Volltext: Der Naturarzt 1863 (1863)

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Nahrhaftigkeit. 
Die Nahrhaftigkeit einer Speise hängt ab: von ihrem 
Gehalt an Stickstoff und Kohlenstoff. Ersterer ist direct und 
eigentlich nährend, letzterer mehr das Leben fristend, den Ath- 
mungsvorgang unterhaltend. — Zur Erhaltung des Körpers 
ist es nicht gleichgiltig, welcherlei Nahrungsmittel ihm geboten 
werden. Blos stickstoffhaltige oder blos kohlenstoffhaltige Nah 
rung kann das Leben nicht erhalten, sondern beide müssen mit 
einander verbunden sein und zwar so, daß der Kohlenstoff 
vorwiegt. Eine sehr geringe Menge stickstoffhaltiger Nahrung, 
zu einer größeren Menge kohlenstoffiger Nahrung zugefügt, ist 
schon im Stande, das Leben zu erhalten. — Der Stickstoff 
ist enthalten im Eiweiß und in eiweißartigen Substanzen 
(Faserstoff, Käsestoff), ferner im Leim (Gallerte^; der Kohlen 
stoff im Fett, der Stärke, dem Zucker. 
Das eigentliche Muskelfleisch der Thiere, ihre Milch, ihr 
Blut, das Vogelei besitzen den größten Stickstoffgehalt, die 
Blätter der Pflanzen sind am ärmsten daran. Ueberhaupt 
besitzen von den Nahrungsmitteln aus dem Pflanzenreiche nur 
wenige eine annähernd gleiche Stickstoffmenge, wie das Fleisch. 
Verdaulichkeit. 
Die Verdaulichkeit der Nahrungsmittel hängt ab von 
ihrem Verhältnisse zu den Verdauungskräften. Sind sie durch 
die Magensäfte leicht zersetzbar, können sie durch diese schnell 
in Speisebrei und sogenannten Milchsaft umgewandelt werden, 
so nennt man sie leicht verdaulich, im Gegentheil schwerver 
daulich. Denn alle Nahrungsmittel müssen im Munde, Ma 
gen und Darm Veränderungen erfahren, welche sie den Säf 
ten und dem Blute ähnlich machen, wodurch sie erst in Brei 
(Speisedreis und dann in weißen Saft verwandelt werden, 
der später in den Blutstrom überfließt. Je schneller und leich 
ter Magen und Darm dies bewirken können, desto besser be 
kommt eine Speise und desto dienlicher ist sie der Gesundheit. 
Daher ist eine, wenn auch an eigentlichem Nährstoffe ärmere, 
aber leicht verdauliche Speise immer besser, als eine stark 
nährende, aber schwer verdauliche. Dünnere, wässerige Spei 
sen, z. B. Suppen, sind leichter verdaulich, als dichte, denn 
in jenen trägt der größere Wassergehalt zu ihrer leichteren Auf 
lösung im Magen bei. In den meisten Nahrungsmitteln sind 
f bis f Wasser und \ bis { feste Substanz enthalten. 
Je mehr eigentlicher Nahrungsstoff in einer Speise vor 
handen ist, desto schwerer ist sie in der Regel zu verdauen; 
so ist es z. B. Käse schwerer, als Fleisch Ist aber zu wenig 
Nahrungsstoff darin enthalten, so belästigt sie wieder durch 
die Menge ihrer unverdaulichen Substanzen, wie z. B. viele 
Pflanzentheile, vorzüglich solche, die viel harte, holzige Faser, 
Schalen, Hülsen re. haben, oder sehr sehniges, häutiges, knor 
peliges Fleisch. 
Die Dauer der vollständigen Verdauung im Magen ist 
sehr verschieden von H bis 5 z Stunden. Zu schwer verdau 
liche Speisen verweilen zu lange im Magen, belästigen ihn 
und erschöpfen, zu häufig genossen, endlich die Verdauungs 
kräfte. 
Nahrungsstoffe. 
Die Milch. Unter den Nahrungsmitteln steht die Milch 
oben an, denn sie besitzt nicht nur alle wichtigen Bestandtheile, 
welche der Körper zu seiner Ernährung nöthig hat (wie Käse- 
stoff, Eiweiß, Fett, Zuckers sondern auch die Eigenschaften, 
welche ein Nahrungsmittel leicht verdaulich machen, in vollem 
Maße Sie enthält neben 87—91 Procent Wasser 10—-12 
Procent nahrhafte Bestandtheile, darunter etwa 3 - 4 Procent, 
stickstofsige, 7—8 Procent kohlenstoffige. Als von der Natur 
verordnetes Nahrungsmittel des jungen Säugethieres und 
Menschen, kann sie für das Muster, aller Nahrungsmittel gel 
ten, ja man kann sie ein Universal-Nahrungsmittel nennen. 
Sie vereinigt in sich die Eigenschaften der Speise und des 
Getränkes und ist aus diesem Grunde außerordentlich leicht 
verdaulich. Je mehr die Milch Butter- und Käsestoff enthält, 
desto nahrhafter wird sie, aber auch desto schwerer verdaulich, 
wenigstens für Säuglinge. 
Von der Thiermilch wird die Kuhmilch am meisten be 
nutzt, außer dieser die Ziegen-, wdhl auch die Schafmilch, 
welche beide letzteren eine größere Menge Käsestoff und Rahm 
enthalten. 
Die Milch ist in jeder Form, roh oder gekocht (?), süß oder 
sauer (?), gleich nahrhaft, aber für den Einzelnen nicht immer 
gleich leicht derdaulich. 
Die Güte der Milch hängt von der Gesundheit, Kräf 
tigkeit, dem Alter der Thiere, von ihrem Futter, ihrer Pflege 
und vorzüglich auch davon ab, ob die Thiere mehr im Freien 
oder mehr im Stalle leben. Die frische Luft und eine gute 
Weide geben den Thieren bessere und gesundere Milch, als 
Stallfütterung. Weiden die Thiere jedoch auf feuchten Wie 
sen, so wird ihre Milch wässerig und fade, bei Klee- und 
anderer kräftiger Fütterung aber bekanntlich reich an Rahm. 
Im Winter, bei trockener Stallfütterung, ist die Milch weni 
ger gehaltreich, als bei Grünfutter. Alte Kühe geben natür 
lich schlechtere Milch, als junge, alt milchende eine schwerer 
verdauliche, als frisch milchende. Die Milch kranker Thiere 
ist immer schlecht und oft schädlich. 
Da die Ziegen meistens im Freien leben, sich gutes 
Futter suchen können, auch leichter zu halten sind, als Kühe, 
so hat ihre Milch deshalb manchen Vorzug und ist wegen 
ihrer noch größeren Nahrhaftigkeit zu empfehlen. 
Die Buttermilch, obgleich ihr das Fett (die Butter) 
genommen ist, bleibt wegen des Inhaltes an Käse noch sehr 
nahrhaft and leicht verdaulich. 
Die Molken indeß, welche nach der Käsebereitung zu 
rückbleiben, denen also Käsestoff und Fett ganz mangelt und 
blos der Zucker und die der Milch eigenthümlichen Salze ge 
blieben sind, haben eine sehr geringe Nahrhaftigkeit 
Der Käse ist sehr nahrhaft, denn er ist die eigentlich 
stickstoffhaltige Substanz der Milch, er besteht aus reinem Käse- 
stoff, der 1,') Procent Stickstoff enthält. Außerdem besitzt er 
,zum Theil deren Fett. Er ist aber schwer verdaulich, um so 
schwerer, je älter, d. h. je mehr er in Zersetzung und Fäul- 
niß übergegangen und je fette.r.er ist. 
Die Butter, das Fett der Milch, ist weniger nahr 
haft, als der Käse, auch weniger schwer verdaulich. Sie ent 
hält oft viel Wasser (von 4^ bis 18 Procent) und in ihrem 
Fette 77 Procent Kohlenstoff. 
Eier. An die Milch schließen sich sofort die Vogeleier. 
Auch bei ihnen sind alle Bedingungen eines vorzüglichen Nah 
rungsmittels vorhanden. Sie enthalten ebenfalls, das vor 
züglich nährende Eiweiß, nebst Fett und Zucker; auch sie ver 
dienen deshalb den Namen eines Universalmittels. Das Ei 
dotter enthält, neben beinahe 16 Procent Dottereiweiß, etwa 
30 Procent Fett (Dotteröh, bei etwa 51 — 52 Procent Wasser. 
' Da das flüssige Eiweiß die nahrhafteste und am leichtesten 
verdauliche Substanz ist, so geben rohe Eier auch die nähr-
	        
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