Volltext: Der Naturarzt 1869 (1869)

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das Fleisch gänzlich verboten und er hatte selbst öfter mo— 
natelang ohne Fleisch gelebt, mit dem beften Erfolge für 
seine Gesundheit; es bedurfte bei ihm also nur des gering— 
sten Anstoßes, um ihn zu den Vegetarianern herüberzuziehen. 
Er war seit vielen Jahren schwächlich und kränklich gewesen 
und rühmt jetzt, daß er schon nach Ablauf des ersten Halb⸗ 
jahres der völligen Fleischentsagung begonnen habe, sich leicht 
im Körper und im Gemüth zu fühlen, daß er Lust und Aus— 
dauer im Arbeiten habe, sich nicht mehr erkälte wie sonst, 
kurz, sich in gewissem Grade neugeboren fühle. Ebenfalls 
rühmt er von seiner Frau und seinem 10jährigen Sohne, 
daß in beider Gesundheitszustande bedeutende Fortschritte be— 
merkbar geworden sind. 
Dr. Nagel wirkt sehr segensreich, namentlich unter den 
Fabrikarbeitern von Barmen. Familien, welche seinen Vor— 
schriften folgen, kommen bald in allseitig günftigere Lage und 
zebrauchen auch bald seinen Rath nicht weiter. Jeder Pa— 
ient bekommt einen gedruckten Zettel, dessen einzelne Sätze 
Dr. Nagel mit unermüdeter Geduld mit ihm durchgeht und 
durch Belehrung dahin wirkt, daß die Leute das Befolgen 
der Vorschriften mit voller Ueberzeugung sich zur Pfuicht 
mnachen. Damit werden die vorhandenen Krankheiten geheilt 
und neuen Erkrankungen vorgebeugt. Herr Dr. Nagel hat 
mir erlaubt, diesen Zettel (welchen er seit 8 Jahren zu jähr— 
iich 1300 Stück vertheilt hat) hier abdrucken zu lafsen. 
Er lautet: 
Besonders zu empfehlen ist: 
1. Oefters des Tages ein Trunk frischen, klaren 
Wassers, wie es der weise Schöpfer uns darbietet. Cs 
stärkt und reinigt den Magen und macht Appetit. Es durch— 
dringt den ganzen Körper und befördert die stetige Ausschei— 
dung aller abgenutzter, kranker Stoffe aus dem Körper, 
durch die Haut, die Nieren und den Stuhlgang. Es ist ein 
Universal-⸗Reinigungsmittel des ganzen Körpers, welches von 
keinem andern übertroffen wird. Wer das Wasser nicht mehr 
vertragen kann, muß es erst wieder vertragen lernen, ehe er 
auf gründliche Heilung? hoffen darf. 
2. Auch Abwaschungen des Körpers oder ein— 
zelner Theile desselben mit kaltem Wasser, so oft dies die 
Reinlichkeit erfordert, und so oft die Haut, 2 bis 3 Mal 
wöchentlich höchstens, eine solche Erfrischung wünschenswerth 
macht. 
3. Alle Arten Obst, roh und gekocht. Es wirkt in 
hohem Grade erquickend bei Durst, kühlend bei Blutwal— 
lungen, beruhigend bei Nervenaufregung und fördernd bei 
träger Stuhlentleerung. 
4. Gutes Weizen- oder Roggenschrotbrod, ohne 
Salz und ohne Säure darin. Dies ist das gesundeste, nahr— 
hjafteste und wohlschmeckendste und wirkt auch einer trägen 
Stuhlentleerung entgegen.“ 
5. Alle Milch- und Mehlspeisen, mehlige Kar— 
toffeln, auch Gemüse, die mit Butter zubereitet sind. 
6. Erdbeerbhätterthee, als wohlschmeckend und 
gesund *). 
Nicht heiß und nicht stark gezuckert getrunken. S. Vorschrift 1 
und 4 der folgenden Ueberschrift. Vorschrift 8 würde allerdings auch den 
Erdbeerthee verbieten, der d'rum wohl mehr nur als Zugeständniß für 
Neulinge in der rein naturgemäßen Diät anzusehen ist. 
Der Herausgeber. 
7. Weite Kleidung, welche die freie Bewegung nicht 
heengt, die freie Ausdünstung nicht zurückhält. 
8. Ein wollenes Hemd, auf bloßem Leibe getragen, 
velches locker und warm die Ausdünstung frei durchläßt, 
zabei trocken bleibt und vor Erkältungen schützt. Dagegen ein 
einenes Hemd dicht und kalt die Apsdünstung zurückhält, 
»abei feucht oder gar naß wird und so leicht Anlaß gibt zu 
FErkältungen. 
9. Frühes Aufstehen und Schlafen auf Roß— 
jaar oder Stroh und unter wollenen oder baumwollenen 
Decken. 
10. Möglichst reine Luft bei Tage und bei Nacht. 
11. Die rechte Abwechslung in der Beschäftigung 
des Körpers und des Geistes und auch zwischen Arbeit und 
Erholung. — 
12. Sorge sür warme Füße durch naturgemäße 
Mittel. 
—Stets zu meiden sind: 
1. Heiß essen und heiß trinken, weil natur— 
vidrig. Die Natur bietet allen Geschöpfen alle Speise und 
Trank kalt, nur allein dem Neugebornen die Milch in der 
Mutterbrust lauwarm. 
2. Branntwein, Wein und starkes Bier. Sie 
wirken als Reizmittel für eine kurze Zeit aufregend auf den 
Magen, das Blut und auf die Nerven, worauf unmerklich 
pu aber unfehlbar eine größere Schwäche dauernd zurück— 
leibt. 
3. Kaffee, grüner und schwarzer Thee (chine— 
ischer). Auch hier ist die kurze Erstwirkung erhöhtes Wohl— 
hefinden, die lange Nachwirkung aber dauernde Abspannung. 
Die Natur hat zu unserm alleinigen Getränk das 
Vasser und die Milch bestimmt und Beide sind reizlos, 
niährend und gesund. 
4. Scharfe Gewürze, Essig, viel Zucker und 
iel Salz. Durch Ueberreizung stumpfen sie ab die Zunge 
ind den Magen, so daß die einfachen, sonst so köstlichen 
Naturgaben dem Esser in der Folge nicht mehr zusagen. 
5. Alles Fleisch, nicht blos fettes, sondern auch 
nageres. Fleisch ist wohl eine gesunde Nahrung für Thiere, 
velche die Natur zum Fleischfressen bestimmt hat, also für 
Fleischfresser. Der Mensch aber ist von der Natur auf Obst, 
Wurzeln, Getreide, kurz auf Pflanzenkost angewiesen und 
dies beweist allein schon der Bau seiner Zähne, seines Ma— 
jens und seiner Eingeweide unwiderleglich. 
Fleisch macht daher den Menschen nicht stark, sondern 
rank. Doppelt schlimm aber wirkt das Fleisch von allem 
»urch Mästen fettgemachten Vieh, weil eben alles 
zemästete Vieh kränkes Vieh ist. 
Die ersten Keime von Scropheln, Schwindsucht, Flech— 
ten, Pocken, Cholera, Nervenfieber u. s. w, (im Wesen all 
dasselbe) sind allein in der widernatürlichen Diät zu suchen. 
Man denke nach und achte auf sich! Es ist unendlich 
diel leichter, die volle Gesundheit zu bewahren, als die ver— 
lorne je ganz wieder zu gewinnen. 
Dr. R. Nagel. 
Barmen, Parlamentstr. 245. 
Ich darf dazu noch kurz erwähnen, daß der Thee von 
zetrockneten Erdbeerblättern mit Milch und Zucker ein Ge— 
tränk ist, das sich in Wohlgeschmack nicht von dem chinesi—
	        
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