Volltext: Der Naturarzt 1869 (1869)

rieth darüber in zeitweise Verzweiflung und war zu Nichts 
zu bringen als zu Bauchumschlägen und Klystiere. Die Be— 
forgniß war auf's Höchste gestiegen, da seit dem 9. kein Urin 
erfolgt, also Urämie eingetreten war. Der 12. verging ebenso 
ohne den geringsten Urinabgang unter stetem Schleimauswurf 
mit blutigem Eiter, wornach der Patient am selbigen Tag 
um 8 Uhr Abends verschied. 
Seine Frau, die gleichzeitig bettlägerig war, allöopathisch 
behandelt wurde und auch schon mit halben Füßen im Grabe 
war, verschied in Folge Altetation über dieses Ereigniß am 
13. um 4 Uhr Morgens. 
Ich hatte es in ersterm Falle unfehlbar mit dem letzten 
Ausgang einer voraufgegangenen vieljährigen und nach und 
nach bis zur Unheilbarkeit vorgeschrittenen Entartung der Leber 
zu thun. Nichts desto weniger leistete die Naturheilweise selbst 
n diesem Falle noch Alles, was unter solchen Umständen 
aur verlangt werden konnte, sie milderte die letzten dem Tode 
vorgängigen stürmischen Erscheinungen in der wünschbarsten 
Weise und erleichterte dem Sterbenden sichtbar den endlichen 
Hinausgang. 
Stndien über Gesundheit und Krankheit. 8) 
Von Alfred v. Seefeld. * 
J. 
Warum ich schreibe. 
Daß die Gesundheit das höchste irdische Gut sei, wird 
Niemand bestreiten. Ich habe das schon in den Jünglings— 
jahren erkannt und habe stets gesund und der Gesundheit 
geinäß gelebt. Ich habe auch gewirkt in meinem Kreise und 
habe 2ô Jahre lang fast jede freie Stunde benutzt, mit der 
Jugend zu turnen, zu wandern, zu schwimmen, wilde Spiele 
zu fpielen und den Sinn für Abhärtung und Einfachheit zu 
wecken. Ich hoffte, das werde genügen und ich bedauerte die 
Menschen, die sich über ihr Befinden, über ihr Essen und 
Trinkeun u. dgl. nur eine Minute Kopfbrechens machten. Es 
hat leider nicht genügt, und trotzdem ich weniger gefehlt als 
lausend Andere, habe ich schwerer büßen müssen. Ich habe 
Weib und Kind erkranken sehen, ich habe die beste Hülfe 
oergebens angerufen — ich habe sie müssen zu Grunde gehen 
sehen ohne Hülfe, ohne Rettung. 
So bin ich denn wieder allein, doch gottlob nicht ganz 
bereinsamt — noch hat mir Gott ein blühendes Söhnchen 
gelassen. — Zunächst seinetwegen studire ich jetzt ausschließ⸗ 
lich die Gesetze des Menschenlebens, um wo möglich etwas 
Klarheit zu bekommen über so viele dunkle Fragen, um wo 
möglich den rechten Weg zu finden. Ich spreche viel mit 
Aerzten und erfahrenen Männern, ich korrespondire mit Gleich⸗ 
firebenden in der Ferne und was in der Literatur über die 
betreffenden Fragen erscheint, läuft durch meine Hände. Da 
höre und lese ich vielfach Interessantes. 
Aber soll ich darum auch schreiben? Man sagt, es werde 
Niemand durch die Erfahrung Anderer belehrt — es müsse 
Jeder seine eigenen Erfahrungen machen. Es wird auch nicht 
an Mißdeutungen fehlen, daß ich Unberufener meine Weis⸗ 
heit öffentlich zu Markte trage. Und doch — es sei! — Zu— 
*) Unsere Leser werden es uns gewiß danken, daß wir die nachfol— 
genden Abhandlungen, die ursprünglich in dem „Hannover'schen Unter⸗ 
haltungsblatt“ Veröffentlichung erhlelten, in unserm Blatte zu allgemei— 
nerer Verbreitung bringen. Der Herausgeber. 
nächst, denke ich, gibt es immer einzelne Menschen, welche 
zufällig in die Nähe des Weges gerathen sind, den ich jetzt 
— ein Fingerzeig genügt, um 
hnen Sicherheit und Festigkeit zu geben. — Dann wünsche 
ch aber auch nicht, nur zu geben, sondern auch zu empfangen. 
Mögen meine Ansichten Widerspruch finden, gern will ich 
Lernen von Jedermann, bei jeder Gelegenheit. Kurzum: ich 
vünsche anzuregen, ich wünsche möglichst Viele zu veranlassen, 
elbst zu beobachten, selbst zu denken, selbst Erfahrungen zu 
ammeln und mitzutheilen. J 
Das Feld ist groß; was dient nicht Alles zur Gesund⸗ 
jeit, was kann nicht Alles Krankheitsurfache werden! Essen 
uind Trinken, Ruhe und Arbeit, Luft und Licht, Kleidung 
ind Gewöhnung, Abhärtung und Verweichlichung. Sage Nie—⸗ 
nand, daß für alle diese Dinge die Wissenschaft längst das 
echte Maß gefunden. Im Gegentheil — über keine, anschei— 
ieud noch so einfache Frage herrscht Gewißheit — Alles ist 
ioch schwankend und ungewiß — das bekennen selbst die 
zrößten und bedeutendsten Vertreter der Wissenschaft. 
Als erste Hauptbedingung, um gesund zu leben und um 
oon Krankheit sicher zu genesen, glaube ich erkannt zu haben, 
daß es geboten sei, jeder Nahrung vom getödteten 
Thier zu entsagen. Sei es Braten oder Brühe, Wurst 
oder Schinken, es ist Alles verderblich. Der Mensch ist nach 
einer ganzen Natur auf Früchte angewiesen, auf Getreide, 
Obst, Kartoffeln und andere mehlige oder saftige Pflauzen⸗ 
heile. — Der Mensch kann von Fleisch leben, das sehen 
vir täglich, aber es ist gegen' die Natur und darum 
chädlich. — Das müssen wir wieder einsehen lernen und 
ie entgegengesetzte Lehre müssen wir als die verderbliche 
Irrlehre erkennen, wenn wir uns und unsere Kinder gesund 
in Leib und Seele erhalten wollen. - 
Den Beweis dieses Satzes kann ich hier nicht aus— 
uͤhten, das erfordert ein ganzes Buch und liegt in den Bü— 
hern von Theodor Hahn und Eduard Baltzer vor. 
—Ich bin erbötig, die Bücher Jedem zu leihen, den die 
Sache theoretisch interessirt. Praktisch steht so viel fest, 
daß der Uebergang zur— natürlichen Lebensweise keine Ent— 
ehrung bringt, denn man ißt sich wohlschmeckender satt wie 
ruͤher, und daß sich die guten Folgen in jedem Falle 
dewahrheiten. Wahr ist Alles, so weit ich bis jetzt ge— 
ehen und gehört habe, was die Wortführer des vegetariani— 
chen Prinzips: Graham, Lambe, Trall, Hahn, Baltzer u. A. 
»chaupten — unwahr und hinfällig sind die Einwendungen 
der Gegner. U 
Wohl sind es erst 14 Monate, daß ich mit Kind und 
Hausgenossen die natürliche Lebensweise angenommen und 
une gehalten. Doch möchte ich zur frühern Weise nicht zu— 
eückkehren und ich theile die frohe Zuversicht, in welcher 
Baltzer schreibt: Wir reden als Laien, die ihre eigene 
Zaut zu Markt tragen, falls sie Unrecht haben. Unser Bei⸗ 
piel, unser Erfolg an uns selbst ist die Instanz, welchebwir 
inrufen zu Nutz Aller, die ihre eigene Gesundheit lieb ha en. 
Wir können nicht mehr wider die Wahrheit, nachdem wir sie 
erkennen gelernt. Wenn wir schwiegen, „würden die Steine 
schreien“. Rechts und links an unserm Lebenswege sahen wir 
sd viele Unglückliche schon frühe vollenden an so vielen selbst— 
vberschuldeten Leiden! Wir selbst litten hart mit und büßten 
es schwer. Da wir nun den bessern Weg kennen, warum 
sollten wir ihn nicht Jedermann zeigen?
	        
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