Volltext: Geschichte der Stadt und des Gerichtsbezirkes Odrau

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Meierhofe befindlichen alten Schafstall Herrichten und eröffnete dort am 16. Dezember 
1769 einen neuen herrschaftlichen Schank, „zum Mondschein" genannt. 
Vier Tage darauf sandte er dem Bügermeister und Rat folgendes Dekret: „Es 
ist jedermann bekannt, lute wenig Vortheil und Nutzen die gesammte Stadtgemeinde aus 
den zwei ihr zuständigen und ansehnlich scheinenden Regalien des Wein- und 
Salzhandels beziehe, daß solcher nur unter einige wenige sich vertheile und denen 
Jndividnis nicht einmal soviel zukommt, als diese jährlich an diesfälligen Zinsen in 
die obrigkeitlichen Renten abzuführen schuldig wären. Gleichwie nun aber eine so 
geartete schlechte Verwaltung der städtischen Einkünfte längerhin nicht gleichgiltig an¬ 
gesehen werden könnte, also wird anbefohlen, alsogleich eine öffentliche Licitation aus¬ 
zuschreiben mit Termin zum Pachten auf 12 Jahre." Da sie sich dessen weigerten, 
so erwirkte er einen Befehl des Landesältestenamtes, worauf am 21. März 1770 
durch Franz Ignaz Ritter von Görlich, der röm. kais. Majestät Rat, Assessor bei der 
k. k. Fundations- und Hospitalar-Haupt-, dann der k. k. Polizei-Kommission und 
Landesältesten der vereinigten Fürstentümer Troppau und Jägerndorf, die öffentliche 
Versteigerung vorgenommen und der städtische Weinschank und dessen Handel dem 
wein- und bierschankberechtigten Ringsbürger August Brustmann gegen eine jährliche 
Zahlung von 172 fl. verpachtet wurde. Dieser mußte sich verpflichten, statt der 
früheren mißbräuchlichen Einführung, dem Magistrate alle sechs Wochen eine Gratis¬ 
mahlzeit zu geben, in Hinkunft demselben alle Monat zur Erprobung des Weines 
zwei Quart Kostwein zu reichen und den Wein in guter Qualität, in zimentierten 
Gefäßen und um einen der Qualität entsprechenden Preis zu verkaufen. Allein diese 
Maßregel hatte für die Stadt keinen Vorteil im Gefolge, im Gegenteil, während die 
Stadt der Herrschaft nach den städtischen Rechnungen von 1772—1777 das jährliche 
Weingeld von 140 fl. abführte, betrug die Einnahme aus dem verpachteten Wein¬ 
schank durchschnittlich nur 100 fl. 37 kr. 
Am 2. Juli 1770 erlaubte der Graf allen Untertanen jener Dörfer, in welchen 
er das Bierschankrecht besaß, in allen Schenken, auch wenn diese zur Stadt gehören, 
zu trinken, zu tanzen und sich zu belustigen, ohne sich von der Herrschaft einer Be¬ 
strafung auszusetzen, wogegen aber auch weiterhin die Einschleppung fremden Ge¬ 
tränkes in Krügen, Kannen oder anderen Gefäßen verboten war. Einen Monat 
später ließ er bekanntmachen, daß das von ihm neu erbaute Wirtshaus in der Zieb 
„zum weißen Stern" an der Fulneker Straße zum Verkauf ausgeboten werde. Dort 
entstand dann die Kolonie Sternfeld. Gleichzeitig wurden die Gemeinden Neu¬ 
dörfel und Werdenberg gebildet. Auch die auf den Gründen des Bleich-, Möhren-, 
Kirschen-, Blumen- und Irr- oder Schneckengarten und die bei der Schloßmühle er¬ 
bauten Häuser, die Kleinseite und Schloßseite, faßte er zu einer Gemeinde zusammen 
und gab ihr den Namen Neumark. Damals hatte Odrau mit den Vorstädten 349, 
Mankendorf 76, Petersdorf 31, Heinzendorf 61, Wessiedl 60, Dobischwald 48, Lautsch 
61, Jogsdorf 32, Kleinhermsdorf 24, Großhermsdorf 57, Dörfl 20, Kamitz 63, Wolfs¬ 
dorf 43 und Taschendorf 43 Häuser. In der Kolonie Nenmark gab es 41, in Neu¬ 
dörfel 17 und in Werdenberg 18 bewohnte Häuser. — In diesem und dem folgenden 
Jahre herrschte eine große Teuerung. Ein Breslauer Metzen Korn kostete 9 fl., ein 
Pfund Rindfleisch 4 und 4 J/2 kr., ein Pfund Butter 6 und 7 kr. Aus Mangel an 
Verdienst konnten sich die Leute nichts ankaufen und mußten sich mit Kleienbrot, 
Waldkräutern, Wurzeln und dem Abfallblut von geschlachteten Tieren ernähren.*) 
Durch die Errichtung der herrschaftlichen Schenkhäuser „zum Mondschein" und 
„zum weißen Stern" wurden die Schankbürger so geschädigt, daß der Konsum in den 
städtischen Schenken auf ein Drittel herabsank und der Bürgerschaft der gänzliche 
Ruin bevorstand. Da beschlossen sie am 9. Oktober 1770 zwei Deputierte an die 
Stufen des Thrones zu senden und um Schutz ihrer Gerechtsame zu bitten. Kaum 
hatte dies der Graf erfahren, als er sich an höchster Stelle wegen des Unfuges und 
*) Odrauer altes Grundbuch Xlli.
	        
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