Volltext: Festschrift zum 400jährigen Bestande des öffentlichen Obergymnasiums der Benediktiner zu Kremsmünster

Mit Geldstrafen wurden auch Bäcker gestraft, wenn bei ihnen „die 
Semel vnd das Rokhengepacht im Gewicht zu gering befunden‘‘, oder 
ein Fleischhauer, der Fleisch und Würste nicht „nach Wag und Gewicht 
sondern nach dem Gesicht verkaufte‘, ebenso eine Khaterina Weschin, 
der vorgeworfen wurde, „das sie im Markht unnuz geschwaz, Lugen 
hin vnnd wider in die Heuser tregt, gestrafft: 1 fl3 Schill.“ 
Die niedere Gerichtsbarkeit im Markt verwaltete also der Markt- 
richter, die hohe Gerichtsbarkeit über schwere Sachen der Hofrichter. 
Hierin konnte der. Marktrichter nichts verfügen oder abändern. In den 
Gerichtsakten ist nur einmal ein Fall berichtet, in dem Bewohner des 
Marktes in einen schon fast abgeschlossenen Prozeß eingriffen. Da es 
sich dabei um einen ganz besonderen Ausnahmefall handelt, sei er hier 
erwähnt: 
Die Sibilla Pretersederin aus Eberstallzell, die als Dienstmagd in 
Steinerkirchen diente und der Landgerichtshoheit von Kremsmünster 
unterstand, wurde im Oktober des Jahres 1601 als Kindesmörderin an 
das Hofgericht des Stiftes eingeliefert. Hier wurde unter dem Hofrichter 
Hans Perger der Kriminalprozeß durchgeführt, worauf durch den kaiser- 
Kchen Bannrichter in Linz die Bestätigung des Todesurteils erfolgte. 
Am 23. November sollte die Urteilsvollstreckung durch das Schwert in 
Kremsmünster stattfinden, zu der der kaiserliche Bannrichter Wolf 
Schratt mit dem Freimann (= Scharfrichter) aus Linz erschien. Die Ver- 
wandten hatten sich vergeblich an den Abt gewendet. Dieser konnte den 
Gang des Prozesses nicht mehr aufhalten. Schon war das Todesurteil 
durch Siegel und Unterschrift des Bannrichters bekräftigt. An diesem 
Tage .nun führte der Vater der Verurteilten vor den Hofrichter und 
Bannrichter einen Müllergesellen vom Markt, Zacharias Lenner aus 
Salzburg, der erklärte, er sei entschlossen, die vom Schwert des Frei- 
manns bedrohte Sibilla sogleich zu heiraten, wenn sie begnadigt würde. 
Er bat um einen Aufschub der Exekution, um nach Wien zu reisen und 
ein Begnadigungsgesuch beim Erzherzog Matthias vorzubringen. Vom 
Markt kamen achtzehn Bürgersfrauen zum Hofgericht, um seine Bitte 
zu unterstützen. Das Gericht unter Vorsitz des Bannrichters bewilligte 
den Aufschub und der Hofrichter schrieb ein Gnadengesuch an den Erz- 
herzog Matthias, das der Müllergeselle selber. nach Wien brachte, und 
ein Gnadengesuch an den Kaiser Rudolf II. Die Niederösterreichische 
Regierung, an die der Erzherzog das Gesuch gab, forderte die Verhörs- 
protokolle und Aussagen an, um sich über den Fall zu unterrichten. Am 
1. März 1602 erfolgte die kaiserliche Begnadigung mit der Bedingung, 
daß sie’nach der Trauung das Land verlassen, was schon im Gnaden- 
gesuch festgesetzt war. So wurde nach fünfmonatlicherGefangenschaft 
die Sibilla freigelassen. Am 13. April 1602 erfolgte die Trauung in der 
St. Sigismundkirche und zwei Tage darauf verließen sie das Land. 
(Arch. Ga XVI.) | 
Die Erinnerung an diese Art der Begnädigung hat sich im Volk 
lange erhalten und die Überzeugung aufkommen lassen, es müsse immer 
so sein. Dem entgegen wurde 1656 in der Landgerichtsordnung Kaiser 
Ferdinands III. unter anderm auch. die Bestimmung getroffen: Die Für- 
bitte einer Person unter dem Vorwand der Ehe verhindert die. Exekution 
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