einer Entzündung gewähren würden. 
(Naturkräfte) geeignet erscheinen, rst sonach, wie dies mehrfach 
dargethan, selbstverständlich. Wir können daher mit gutem 
Gewissen die Anwendung der Naturheilmittel empfehlen und 
machen nur noch darauf aufmerksam, daß die Heilung der 
gedachten Krankheit, sofern sie noch nicht veraltet, einen gerin 
gen Zeitaufwand erfordert, während sich dieser von Wochen 
aus Monate und Jahre steigert, je nachdem das Uebel um 
sich gegriffen und die gebrauchten Arzneien, namentlich die 
nicht assimilirbaren Giftstoffe aus dem Mineralreich, die Le 
bensthätigkeit des Organismus gelähmt haben, was sich oft 
durch Arzneisiechthum bemerkbar macht. 
Eine Bürgschaft für die Empfehlung der Naturheilmittel 
zur Heilung der Syphilis gewähren die zahlreichen glücklichen 
Kuren in den früher erwähnten Wasserheilanstalten. Di 
rigent Viek hat z. B. während seiner zwanzigjährigen Praxis 
über 800 syphilitisch Kranke, die auf anderem Wege keine 
Heilung fanden, gründlich geheilt; nur in vier Fällen hin 
derten die zuweit vorgeschrittenen Zerstörungen am Körper 
die Heilung. 
Ueber die Behandlung der Kranken sagt Viek am angef. 
Orte selbst: „Bei der primären Syphilis sehe man zu 
nächst darauf, daß die Wunden immer gut gereinigt werden. 
Zu diesem Zwecke bade man das betreffende Glied täglich 
12 Mal in Wassex nicht unter 20 0 und nicht über 30 °, 
3 — 5 Minuten; nach erfolgter Abspülung wird die Wunde 
jedesmal mit frischer, in frisches Wasser getauchter und aus 
gedrückter Charpie belegt ^). Morgens bekommt Patient eine 
kalte Einpackung, worin er, je nach seinem Kräftezustande, 
1 — 2 Stunden liegen bleibt, darnach eine Abreibung mit dem 
nassen Laken 2); Mittags ein Sitzbad von 18 0 20 Minuten 
- 1 ) Statt dieser Charpieauflegung, welche, als zwischen Peniskör 
per und Vorhaut angebracht, einen unangenehmen Druck auf die affi- 
eirte und sehr empfindliche Stelle verursacht, haben wir das Zurück 
streifen der Vorhaut und die Auflage eines mit Kreuzschnitt versehenen 
fetneix Leinenstückes ans die Wunden, worüber dann erst der feuchte, 
erregende Umschlag gebracht wird, praktischer gefunden. Die so 
häufige Waschung, resp. Abspülung des Gliedes ist zwar sehr wohl 
thätig, aber unter den seltensten Umständen für den Patienten aus 
führbar, wohl aber die Erneuerung der feuchten und wohl verpackten 
Genitalcompresse, bei deren Wechsel dann das die Wunde unmittelbar 
bedeckende Leinen möglichst liegen bleiben kann und nur etwa einmal 
des Tages, unter Abweichung mit lauem Wasser, erneuert zu werden 
braucht. Die Red. 
2 ) Anm der Red. Wir haben uns schon früher (S. 37 dieses 
Bl.) dahin ausgesprochen, und wiederholen hier, daß während des 
körperlichen Heilungsbestrebens bei primärer S. starke peripherische 
Nerveuanregungen, als welche sich mehrstündige und mehrfach täglich 
wiederholte kalte Einpackungen mit nachfolgenden nassen Lakenabrei 
bungen und die kalten Vollbäder darstellen müssen, als die Heilung 
mindestens aushaltend erachten; sehr leicht kann aber und muß so 
gar, namentlich bei schwächlichen Individuen, die örtliche Ausschei 
dung dadurch ganz aufgehoben und der Uebergang der Krankheit in's 
secundäre Stadium herbeigeführt oder beschleunigt werden Denn 
kann wohl, so lange eine primäre Schankerwunde am Penis offen 
oder ein syphilitischer Tripper in echt primärer Form aus der Harn 
röhre profluirt von einem Uebergange des syphilitischen Stoffes in das 
Blut und daher davon die Rede sein, daß es nothwendig, das Blut 
von diesem Stoffe zu befreien? Welchen anderen Zweck haben aber 
die oben angeführten Formen der Hautbehandlung, als den, die Haut 
für eine größere Ausscheidungsthätigkeit zu befähigen und dazu anzu 
spornen? Muß dann nicht die örtliche Entzündung am und im Pe 
nis und damit die Widerstandskraft der Schleimhaut und Gewebe an 
der affieirten Stelle verringert und bez. nach und nach ganz aufgeho 
ben werden, wenn durch ungewöhnliche Anregung der Nerven in der 
ganzen äußeren Haut mehr, als bisher, das Blut nach den periphe 
rischen Capillarien geführt, der entzündungsmäßige Bluterguß in die 
Haar- und Blutgefäße des Peniskörpers und seiner Schleimhaut also 
beeinträchtigt wird?
	        
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