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Sitzbad hat ebenfalls den Zweck und die Macht kräftiger Äb-
leitung von Hals und Kopf. Es dauert nach Eingießen
des kalten Wassers etwa knapp 8 Minuten; dann werden Sie
am Thermometer finden, daß das Wasser (wenn der Knabe
gehörig manipulirte) wenigstens ca. * Grad wärmer im Fasse
geworden ist — es darf natürlich kein zu großes Sitzfaß
sein —; und dies ist genug für das kleine Individuum und
den Zweck, der damit beabsichtigt ist."
„Darauf folgt Spaziergang oder Zimmerghmnastik oder
zugedecktes Liegen bis zur völligen Wiedererwärmung. —
Nachmittags um 5 (am Isten und 2ten Tage, besser auch noch
am 3ten) wird die kurze, feuchte Ganzeinpackungen mit Ab
waschung rc. wiederholt und Abends vor Bettgehen die nächt
liche Rumpf- und Unterleibs-Einpackung (ohne Armeinpackung).
Nach dem 3ten Tage geben Sie blos noch die morgendliche
kurze Total-Einpackung und blos noch nächtliche, feuchte
Strümpfe mit Ganzwaschung des Körpers vor Bettgehen (mit
18" W.) und nach 9 Tagen wird, bis auf die täglich ein
malige Waschung (Abend, oder früh — wenn darauf Lauf
folgen kann —) Alles aufhören können. Täglich hinter der
Leibesöffnung her geben Sie auch dem Knaben * Spritze voll
kaltes Klystier, und ist keine Oeffnung von selbst da, vorher
eine volle Spritze von 14" W. — In der Diät halten Sie
ihn kühl; geben Sie ihm während der 9 Tage Kur kein Fleisch,
sondern nur Gemüse, Obst, Milch, Brod und dicke, kühle Sup
pen ohne Fleischbrühe; lassen Sie ihn vor jedem Ausgang etwas
frisch Wasser trinken und nach jedem größeren Gange wenig
stens frische Strümpfe anziehen, wenn nicht alle Leibwäsche
wechseln; während des Gehens sich lieber durch starke Bewe
gung, als durch viele warme Kleider erwärmen; im Bett las
sen Sie ihn blos unter mehreren Decken, micht unter Feder
betten schlafen."
-,Nach 9 Tagen bitte ich, mir wieder zu schreiben, wenn
nicht eher etwas vorkommen sollte, was Ihnen wünschens-
werth machte, meine Ansicht früher zu hören."
Und ich hatte die Freude, ohne Jod meinen Knaben
von dem Kropf befreit zu sehen und zwar schon nach 3 — 4
Wochen, statt nach einem halben Jahre.
Als der Knabe wieder das erste Mal vor Freuden, an
der frischen Luft sich laben zu können, luftig im Garten um
den ziemlich großen Grasplatz 4— 5 Mal herumlief, sagte er
treuherzig zu seiner Mama: „Ich weiß garnicht, liebe Mama,
früher, ehe ich krank war, konnte ich kaum ein Mal um das
große Beet herumlaufen, so stach es mich gleich in der Brust,
und jetzt bin ich 5 Mal herumgelaufen und spüre gar Nichts"
— ein sicheres Zeichen, daß bei dem Knaben die fortgesetz
ten feuchten Umschläge den durch falsche Vorsicht verhätschel
ten Körper auskurirt und gekräftigt haben.
Seitdem wäscht der Knabe sich jeden Morgen kalt ab —
und zwar freiwillig —- was ihm vorzüglich bekommt.
Des Natnrarztes v. Helfer Leiden und Freuden.
Somlitisch-hydriatische Novelle.
(Fortsetzung.)
Schon vor der Erzählung des Schuldirectors hatte Herr
Medio, der eifrige, nachdenkliche Wirth, sei es aus Versehen
im Sichselbstvergessen ob all' des bisher Gehörten und seinen
Geist tief Bewegenden — oder auch aus Absicht, bei einem
der Gänge in den das perlende, einfache Bier sprudelnden
Keller, die von der ersten Kammer, (dem Honorationenstübchen)
zur zweiten führende Thüre sperrangelweit offen gelassen.
Darauf war das Gespräch in der zweiten Kammer mehr und
mehr verstummt, ein Kopf nach dem anderen hatte sich an
der Thüre sehen lassen, und zuletzt schien es, als ob die ganze
zweite Kammer, d. h. die ganze ehrsame, nur etwas weniger
„vornehme" Bürgerschaft von Mölsitz die erste Kammer mit
einnehmen wollte, — so füllte sich diese von der offengelassenen
Thüre aus nach und nach mehr und mehr durch die nament
lich von des Schuldirectors-Erzählung Angezogenen. Es wa
ren ja meistens Alle ehemalige Schulkinder des würdigen
Mannes und die Saamenkörner, die er Betreffs Rein- und
Gesunderhaltung auch ihres Körpers in ihre Seelen ausge
streut, wurden ihnen jetzt auf einmal klarer bewußt, denn je.
Zwar hatte der schlichte Mann bisher niemals- öffentlich über
die Folgen seiner Sorgsamkeit auch für das leibliche Wohl
seiner geistigen Pfleglinge sich geäußert — theils aus Beschei
denheit, theils und vielleicht noch mehr in der Berücksichti
gung, daß er in dem Herrn Pastor oder, besser gesagt, in
dessen Ehehälfte, eine ihn an und für sich streng controlirende und
auf die Rechte des Körpers gar wenig Gewicht legende Auto
rität zur Seite, auch bei den älteren Generationen überhaupt
eine innige, langgewohnte Abneiguirg gegen solche die bisheri
gen Gewohnheiten und Bequemlichkeiten im Körperleben und
Körperbehandeln verletzende neue Grundsätze vor sich habe,
als daß er es zu einem offenen Meinungsaustausch, der viel
leicht das bisher still im Mölsitzer Kindesleben sich entwickelnde
neue Princip der Körperpflege mit roher Hand ausgerottet
hätte, kommen lassen mochte. — Den wenigen Kindern, welche
vor 30 Jahren seiner Erzählung über die Art seines Gesund- k
Werdens gelauscht und Geneigtheit gezeigt hatten, seiner nähe-
ren Anweisungen sich zu bedienen, hatte er gern, wenn sie vor
oder nach den Schulstunden zu ihm kamen und ihm die oder
jene Frage bezüglich der Waschung, der Kleidung, des Schla
fens, Essens und Trinkens, des Gehens, Laufens, Spielens
und Springens vortrugen, immer gern und ausführlich mit
Rath zur Seite gestanden und hatte, um sich dazu selbst mehr
und mehr zu befähigen, nach und nach alle die Schriften an
geschafft, welche um diese Zeit zur Aufklärung des Publikums,
über die bisherigen Fehler des Heilfaches und der Körper
pflege erschienen waren, besonders also die vom Professor
Oertel selbst, die von Munde und Rausse. Aber weiter war
er vorerst nicht gegangen. Als indeß diese Kinder aus der
Schule austraten, hatte er sie nach der Confirmation alle zu
sammen zu sich zu einer besonderen Stunde eingeladen und
hatte ihnen in einer recht herzlichen Zusprache Alles das, was
sie bisher von ihm über Körpereinrichtungen und Körperpflege .
gehört, nochmals vorgeführt und sie ermahnt, diese Kenntmsse
und Regeln für ihr künftiges Leben, jedes Einzelne, nicht blos
nicht aus^dem Gedächtnisse und aus der Uebung zu verlieren/
sondern sich darin durchLesen guter Bücher und auch gemeinschaft
liche Unterhaltungen immer mehr zu befestigen und fortzubil
den, und hatte schließlich den Kindern vorgeschlagen, zu die
sem Zwecke am ersten Sonntage jedes Monats Nachmittags
4 Uhr bei ihm sich ein zusind en, damit sie diese Befestigung
der Sorge für ihren gesunden Körper und diese Fortbildung
in den diesfallsigen Kenntnissen unter seiner Leitung, im Win
ter im Zimmer, im Sommer bei gemeinschaftlichem Spazier
gange vornähmen.