Volltext: Der Naturarzt 1869 (1869)

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Diesen Satz hat der Herr Dr. E. Kemmerich in her vollkommen gesund und bemerkte darin keine Aenderung, 
Bonn soeben der gelehrten Welt verkündet. dur das Ertragen der Mittagshitze schien mir bedeutend 
In Pflüger's Archiv für Physiologie (1868, 1. Heft) Leichter zu sein, als vorher. 
macht er schleunigst die „vorläufige Mittheilung“, um sich Daͤnn kam meine arme, unheilbar kranke Frau aus den 
die Ehre der Priorität jedenfalls zu sicher. Der Herr Doktor Bädern heim und unser Kind kam gleichfalls krank wieder 
sagt: „Es gilt allgemein die Annahme, daß die Fleischbrühe u Haus. Meine Frau richtete den Haushalt ein, wie sie es 
auf das Nervensystem des Menschen belebend und erregend uuletzt beim Dr. Hahn auf der Waid gesehen *): Brod, Obst 
einwirke. Ueber die Ursache der Wirkung und über die Natur und Milch am Morgen und Abend, und Mittags zwei Ge— 
des wirksamen Prinzips ist nichts Näheres bekannt.“ Als richte: Gemüse und Mehlspeise ohne alles Fleisch. Bei dieser 
Ergebnisse seiner Untersuchungen stellt er Folgendes auf: Diät gestaltete sich ihr schweres Leiden so schmerzlos und 
1) In kleiner Gabe bewirkt die stark eingekochte jünstig, wie man es kaum hoffen konnte — bis Gott sie 
Fleischbrühe Zunahme der Anzahl und der Stärke hnädig erlöste. Unser Kind aber wurde gesund, wuchs und 
des Herzschlages; in großer Gabe wirkt sie gedieh und wächst und gedeiht jetzt kräftig und fröhlich weiter. 
als Gift und tödtet unter den Erscheinungen Verwandte, die kürzere oder längere Zeit bei mir zum 
der Herzlähmung. 2) Der wirksame Stoff sind haupt- Besuch sind, fügen sich gern dieser Diät mit sichtbarem 
sächlich die Kaliverbindungen in der Fleischbrühe und diese Nutzen für ihre Gesundheit. Die Magd bekam noch längere 
wirken 3) in kleinen Gaben nicht verlangsamend auf die Zeit die herkömmlichen Fleischrationen, bis sie gegen kleine 
Herzthätigkeit, sondern erregend. — Uebrigens können sich Lohnerhöhung darauf verzichtete, so daß jetzt gar kein Fleisch 
die geehrten Leser insofern beruhigen, als der Herr Doktor nehr in mein Haus kommt. 
mit seiner Fleischbrühe noch keinen Menschen getödtet hat, Nun macht sich die tägliche Verpflegung folgendermaßen: 
sondern es sind ihm nur unschuldige Kaninchen zum Opfer Zu Anfang gab es Morgens Grahambrod und heiße 
gefallen, er hat also eigentlich nur bewiesen, daß Fleischbrühe Milch, weil wir ja heißen Kaffee gewohnt waren. Nach und 
zin Gift für Kaninchen ist. Da er aber selbst seine Mitthei- gach verlor sich das Bedürfniß und die Milch wurde kalt 
lung mit den Wirkungen der Fleischbrühe auf das Nerven- jetrunken. Im hohen Sommer war die Milch vom Tage 
syftem der Menschen beginnt, also selbst an Nutzanwen- uvor nicht mehr gut und blieb ganz weg. Wir frühstückten 
dung seiner Versuche auf den Menschen gedacht hat, so wird Brod und Obst und Wasser, weil wir ja noch an Trinken 
er uns gestatten, daß wir gleichfalls davon profitiren. Wir ewöhnt waren. Dann blieb auch dieses weg und Brod mit 
aber behaupten ganz entschieden, daß jeglicher Genuß von dirschen, oder Birnen, oder Zwetschen, oder Aepfeln gibt 
Fleisch oder Fleischbrühe, Braten oder Schinken, Wild oder das Frühstück. Das Brod wird oft trocken, oft mit etwas 
Zahm, oder wie es immer heißen möge, für den Menschen Gift Butter genossen, darin bin ich noch nicht zu einer festen 
— Ge- Bewohnheit gekommen. Entbehrlich ist die Butter jedensalls 
treide angewiesen ist. Fleischspeisen tödten uns nicht unter — kann man sie gut haben, so mag man sie des Wohl— 
den heftigsten Konvulsionen, wie die Bouillon das Kanin- zeschmacks wegen genießen, so lange man gesund ist. Kommt 
chen; einzelne unter uns sind sogar kräftig genug, 80 Jahre iber einmal eine kleine Erkältung oder dgl. vor, so wird so⸗ 
dabei gesund zu bleiben, die größte Mehrzahl aber geht da- dort die Butter weggelassen als schädlich. Dann ist nach ein 
bei langfam und sicher vor der Zeit zu Grunde. — Soll- oder zwei Tagen wieder Alles in Ordnung, denn tiefere 
ten die Arbeiten des Herrn Dr. Emmerich dazu beitragen, Krankheit kann bei dieser Lebensweise gar nicht aufkommen. 
diese Erkenntniß fördern zu helfen, so hätten sie allerdings Mittags giebt es ein Gericht, aber die Möglichkeit 
nicht nur der Wissenschaft, sondern auch dem Leben und der der Abwechslung ist endlos. Da sind zuerst die Kartoffeln 
Menschheit einen wesentlichen Dienst geleistet. in allen möglichen Zubereitungen: dann die Gemüse: Kohl, 
Rüben, Wurzeln, Spinat, grüne Bohnen u. s. w. für sich, 
oder mit Kartoffeln, oder mit Obst; daun die Hülsenfrüchte: 
Erbsen, Bohnen, Linsen und deren mannigfachste Zusammen⸗ 
etzungen und schließlich die Cerealien: Graupen, Grütze, Reis 
md die Legion der Mehlspeisen mit allen Sorten Obst, roh 
der gekocht. — Ob Eier zulässig sind oder nicht — das 
nag einstweilen eine offene Frage bleiben; daß sie für eine 
gzesünde Ernährung entbehrlich sind, steht fest — aber 
ich halte sie für Gesunde nicht schädlich und gestatte gern 
Eierkuchen, Kartoffel-Puffer, und an Sonn- oder Festtagen 
als zweite Schüssel einen Reiskuchen, Obstkuchen oder sonstige 
Leckerei, die mit Eiern bereitet ist. — Auch über die Zu— 
hereitung der Gemüse gehen noch die Meinungen auseinander, 
in meinem Hause werden sie mit Butter bereitet; Andere 
oerlangen, sie sollen nur in Wasser gekocht werden, das 
Wasser aber nicht abgegossen, sondern genügend abgedampft, 
Wie man ohne Fleischspeisen lebt. 
Die Idee, daß es fast unmöglich sei, ohne Fleischnah— 
rung zu existiren, steckt merkwürdig fest in den Menschen, 
wenigstens in den Städtern. Noch hat fast ein Jeder, mit 
dem ich in Gespräch über die natürliche Lebensweise gekom— 
men bin, gefragt: „Aber das geht ja gar nicht, wie fangen 
Sie das an?“ Darum muß ich auch wohl meinen Lesern 
die höchst einfache Sache ausführlicher erklären. 
Wenn man (versuchsweise oder dauernd) zur natür— 
lichen Lebensweise übergehen will, so kann es ohne irgend 
welchen Schaden plötzlich geschehen. Das hat die Erfahrung 
aller Orten bewiesen, auch bei mir hat sich's bestätigt. Als 
ich im August vorigen Jahres den Entschluß faßte (aus 
Gründen, die hier unerwähnt bleiben können), ging ich sofort 
zum strengsten Verhalten über. Ich stellte meine Pfeifen 
fort, verschenkte Taback und Cigarren, verbat mir Kaffe, 
warmes Essen und Thee und genoß am Morgen, Mittag 
und Abend nur Schrotbrod, Obst und Milch. Ich war vor— 
* v 
*) Die arme Kranke hatte uur wenige Tage auf der Waid zuge— 
bracht; sie litt an unheilbarer Lungentuberkulose. 
Der Herausgeber.
	        
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