Volltext: Der Naturarzt 1869 (1869)

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zbherwunden worden. Möͤge man in dergleichen Fällen nie Ihm wurden Weste, Tuch, Mütze und Rock angezogen, dar— 
lerzweifeln, sondern ruhig Umschläge versuchen; sie helfen uf das gesunde Bein in die eine Hose gesteckt und die an— 
och immer zuletzt, sobald man nur energisch verfaäͤhrt. Ein dere um den Magen gewickelt. Der gesunde Fuß trug Strumpf 
zeruhigendes Halbbad führt gleichfalls stets zum Ziel. Höchst ind Stiefel, der kranke aber in Watte und in ein wollenes 
vichtig ist es auch immer, für Wärterinnen mit frischen Tuch gehüllt. Darauf wird der Patient in und aus dem 
dräften zu sorgen, weil sie bald ermüden und ihre Energie Schlitten in derselben Weise wie beim Baden getragen. 
erlieren; sie müssen daher öfter gewechselt werden. Fami- Pelze und Schlittendecken, die vorher über den Schlitten ge— 
sienmitglieder sind wieder meist gar nicht zur Pflege zu ver- dreitet sind, werden zuletzt vorsichtig um den ganzen Körper 
venden, sobald es langwierige Krankheitsfälle gilt, weil die geschlagen. 
Verzweiflung über den Zustand des Patienten ihre Kräfte Die Arbeit des Organismus im Körper scheint ver— 
erschöpft, die außerdem in Folge von Nachtwachen und der (hiedener und mehrfacher Art zu sein: erst bildet sich ein 
m Hause herrschenden Unruhe genugsam in Anspruch ge- dunkelgefärbter Eiter, der sehr scharf und den Zweck zu haben 
nommen werden. — scheint, die wegzuschaffenden Theile aufzulösen; nachdem dies 
Unm dem kranken Kinde die Zeit zu vertreiben, so lange kine Zeit lang gedauert, wobei auch Schmerzen vorkommen, 
seine Schwäche keine ernstere Beschäftigung erlaubt, habe ich vechselt die Farbe des Eiters. und wird theils grün, theils 
s8 Schnüre drehen lassen, welche später für ihn verkauft veiß; letzterer Eiter scheint wiederum zum Zweck zu haben, 
werden. Diese Arbeit interessirt ihn sehr, besonders da sie die aufgelösten Theile wegzuführen mit Hülfe von Wasser, 
seine Sparbüchse ganz nett füllt. Einige Stunden täglich »as sich zu dieser Zeit in Menge in den kranken Theilen 
darf er auch Bücher mit deutlichem Druck lesen . dildet. Darauf tritt einige Ruhe ein, wonach der Körper 
Eine eigenthuͤmliche Erscheinung ist der Umstand, daß nit derselben Arbeitsordnung beginnt. Dasselbe findet in 
zie Nägel des Patienten während der Krankheit dünn wie egelmäßigen Perioden statt. Wer den Patienten pflegt, 
Postpapier und spröde geworden sind, so daß sie in allen noͤge sich nur vor dem scharfen, beißenden Eiter hüten, denn 
Richtungen sich spalten. Dies sowie das Ausgehen des Haares er verursacht schwere Wunden und Schmerzen bei denjenigen, 
dürften am besten die scrofulöse Diathesis des Patienten die damit in Berührung kommen. 
eweifee. — Am 16. Januar 1869 öffneten sich wieder zwei neue 
— Außer der von Zeit zu Zeit sich einstellenden, von Löcher (das 9. und 10.) am Widerrist, nach längeren Schmer— 
Schleim und Blut begleiteten Wasserdiarrhöe, welche einige zen, und entleerten Eiter, wobei— Vertiefungen in ihrer Um— 
Tage bis einige Wochen dauert, zeigt sich bisweilen Schmerz, Jebung zum Vorschein kamen. Dagegen war die Drůsen⸗ 
Brennen und Röthe auf der inneren Seite des Kniegelenks, jeschwulst unter dem Kinn ganz geheilt. Weil ich befürchtete, 
vobei eine der geheilten Wunden am Knie sich öffnet, Eiter das Ausfahren hätte eine schädliche Störung in dem kranken 
ausspeit und darauf sich von Neuem schließt. Auch aus dem Bein hervorgebracht, habe ich die Fahrten ganz eingestellt. 
Kinn dringen wieder Knochensplitter hervor. Am 10.. März öffnete sich wiederum eine neue Wunde 
In der Nacht vor dem 27. Dezember litt der Patient die 11) an der Tibia unterhalb des Knies. Uebrigens hat 
in so heftiger Diarrhöe, daß im Magen Krämpfe und starkes der-Patient sich lange Zeit ungewöhnlich gut befunden. Er 
Erbrechen sich einstellten; dabei gingen reichlicher Schleim, hat täglich den ganzen Winter hindurch gebadet: Halbbäder 
Eiter und Blut ab. Die Mattigkeit war so groß, daß jeden von 32 —340 6. und Uebergießungen von 2400. 
Augenblick der Tod zu erwarten war. Doch warme Umschlägé Den moralischen Muth des Knaben habe ich gesucht 
im den Leib und kleine kalte Lavements beruhigten schließlich dadurch aufrecht zu halten, zu stählen und zu kräftigen, daß 
den Patienten. cch sorgfältig jede Verweichlichung und Bemitleidung ver— 
Nach dieser Entleerung trat ungewöhnliche Besserung mieden. Vom ersten Augenblick an ist ihm stets vorgestellt 
ein. Es hatte ganz den Anschein, als ob diese Entleerungen vorden, daß das Leben ein harter Kampf ist, auf den wir 
wesentliche Krifen im Heilungsprozesse des Organismus ge- uns in der Jugend ernstlich vorbereiten müssen durch ernste 
vesen wären. Der hauptsächliche Prozeß scheint jedoch längs Entbehrungen und Leiden, sowie daß diejenigen Kinder ver— 
des geborstenen Lymphadernstamms, voin Knie längs der dren sind, welche im Leben auf „Eiderdaunen“ gebettet wer— 
nnern Seite der Tibia, bis zum Fußknöchel, vor sich zu den. Ich habe ihm die Erziehung der spartanischen Jüng— 
zehen; als Dr. Everth zu Anfang der Krankheit eine Sonde inge vorgehalten, und aus Kinderbüchern lernte der kleine 
s Loch des Lymphaderuͤstamms an der inneren Seite der patient selbst, daß die wilden Völker ihre Kinder für den 
ganieschale einführte, drang diese ungefähr eine halbe Elle dampf des Lebens durch Leiden und Schmerzen, die diejeni— 
ꝛin bis zum Fußknöchel, gerade bis zu dem Punkt, wo die jen seiner Krankheit weit übertreffen, stählen. Ich habe ihm 
Knochensäule durch einen scharfen Rand die Stelle ihres jezeigt, daß Gluͤck Schwächlinge und Feige bildet, daß es 
Aufhörens bezeichnete, d. h. wo die dunkle Hautfarbe-auf- ber gerade das Unglück ist, welches Männer und Helden 
—VV die goldenen Worte Humboldt's oft 
Von größter Wichtigkeit ist es, eine gute Lage für das viederholt: „Das Unglück ist oft ein großes und wirkliches 
kranke Bein zu finden, damit nirgends eine Spannung vor⸗ Slück, weil es uns läutert und stärkt.“ Ich habe ihm vor— 
ommt, sondern das ganze Bein und der Fuß gleichmäßig gestellt, wie tief wir die Freude nach überstandenem Unglück 
in allen Punkten ruht. Die Diät immer dieselbe; keine üühlen, und dabei öfter die Worte Goethe's citirt: 
Näschereien gestattet; drei Mahlzeiten täglich und zwischen Wer seine Nächte nie mit Thränen durchwacht, 
diesen nichts weiter als Wasser bei Durst. Der kennt Euch nicht, Ihr himmlischen Mächte! 
Am S. Januar begann ich von Neuem, den Patient Und auch wenn mein eigenes Herz blutete und vor 
224 Stunden ausfahren zu lassen, und mit gutem Erfolg. Schmerz fast brach, habe ich gesucht, mich ruhig zu zeigen
	        
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