Volltext: Geschichte der Stadt und des Gerichtsbezirkes Odrau

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fabriksmäßige Erzeugung vou Tüchern eingeführt und betrieb die Maschinen mit 
Pferdekraft. Nach dem Kommerzialausweise vom 30. März 1848 besaßen damals 
die bedeutendsten Gewerbsaustalten in Odrau: Der Tucherzeuger Josef Gerlich, der 
1 Dampfmaschine, 1 Walzeuwalke, 3 Rauh-, 1 Absetz- und 9 Strubbetmaschinen, 
4 Scherzylinder, 9 Feinspinnmaschinen, 1 Reißwolf und 20 Webstühle besaß und täg¬ 
lich 100 Individuen beschäftigte, und der Tucherzeuger Josef Zimmermann, der 
1 Dremmel, 1 Rauh-, 1 Absetz- und 7 Strubbelmaschinen, 1 Vorrichtung, 1 Scher¬ 
zylinder, 1 Reißwolf, 8 Feinspinnmaschinen und 12 Webstühle besaß und täglich 
61 Personen beiderlei Geschlechts beschäftigte. 
Der Groll der kleinen Meister gegen das Fabrikswesen erreichte seinen Höhe¬ 
punkt im Jahre 1848 und hätte z. B. in Reutitschein zur Zerstörung der größeren 
Etablissements geführt, wenn dieses nicht durch energisches Einschreiten der Ratioual- 
garde verhindert worden wäre. In Odrau begnügten sich die kleinen Meister, am 
28. August ein Hofgesuch einzubringen, worin sie um Beschränkung und Verminderung 
der Fabriksanstalten überhaupt und derjenigen insbesonders, welche mit Maschinen 
arbeiten, um eine verhältnismäßig höhere Besteuerung derselben, um Ueberlassung 
der Monturtücherlieferung an die einzelnen Tuchmacherzünfte und um die Eröffnung 
von Handelsverbindungen mit dem Auslande behufs Ausfuhr der inländischen Tuch¬ 
erzeugnisse baten. In der Einbegleitung dieses Gesuches führte der Oberamtmann an, 
daß sich hier tatsächlich viele Tuchmacher in Rot und Armut befänden, was aber 
zum Teile denselben selbst zuzuschreiben sei, da sie sich in unglückliche Spekulationen 
einließen und gegenwärtig nicht mehr imstande wären, den früher bestandenen Tuch¬ 
händlern die nötige Auswahl an Tüchern zu liefern, da sie durch die bloße Hand¬ 
arbeit die Güte und Schönheit der Ware nicht so bewerkstelligen können, wie solches 
mittelst der Maschinen geschehe. Die vermöglicheren und einsichtigen Meister hätten 
sich Maschinen angeschafft und kaufe das Publikum jetzt nur die gleichmäßig gear¬ 
beiteten Fabrikstücher. Es sei daher keinesfalls auf die Einschränkung der Fabriken 
anzutragen, sondern im Gegenteil, es wäre zu wünschen, daß noch mehr Fabriken 
errichtet würden, in welchen die verarmten Meister als Hilfsarbeiter unterkommen 
könnten. In der Erledigung vom 7. Dezember wurde den Tuchmachern mitgeteilt, 
daß es nicht angehe, den Besitzer einer Maschine in der Verwertung derselben zu 
hindern; daß die Einschränkung der Tuchmachermeister in der Ausübung ihres Ge¬ 
werbes auf einen oder zwei Webstühle nicht gewährt werden könne ; daß jeder Ge- 
werbsunternehmer ohnedies nach Maßgabe und Umfang seines Gewerbes besteuert 
werde; daß die Monturskommissioneil angewiesen seien, bei eintretendem Bedarfe 
auf die inländischen Tuchmacher Rücksicht zu nehmen und daß es Aufgabe der 
Tuchwarenerzeuger selbst sei, durch nachhaltiges Streben ihrer Industrie den mög¬ 
lichsten Aufschwung zil geben, um ihren Erzeugnissen Absatzivege in das Ausland zu 
bahnen, da jede Einwirkung der Regierung in dieser Hinsicht voraussichtlich ohne 
Erfolg bleiben würde. 
Die Weberzunft hatte ebenfalls ein Majestätsgesuch eingebracht und darin ge¬ 
beten, den Juden das Hausieren mit Baumwollwaren und Leinenzeugen und den 
Gemischtwarenhändlern den Verkauf jener Waren, welche die Odrauer Weber erzeugen, 
zil untersagen. Die Gemeinde selbst faßte den Beschluß, den Juden gegen einen jähr¬ 
lichen Zins von 100 fl. C.-M. den Bezug der Odrauer Wochenmärkte zu gestatten, 
ihnen jedoch ausdrücklich zu untersagen, solche Waren zu führen, welche von den 
Odrauer Webern erzeugt werden, und dawiderhandelnde Juden abzuschaffen. Inder 
Erledigung ihres Gesuches wurde den Webern gesagt, daß bei der in Voraussicht 
stehenden Regulierung des Gewerbs- und Handelswesens auf ihre Bitte Rücksicht ge¬ 
nommen werden würde, daß jedoch bis dahin die bestehenden Einrichtungen aufrecht 
zu bleiben hätten. Was die angesuchte Einstellung des Schnittwarenhandels anbelange, 
so könne in dieser Hinsicht auf sie keine Rücksicht genommen werden. 
Welche Wandlungen die Tuchindustrie von 1845 bis 1853 in den Städten 
Schlesiens durchmachte, zeigt folgende Tabelle:
	        
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