der auf die Meldung, daß keine Gebirgsausrüftung vorhanden sei, so daß sich das Bataillon
von seinen Fahrküchen nicht trennen könne, den Befehl dahin abänderte, daß nach Lentiai
zum neu aufgestellten 6V. Divisionskommando zu marschieren sei. Drei Automobile zum Weiter¬
bringen der im Pferdespital deponierten Ladungen wurden zugesagt.
Beim Weitermarsch durch Feltre mehrten sich die Zeichen allgemeinen Rückzuges. Dies
blieb nicht ohne Einfluß auf einzelne Stürmer, da und bort wurden Stimmen laut, sie hätten
nicht Lust, für die durchgehenden Ungarn ihre Köpfe hinzuhalten, doch genügte die Einwirkung
des Mjr. Ontl, um solche Gedanken zu verbannen und die Mannschaft in recht gute Stimmung
zu versetzen.
Knapp vor der Brücke bei Eesana wurde Rast gehalten. Krankenautomobile mit Offizie¬
ren und weiblichem Pflegepersonal rasten vorbei, dann kam ein Kavalleriezug, dessen Wacht¬
meister meldete, er habe in Lentiai das 6g. Divisionskommando nicht aufgefunden. Mjr. Ontl
schickte seinen Adjutanten zur Überprüfung der Nachricht voraus. Erst vereinzelt, dann in
immer größeren Gruppen kamen unbewaffnete und meist stark angeheiterte Ungarn von
Lentiai her zur Brücke, bald auch Trainfuhrwerke. Brände flammten in der Richtung Lentiai
auf. Endlich kehrte der Adjutant zurück, der das 60. Divisionskommando aufgefunden hatte,
doch meldete, baß in Lentiai alles drunter und drüber gehe. Die Depots waren gestürmt,
Häuser angezündet worden. Unverzüglich setzte sich das Bataillon dahin in Marsch und langte
um 16 Uhr abends an. Es wurde angewiesen, sich nach Herstellen der Ordnung einzuquartieren,'
am nächsten Morgen werde es vermutlich in das Gebirge weitergehen.
Sachsen-Infanterie Nr. 167 war am Bortag in Ealalzo eingetroffen, von wo es ohne
Train und Tragtiere, die mit Fußmarsch nachkommen sollten, mit Eisenbahn nach Belluno
transportiert wurde und am 28. zur Beifügung des dortigen Heeresgruppenkommandos eintraf.
Nicht zu verkennen ist, baß die Märsche und damit die Loslösung von Nachrichten aus
der Heimat bie vorausgegangenen Truppen der Edelweißdivision vor ungünstiger Beeinflussung
bewahrten und sie mitten in allen deutlichen Zeichen des Zusammenbruches ihre Pflicht in her¬
kömmlicher Verläßlichkeit tun ließen. Schlimmer waren die bei Trient zurückgebliebenen
alten Regimenter Hessen und Rainer daran. Allerlei Nachrichten stürmten auf sie ein. Man
erfuhr von ber Bildung von „Nationalräten" in der Monarchie, in Serbien sollten öster¬
reichisch-ungarische Truppen gemeutert haben. Eine unruhige, unsichere Stimmung griff um
sich. Man hörte, daß die beiden Regimenter den anderen nicht nachmarschieren, sondern mit
Eisenbahn in das Balsugana gebracht werden sollten. Ein Armeebefehl Seiner Majestät gab
am 25. bekannt, baß für die Armee nach wie vor nur der geleistete Treueid gelte. Daß eine
bisherige Selbstverständlichkeit besonders betont werden mußte, war wenig geeignet, die
Stimmung günstig zu beeinflussen. Am 26. wurde dem Regimentskommando bekannt, daß
beide Regimenter im Bereiche der 11. Armee auf der Hochfläche der Sieben Gemeinden an
Stelle der 38. Honvebdivision eingesetzt werden sollten, die gefordert hatte, in Siebenbürgen
gegen die mit dem Einfall drohenden Rumänen verwendet zu werden. Kurz darauf erfuhr man,
daß die gleichfalls in der Front stehende ungarische 27. Division die Fortführung des Kampfes
verweigert und sich gegenüber allen ilberredungsversuchen, selbst bes Heeresgruppenkomman¬
danten FM. Erzherzog Joses, ablehnend, ja sogar feindselig verhalten habe. Agitatoren wußten
all bas weidlich auszunützen und die Wirkung zeigte sich schon am 27., als das I. Bataillon
der 14er abtransportiert werden sollte. Dieses Beispiel blieb nicht ohne Rückwirkung auf
das I. Bataillon Rainer, wo Agitatoren des Schwesterregiments auch schon ihren aufrühre¬
rischen Samen ausgestreut hatten. Bei der Tagwache am 28. zeigten sich Widerstände gegen
den Abtransport, so daß das Bataillon mit Verspätung am Bahnhofe zur Einwaggonierung
einlangte. Doch rollte es schließlich ab, ebenso das II. und bas zu Mittag abgefertigte
III. Bataillon. Daß auf der Straße unmittelbar neben der Einwaggonierung unaufhörlich
Trupps ungarischer Soldaten, singend und mit Fähnchen in den nationalen Farben geschmückt,
improvisierte Zigeunermusiken an der Spitze, gegen Bozen nordwärts zogen, löste bei ben
Rainern gerechte Empörung aus. Angesichts der tiefgehenden Kriegsmüdigkeit und der troft-
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