Volltext: Der Naturarzt 1863 (1863)

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Sitzbad hat ebenfalls den Zweck und die Macht kräftiger Äb- 
leitung von Hals und Kopf. Es dauert nach Eingießen 
des kalten Wassers etwa knapp 8 Minuten; dann werden Sie 
am Thermometer finden, daß das Wasser (wenn der Knabe 
gehörig manipulirte) wenigstens ca. * Grad wärmer im Fasse 
geworden ist — es darf natürlich kein zu großes Sitzfaß 
sein —; und dies ist genug für das kleine Individuum und 
den Zweck, der damit beabsichtigt ist." 
„Darauf folgt Spaziergang oder Zimmerghmnastik oder 
zugedecktes Liegen bis zur völligen Wiedererwärmung. — 
Nachmittags um 5 (am Isten und 2ten Tage, besser auch noch 
am 3ten) wird die kurze, feuchte Ganzeinpackungen mit Ab 
waschung rc. wiederholt und Abends vor Bettgehen die nächt 
liche Rumpf- und Unterleibs-Einpackung (ohne Armeinpackung). 
Nach dem 3ten Tage geben Sie blos noch die morgendliche 
kurze Total-Einpackung und blos noch nächtliche, feuchte 
Strümpfe mit Ganzwaschung des Körpers vor Bettgehen (mit 
18" W.) und nach 9 Tagen wird, bis auf die täglich ein 
malige Waschung (Abend, oder früh — wenn darauf Lauf 
folgen kann —) Alles aufhören können. Täglich hinter der 
Leibesöffnung her geben Sie auch dem Knaben * Spritze voll 
kaltes Klystier, und ist keine Oeffnung von selbst da, vorher 
eine volle Spritze von 14" W. — In der Diät halten Sie 
ihn kühl; geben Sie ihm während der 9 Tage Kur kein Fleisch, 
sondern nur Gemüse, Obst, Milch, Brod und dicke, kühle Sup 
pen ohne Fleischbrühe; lassen Sie ihn vor jedem Ausgang etwas 
frisch Wasser trinken und nach jedem größeren Gange wenig 
stens frische Strümpfe anziehen, wenn nicht alle Leibwäsche 
wechseln; während des Gehens sich lieber durch starke Bewe 
gung, als durch viele warme Kleider erwärmen; im Bett las 
sen Sie ihn blos unter mehreren Decken, micht unter Feder 
betten schlafen." 
-,Nach 9 Tagen bitte ich, mir wieder zu schreiben, wenn 
nicht eher etwas vorkommen sollte, was Ihnen wünschens- 
werth machte, meine Ansicht früher zu hören." 
Und ich hatte die Freude, ohne Jod meinen Knaben 
von dem Kropf befreit zu sehen und zwar schon nach 3 — 4 
Wochen, statt nach einem halben Jahre. 
Als der Knabe wieder das erste Mal vor Freuden, an 
der frischen Luft sich laben zu können, luftig im Garten um 
den ziemlich großen Grasplatz 4— 5 Mal herumlief, sagte er 
treuherzig zu seiner Mama: „Ich weiß garnicht, liebe Mama, 
früher, ehe ich krank war, konnte ich kaum ein Mal um das 
große Beet herumlaufen, so stach es mich gleich in der Brust, 
und jetzt bin ich 5 Mal herumgelaufen und spüre gar Nichts" 
— ein sicheres Zeichen, daß bei dem Knaben die fortgesetz 
ten feuchten Umschläge den durch falsche Vorsicht verhätschel 
ten Körper auskurirt und gekräftigt haben. 
Seitdem wäscht der Knabe sich jeden Morgen kalt ab — 
und zwar freiwillig —- was ihm vorzüglich bekommt. 
Des Natnrarztes v. Helfer Leiden und Freuden. 
Somlitisch-hydriatische Novelle. 
(Fortsetzung.) 
Schon vor der Erzählung des Schuldirectors hatte Herr 
Medio, der eifrige, nachdenkliche Wirth, sei es aus Versehen 
im Sichselbstvergessen ob all' des bisher Gehörten und seinen 
Geist tief Bewegenden — oder auch aus Absicht, bei einem 
der Gänge in den das perlende, einfache Bier sprudelnden 
Keller, die von der ersten Kammer, (dem Honorationenstübchen) 
zur zweiten führende Thüre sperrangelweit offen gelassen. 
Darauf war das Gespräch in der zweiten Kammer mehr und 
mehr verstummt, ein Kopf nach dem anderen hatte sich an 
der Thüre sehen lassen, und zuletzt schien es, als ob die ganze 
zweite Kammer, d. h. die ganze ehrsame, nur etwas weniger 
„vornehme" Bürgerschaft von Mölsitz die erste Kammer mit 
einnehmen wollte, — so füllte sich diese von der offengelassenen 
Thüre aus nach und nach mehr und mehr durch die nament 
lich von des Schuldirectors-Erzählung Angezogenen. Es wa 
ren ja meistens Alle ehemalige Schulkinder des würdigen 
Mannes und die Saamenkörner, die er Betreffs Rein- und 
Gesunderhaltung auch ihres Körpers in ihre Seelen ausge 
streut, wurden ihnen jetzt auf einmal klarer bewußt, denn je. 
Zwar hatte der schlichte Mann bisher niemals- öffentlich über 
die Folgen seiner Sorgsamkeit auch für das leibliche Wohl 
seiner geistigen Pfleglinge sich geäußert — theils aus Beschei 
denheit, theils und vielleicht noch mehr in der Berücksichti 
gung, daß er in dem Herrn Pastor oder, besser gesagt, in 
dessen Ehehälfte, eine ihn an und für sich streng controlirende und 
auf die Rechte des Körpers gar wenig Gewicht legende Auto 
rität zur Seite, auch bei den älteren Generationen überhaupt 
eine innige, langgewohnte Abneiguirg gegen solche die bisheri 
gen Gewohnheiten und Bequemlichkeiten im Körperleben und 
Körperbehandeln verletzende neue Grundsätze vor sich habe, 
als daß er es zu einem offenen Meinungsaustausch, der viel 
leicht das bisher still im Mölsitzer Kindesleben sich entwickelnde 
neue Princip der Körperpflege mit roher Hand ausgerottet 
hätte, kommen lassen mochte. — Den wenigen Kindern, welche 
vor 30 Jahren seiner Erzählung über die Art seines Gesund- k 
Werdens gelauscht und Geneigtheit gezeigt hatten, seiner nähe- 
ren Anweisungen sich zu bedienen, hatte er gern, wenn sie vor 
oder nach den Schulstunden zu ihm kamen und ihm die oder 
jene Frage bezüglich der Waschung, der Kleidung, des Schla 
fens, Essens und Trinkens, des Gehens, Laufens, Spielens 
und Springens vortrugen, immer gern und ausführlich mit 
Rath zur Seite gestanden und hatte, um sich dazu selbst mehr 
und mehr zu befähigen, nach und nach alle die Schriften an 
geschafft, welche um diese Zeit zur Aufklärung des Publikums, 
über die bisherigen Fehler des Heilfaches und der Körper 
pflege erschienen waren, besonders also die vom Professor 
Oertel selbst, die von Munde und Rausse. Aber weiter war 
er vorerst nicht gegangen. Als indeß diese Kinder aus der 
Schule austraten, hatte er sie nach der Confirmation alle zu 
sammen zu sich zu einer besonderen Stunde eingeladen und 
hatte ihnen in einer recht herzlichen Zusprache Alles das, was 
sie bisher von ihm über Körpereinrichtungen und Körperpflege . 
gehört, nochmals vorgeführt und sie ermahnt, diese Kenntmsse 
und Regeln für ihr künftiges Leben, jedes Einzelne, nicht blos 
nicht aus^dem Gedächtnisse und aus der Uebung zu verlieren/ 
sondern sich darin durchLesen guter Bücher und auch gemeinschaft 
liche Unterhaltungen immer mehr zu befestigen und fortzubil 
den, und hatte schließlich den Kindern vorgeschlagen, zu die 
sem Zwecke am ersten Sonntage jedes Monats Nachmittags 
4 Uhr bei ihm sich ein zusind en, damit sie diese Befestigung 
der Sorge für ihren gesunden Körper und diese Fortbildung 
in den diesfallsigen Kenntnissen unter seiner Leitung, im Win 
ter im Zimmer, im Sommer bei gemeinschaftlichem Spazier 
gange vornähmen.
	        
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