Volltext: Der Naturarzt 1869 (1869)

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Als unbedingte Vorfrage zu dem Ganzen erachten wir 
nun die volle Erkenntniß der ohne Merkur nicht heilbaren 
Syphilisformen, und weil uns solche bisher unter 
zwölftausend Syphilitischen im k. k. Krankenhause 
Wieden nicht vorkamen, so wenden wir uns an alle 
Fachmänner mit der Bitte um Bekanntmachung derselben. 
Dieses unser Ansuchen an alle Kollegen dürfte in dem hohen 
wissenschaftlichen Interesse der Sache seine Berechtigung 
finden und die Beantwortung unserer Frage dürfte jenen 
Fachmännern keine Schwierigkeit bieten, welche von der Schule 
aus jene Formen täglich besprechen, für welche sie die mer— 
kurielle Heilmethode im Prinzipe angezeigt finden. Es er 
scheint ja nur als ein logischer Zusatz, daß, wenn beispiels 
weise jüngst bei einer Verhandlung die Professoren Heiß! 
und Sigmund erklärten, daß es allerdings einzelne Fälle 
von Syphilis gebe, welche ohne Merkur zu heilen 
sind; die Syphilidologen (Aerzte, die sich vorzugsweise 
mit der Syphilis befassen) auch jene Formen oder Fälle zu 
bezeichnen vermögen, welche ohne Merkur nicht zu 
heilen sind — — — 
Wien, am 14. Juli 1867. 
Dr. Fos. Hermann, k. k. Primararzt.“ 
Wir fügen hier noch nachträglich eine Zusammenstel— 
lung von mit und ohne Merkur behandelten Syphiliserkran— 
kungen an, wie sie Dr. Jos. Her mann in einem Vortrage 
in der Kommissionssitzung vom 22. Juli 1867 in Wien 
veröffentlichete. 
Demnach entfielen von 100 Geheilten 
im k. k. allgem. im k. k. Kranken⸗ 
Krankenhause hause Wieden 
mit Merkur ohne Merkur 
behandelten behandelten 
8,86 26,80 
25111 49,86 
345 239,29 
24,18 13,40 
über 3 16258 750 
Dr. Jos. Hermann bemerkt dazu: „Diese Ziffern 
sprechen hinlänglich für die unbedingt kürzere Heilungsdauer 
bei der Behandlung der Syphilis ohne Merkur, und es 
erhält ein solches Resultat bei diesem Vergleiche einen noch 
groͤßern Werth dadurch, daß sich unter den 1286 im k. k. 
aͤllgemeinen Krankenhause mit Merkur Behandelten nur 367, 
oder 28,53 0/0, unter den 373 im k. k. Krankenhause Wieden 
ohne Merkur Behandelten aber 130, also 34,85 0/0 mit so⸗ 
genannter konstitutioneller (tertiärer) Syphilis Behaftete be— 
fanden; die sogenannte allgemeine oder konstitutionelle Lust—⸗ 
seuche bedarf aber bekanntlich einen viel größern Zeitraum 
zur Heilung, als die primären Affektionen. 
Ueber die Impfung. 
J. 
Es ist ein vielsagendes und wohl zu beachtendes Zeichen 
der Zeit, daß auch intelligente Laien in einer rein medizi— 
nischen Streitfrage ein Wort mit darein zu reden sich be— 
müßigt fühlen, die, sollte man glauben, schon längst zur Ehre 
der Vernunft und zum Heile der Menschheit von ihren 
fompetenten Schiedsrichtern allein abgethan sein sollte: ich 
meine das verrottete Institut der Impfung, die von dem 
Herrn Grafen Zedwitz treffend als eine Giftwirthschaft be— 
Lichnet wurde. Eine solche ist sie auch leider — man muß 
z8 nur unverhohlen gestehen — in der That in Anbetracht 
der unseligen Folgen, die diese unheilvolle Einrichtung im 
Allgemeinen nach sich zieht. Warum aber, muß man sich mit 
Recht fragen, im altgewohnten Fahrwasser sich so behäbig 
fortbewegen? Warum unaufhörlich das Phantasiestück eines 
Arztes nachäffen, dessen Grundhaltigkeit und Unantastbarkeit 
bisher durch keine wissenschaftlichen Prinzipien nachgewiesen 
worden? Man kann nicht umhin, als aus gewissen Gründen 
anzunehmen, daß die Impfung nur deswegen bei einzelnen 
illern Aerzten so sehr im Ansehen steht, weil gewisse alte 
Leute, die nicht selten auch in geistiger Beziehung zu altern 
scheinen, sich überhaupt nur schwer von ihren alten Gewohn— 
heiten und Gepflogenheiten zu trennen vermögen, ohne sich 
auch nur einmal ernstlich zu fragen, warum sie es thun. 
Was mit ihnen aufgewachsen, und was sie von jeher geübt 
haben, ist ihnen heilig, und soll nach ihrer intoleranten An— 
ficht auch Andern als das allein Wahre und Seligmachende 
heilig sein, unbekümmert um die Ueberzeugung Anderer, die 
rechtlicher Weise doch auch ihnen heilig sein sollte. Unsere 
Zeit aber, die heilsame Zerstörerin alles Veralteten, Verrot⸗ 
Aten und Unhaltbaren, hat in so mancher Beziehung gründ⸗ 
lich dargethan, daß dieser Standpunkt, Fragen der Zeit zu 
enischeiden, ein längst überwundener sei. Heutzutage gilt bei 
aAllen Vernünftigen in jedem Fache der allein wahre und 
richtige Grundsatz: „Prüfe, und dann urtheile und handle.“ 
Und in der That, prüft man mit gesundem Verstand und 
rei von Voruͤrtheilen den Vorgang der Entstehung der 
Impfung, ihren Verlauf und ihre Wirkungen, so kann man 
sich nicht erwehren, darüber zu staunen, wie eine so verderb— 
liche und unheilvolle Institution, die wie die Impfung die 
Gesundheit und das Leben des Menschen auf so verschiedene 
Weise angreift und gefährdet, überhaupt nur in's Leben 
reten, und wie ein solcher Unfug und gesetzlich anerkannter 
Akt der Charlatanerie, der allen gesunden Ansichten und Prin— 
ipien der Wissenschaft so triumphirend hohnspricht, unter 
den Augen so wissenschaftlicher Größen, wie sie heutzutage 
die Medizin aufzuweisen hat, und die doch sonst in allen 
Zweigen derselben mit allem Veralteten und Unhaltbaren so 
Fründlich aufzuräumen wußten, sich immer mehr ausbreiten 
und seine zerstörenden und vernichtenden Wirkungen unter 
der Menschheit fortan ungescheut und ungestört ausüben 
onnte und durfte. — Jedermann, der auch nur einen Dunst 
von Physiologie und von den organischen Prozessen des mensch— 
lichen Koͤrpers hat, wird wissen, daß der thierische Organis— 
mus in einemssteten Rekreationsprozesse, in einem 
mmerwährenden Orydations⸗ und Desorydationspzozesse be⸗ 
griffen ist, und daß ein und dasselbe Stoffatom in der kür— 
zesten Zeit durch die stetig vor sich gehenden Se⸗ und Erx⸗ 
kretionen entweder gänzlich umgewandelt oder wieder 
ausgeschieden wird. Dasselbe ist der Fall mit dem Impf— 
stoffe. Es ist außer allem Zweifel, daß der Impfstoff nur 
so lange im kindlichen Körper vorhanden, als er 
in demselben seine Wirkung äußert, und daß die 
Ansicht, der Impfstoff bleibe latent im Körper, und könne 
als solcher erst nach Jahren seine Wirkung äußern, eine 
vollkommene Ehimäre sei — daß aber die Wirkung des Impf—
	        
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