Volltext: Festschrift zum 400jährigen Bestande des öffentlichen Obergymnasiums der Benediktiner zu Kremsmünster

Man sieht aus dem Ergebnis, daß bei einer Zugrundelegung des.r 
als Modulus die bekannten Zahlen 9, 5, 4, und deren Vielfaches, wie 8, 
10 und allenfalls 16, noch mehr in den Vordergrund treten. . a 
Es ließe sich wohl noch manche Feinheit beobachten;. Verhältnisse 
im goldenen Schnitt konnten bis jetzt jedoch nicht entdeckt werden [21]. 
Hatte der Künstler so das Modell aufgebaut, drängte die Frage 
der Verteilung des Schmuckes am Kelch. Fig. 1 der Beilage II sucht die 
Hauptgesichtspunkte durch die Projektion des horizontalen Achsensy- 
stems des Kelches vor Augen zu führen. Für die Anordnung der Achsen 
war natürlich entscheidend die Darstellung der Majestas Domini an der 
Kuppa. Durch das 2X5-System hat das Heilandbild die. konkurrenzlose 
Zentralstellung. Sie wird an der Kuppa nicht nur durch die zwei sich 
zugewendeten flankierenden Zwickelgreife betont, sondern auch, wie 
Dr. Juraschek-Linz feinsinnig beobachtete, durch die drei darüber im 
Bogenfries angebrachten Greife, von denen die beiden äußeren eben- 
falls eine auf das Heilandbild konzentrische Anordnung aufweisen. 
Am Kelchfuß ergab sich durch die Zahl der Bilder das 2X4- 
System. Die Bilder sind so geordnet, daß die beiden männlichen Heiligen 
IB und TM das Heilandbildnis. in gleichen Abständen flankieren. In der 
Mitte des Kelches, am Nodus, steht als Ausgleich von.Fuß und Kuppa 
das 2X9-System. Seine Anordnung wurde so durchgeführt, daß ein 
Zwickel mit dem steingeschmückten Linienschnittpunkt, also nicht eine 
Rosetten-Rhombe, unter die Mitte des Heilandbildes zu liegen kommt. 
Auf diese Weise führt von der Mitte dieses Bildes über Rhombenschnitt- 
punkt, zwischen den beiden Männerbildnissen hindurch,. über. die ITis- 
kele, bis zwischen die Buchstaben SS des Wortes TASSILO eine in die 
Augen springende Gerade. Und damit die Linie ja nicht übersehen wer: 
den möge, hat der Künstler den „Doppelzwickel‘“ unter dem Schnitt- 
punkt der. Rhombenlinien-Greiffigur zum „Rhombenkreuz‘” ausgebildet; 
der einzige Fall am Kelch. Eine beherrschendere Stellung im Aufbau 
des Kelchschmuckes konnte der Majestas Domini wohl kaum bereitet 
werden. (Vgl. Bild 19, Fig. 1, S. 64.) 
Die tatsächlichen Verhältnisse am Kelch bringen leider wieder 
das schmerzliche Bewußtsein, daß heute auch diese Feinheit, wenn nicht 
ganz ‘zerstört wurde, so doch stark gelitten hat. Sucht man die. so 
betonte Linie am Tassilokelch auf, so sieht man, daß Kuppa und Fuß 
nicht richtig, vielleicht besser nicht mehr richtig miteinander verbunden 
sind. Die Linie schneidet nicht die ‚Mitte des Heilandbildes, sondern 
verläuft etwa 7—8 mm weiter rechts. Natürlich war das von Anfang 
an nicht so, sondern dürfte wohl auf die Reparatur im 12. Jahrhundert 
zurückzuführen sein. Nach dem schweren Sturz hat man den Kelch aus- 
einandergenommen und bei der Zusammenfügung- die Feinheit dieser 
Linie wohl übersehen. . . 
Das dürften die wichtigsten Vorarbeiten gewesen sein. Nach’ ihrer 
Vollendung konnte der Meister an die Ausführung des Kelches denken: 
Der Rohstoff des Tassilokelches ist reines Kupfer. Die jetzt erha- 
bensten Teile der Kelchoberfläche geben die ursprüngliche Wandstärke 
des Kelches an. Beim Übergang vom Nodus zum Fuß zeigt sie sich am 
kräftigysten entwickelt. Der Aufbau des Kelches fordert das. Bei einem 
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