Volltext: Festschrift zum 400jährigen Bestande des öffentlichen Obergymnasiums der Benediktiner zu Kremsmünster

Die auffallende Beziehung zwischen den Fußbildern und dem In- 
schriftband ist schon bekannt. Es stellt für die Bilder die gemeinsame 
Basis dar. Über ihnen. verläuft die krönende Rankengirlande, die sonst 
nirgends am Kelch zu finden ist. Die Verbindung der Bilder unereinander 
stellen die breiten Querstreifen dar. Es ist also eine geschlossene Einheit, 
deren Grundlage das Inschriftband ist. Sein Text lautet: ,, 7 TASSILO 
DUX FORTIS + LIUTPIRC VIRGA REGALIS” (Tassilo Herzog tapferer 
Liutpire Sprosse königlicher =— aus königlichem Geschlecht). Man be- 
achte die beiden gleicharmigen Kreuze. Sie trennen zunächst die beiden 
edlen Stifter. Sie teilen auch den Raum des Inschriftbandes in gleiche 
Hälften und weisen jeder der beiden Personen einen gleichen Anteil zu. 
Beachtet man‘ nun die Verteilung der darüber befindlichen Bilder in 
bezug auf diese Raumverteilung im Inschriftband, so kommt das Bild 
der Gottesmutter gerade über die Mitte des für Namen und Titel Liut- 
pirgas berechneten Teiles. Über der Mitte der für Tassilos Namen und 
Stand zugewiesenen Strecke steht das Bildnis des Heiligen mit den Buch- 
<taben T und M. Die beiden anderen Bilder sind über den Kreuzen an- 
yebracht. Das will. doch wohl sagen, daß Maria die besondere Schutz- 
frau Liutpirgas sein soll. Das Bild selbst scheint das auch anzudeuten. 
Die linke Hand Mariens hält eine Schriftrolle. Ihr Zeigefinger ist auf- 
fallend bis zum unteren Bildrand ausgestreckt und weist damit direkt 
auf die Mitte des Inschriftteiles, der Liutpirga zugewiesen ist. Die rechte 
Hand hat Maria zu feierlichem Versicherungsgestus in die Höhe geführt. 
Schriftrolle, Zeigefinger, Versicherungsgestus, weist das. nicht auf ein 
bestimmtes schriftliches Gelöbnis von seiten Liutpirgas zu Ehren der 
Gottesmutter, das diese angenommen und dafür ihren Schutz verspricht? 
Aber welches Gelöbnis? Das wird der weitere Verlauf der Arbeit zu 
klären versuchen. ı 1 
Zwischen dem Teil der Inschrift, der Herzog Tassilo betrifft und 
dem. darüber befindlichen Heiligen zeigen sich keine sichtbaren Zusam- 
menhänge. Trotzdem darf ein ähnliches Verhältnis angenommen werden. 
Das umso mehr, als dieser TM-Heilige den bevorzugtesten Platz unter 
den „Fußheiligen‘“- des Kelches einnimmt. Die Hauptansicht‘ des. Tassilo- 
kelches ist natürlich die Seite mit dem Heilandbildnis. Darunter ist in 
Buchstaben mit auffallend weiten Abständen Name und Rang des Stif- 
ters: TASSILO DUX eingegraben. So wird jeder Betrachter des Kunst- 
werkes sofort auf den Auftraggeber aufmerksam. Weil für solche Aus- 
maße der zur Verfügung stehende Raum nicht ausreichte, mußte das 
weniger wichtige und bei dieser Stellung nicht mehr sichtbare „FORTIS“ 
enger genommen werden. Ja, die Buchstaben O und R sind völlig an- 
einander gedrängt. Derselbe Grundsatz gilt für Liutpirgas Antell. 
„LIUTPIC VIRGA‘“ ist in normalen Abständen gegeben. „REGALIS” 
ist enger; G und A zusammengedrängt. 
Aus all dem darf man wohl schließen, daß das Verhältnis Tassilos 
zu dem TM-Heiligen ein ganz persönliches war. Er war sein Schutz- 
patron und wohl auch der Schutzpatron seines Hauses. 5 
Wer ist. nun dieser bevorzugte Heilige? Es kommen Tiburtius und 
Theodor in Betracht. 
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