Volltext: Der Naturarzt 1869 (1869)

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Gehirns, der Lungen, der Leber, der Nieren 2c.) handelt, 
sind wir begreiflicher Weise ganz und gar auf die Wahr— 
scheinlichkeit hingewiesen. Niemals kann man die Syphilis 
innerer Organe mit Bestimmtheit nachweisen, da die Er— 
scheinungen, welche sich hier ergeben, sich von denen, welche 
eine andere Erkrankung derselben Organe erzeugt, gar nicht 
unterscheiden. — — — 
Die Therapie der Syphilis ist eine ganz klar be— 
stimmte, (2) Gegen die lokale, die primitive Syphilis (das 
ursprüngliche Ansteckungsgeschwür) nützt nur die Zerstörung 
des syphilitischen Geschwürs; da muß geätzt werden und zwar 
am fichersten mit Höllenstein. Wenn die Aetzung rasch genug 
vorgenommen wird, wenn man nicht eine gewisse Zeitfrist 
versäumt, so kann allerdings durch die Zerstörung der ür— 
sprünglichen Erkrankung die Verbreitung der Syphilis im 
Organismus hintangehalten werden. Ein solcher Schutz 
ist jedoch niemals sicher; allerdings ist es gewiß, daß 
sich die Syphilis von der zuerst erkrankten Stelle aus nur 
allmälig auf den übrigen Körper fortsetzt; aber die Zeit, in 
der sie sich verbreitet, ist bei verschiedenen Individuen ver— 
schieden; bei manchen geschieht dies erst nach einigen Tagen, 
bei andern schon in wenigen Stunden. — — — 
Wenn einmal eine primäre Erkrankung besteht, so läßt 
sich der Ausbruch der sekundären, wenn derselbe nicht durch 
Aetzung verhindert wurde, durch kein Mittel hintanhalten. 
Die Anwendung des Merkurs oder der Jodpräparate zur 
Verhütung der sekundären Syphilis scheint ganz 
und gar fruchtlos zu sein und es ist gerathener, nach der 
Anwendung der lokalen Mittel namentlich der ätzenden, kein 
Merkurial⸗ oder Jodpräparat in Anwendung zu ziehen, son— 
dern geradezu abzuwarten, ob eine allgemeine Syphilis ent—⸗ 
stehen wird oder nicht. Ist eine solche eingetreten, dann hat 
man freilich an den Merkur- und Jodpräparaten sehr wirk— 
same (2) Mittel zur Bekämpfung dieses Zustandes. (Man 
sehe und vergleiche hiemit das in Nr. 24 des vorigen Jahr— 
—— 
die Wirkung dieser Präparate nicht ganz bestimm⸗ 
und sicher, man muß in jedem einzelnen Falle mir 
ihnen gleichsam experimentiren, und durch die Beob— 
achtung erst die richtige Anwendung, die richtige 
Methode treffen. (Jeder neue Kranke also sich zu einem 
neuen waghalsigen Experimente hergeben — der Herausg.). 
Die Thätsache, daß eben die Therapie in dieser 
Beziehuͤng keine ganz bestimmte ist, ist der Grund, 
daß so vielfältige Behandlungsmethoden aufge 
stellt worden sind. Der Eine findet in der Einreibungs 
kur das Richtige, der Andere in der Anwendung des Ka— 
lomel, der Dritte im Sublimat, der Vierte im Zittmann'⸗- 
schen Decoct*) u. s. w. Das Wahre ist, daß jede dieser 
Methoden für den einzelnen Fall ihre Vorzüge hat; selbst 
die größte Erfahrung, die ein Einzelner machen kann, ist 
nicht im Stande, darüber Klarheit zu geben, welche Me— 
thode man in einem bestimmten Falle wählen soll. In der 
Mehrzahl der Fälle wird aber jede der genannten Methoden 
ein günstiges Resultat liefern und es sind nur einzelne 
Kranke, für die eben eine ganz bestimmte unerläßlich ist. 
Mit Bestimmtheit kann ein Erfolg niemals erwartet werden. 
*) Einreibuugskur, Kalomel, Sublimat sind verschiedene Anwen⸗ 
dungsformen, beziehungsweise Zusammensetzungen des Quecksilbers. Zitt⸗ 
mann'sches Decoct wirkt schweiß⸗ und harntreibend. 
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Merkur scheint wirksamer zu sein, als Jod und dieses scheint 
sich nur wirksam zu erweisen, wenn Merkurpräparate schon 
angewendet worden sind) — — — —. 
Man ist niemals sicher, die Syphilis getilgt zu ha— 
hen. Wenn die Zufälle derselben durch irgend eine 
Kur sich verlieren, so ist noch nicht gewiß, daß sie 
auch geheilt sei. Bei manchen Individuen reicht eine solche 
Inunktions- oder Schmier-⸗) Kur (mit Quecksilbersalbe) 
zus, um die Syphilis zu beseitigen; aber es giebt un— 
zlückliche Konstitutionen, von denen sich, ohne daß 
vir wissen warum, die Syphilis gar nicht ver— 
treiben läßt; sie kehrt immer wieder. Ja es mag viel— 
leicht Menschen geben, bei denen sie ganz unheilbar ist **); 
nan kann bei ihnen die syphilitischen Zufälle nur für einige 
Zeit dämpfen. Diese letztere Erfahrung ist nicht als ein Ar— 
sument anzusehen, daß etwa die Behandlung mit Merkur 
oder Jod nicht unwirksam sei. Die Anzahl der Kranken, welche 
zurch Merkur oder Jod gar nicht geheilt werden, ist nur 
sehr klein. Es frägt sich, wie groß ist die Anzahl jener 
Zranker, welche ohne Jod oder Merkur von der Syphilis 
befreit werden? Hier muß man nun unterscheiden; ob man 
es mit primärer Syphilis oder mit der bereits allgemein 
gewordenen, mit der sekundären, zu thun hät. Von der pri— 
nären werden sehr viele Menschen ohne Jod und Queck— 
sil bersss) und selbst ohne Aetzmittel geheilt; in andern Fäl— 
len kommt es allerdings zur Infektion (zur Durchseuchung, 
zu sekundären Erscheinungen), es bilden sich Bubonen (Leisten— 
Früsengeschwülste), aber darüber hinaus geht die Krankheit 
aicht. Es kommt nicht weiter zu einem syphilitischen Haut— 
zusschlage, zu einer Ulceration (Geschwürsbildung), im 
Schlunde, zu einer syphilitischen Beinhautentzündung u. s. w. 
Solche Fäule existiren auch und es ist kein Zweifel, daß 
anch hier ohne Anwendung von Merkur oder Jod die Hei— 
lung inöglich ist. Endlich gibt es auch Fälle, wo die Sy— 
phiůs allerdings noch weiter geht und ein syphilitisches Exan— 
hem (Hautausschlag, Hautgeschwür) heranbildet. Es kann 
nun geschehen, daß sich mit diesem die ganze Reihe der sy— 
philitischen Erscheinungen abschließt; die Syphilis hört auf, 
iachdem das Exanthem einige Zeit bestanden hat. Das sind 
Fälle, die ebenfalls ohne Merkur und Jod ge— 
Jeilt werden können, und namentlich wird gesagt, daß 
bies durch Anwendung von Bädern erreicht wird. Es ist 
aus der Geschichte bekannt, daß Benvenuto Cellini, 
nachdem er lange Zeit von vielen Aerzten behandelt wurde, 
alle Medikamente berwarf und badete und so Heilung fand. 
Wir werden diesen Fall nächstens nach der Göthe' schen 
Uebersetzung bringen, möchten jedoch unsern geehrten Herren 
*) Man vergleiche mit diesem endschließlichen höchst kläglichen Dop⸗ 
pel⸗-Schein das anfängliche höchst prahlerische Ganz-kl ar⸗bestimmte 
in der Therapie. So widerspruchsvoll indeß wie unser berühmter Scoda 
Jier, sind'alle unsere Therapeuten, groß ünd klein, ja wie aus einem 
Munde, in einem Hauche. —8WM 
Der Herausgeber. 
*x) Professor Scoda hätte sich bescheiden ausdrücken sollen: mit⸗ 
tels Quecksilber. Möglicherweise wären diese unheilbaren Fälle gerade 
diejenigen, wo sich die Prof. Herrmann 'sche oder die naturgemäße 
Heilweise am glänzendsten bewähren würde. 
Der Herausgeber. 
x) Warum denn aber in allen Fällen und immer vorweg Merkur 
und Jod ꝛc.? 
Der Herausgeber.
	        
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