Volltext: Festschrift zum 400jährigen Bestande des öffentlichen Obergymnasiums der Benediktiner zu Kremsmünster

nach zum Vergnügen sich gezogen fühlen, und in unterhaltungssüchtige 
Renomisten, deren Inneres dem Zechen, Spielen, Liebeln, Schimpfen 
zugethan ist. und nur vor einer Prüfung einige Stunden dem Müssiggang 
zum Studiren abringt, so darf die gefertigte Lehranstalt sich glücklich 
preisen, daß von ihren Schülern wohl fünf Sechstel zur ersteren Klasse 
zu zählen sein dürften .. . Und falls selbst ein solcher Hang sich aus- 
spricht, so ist er in der Regel mehr importiert und eingepropft, als 
selbstwüchsig in der Anstalt .. . Nur der Sachsencultus, welcher 
als die schmucke Truppe in der Umgebung einquartiert war, allent- 
halben getrieben wurde, erweckte auch in den Studirenden einen gewis- 
sen Zug, ihrem Deutschpatriotismus dann und wann Luft zu 
machen, wobei ein Paar Male die Grenze des Disciplinargesetzes etwas 
zu enge wurde. Der Lehrkörper begnügte sich, darauf ein obachtsames 
Auge zu haben, ohne sich veranlaßt zu finden, diese jugendliche Regung 
im Principe anzufechten.“ — Unmittelbar daran fügte der Direktor 
seinen Bericht über die religiöse Lage: „Die religiösen Andachten 
und Übungen, welche das wirksamste Mittel zur Förderung der Sittlich- 
keit sind, bestanden in Folgendem. Täglich wurde für die Studirenden 
in ihrer ‚akademischen‘ Kapelle eine heilige Messe, an Sonn- und Fest- 
tagen je eigens eine für das Ober- und das Untergymnasium, ver- 
bunden mit einer Exhorte, gelesen. Mit lautloser Stille horchten ge- 
wöhnlich die Schüler. den Vorträgen ihrer Religionslehrer. An Sonn- 
u. Festtagen wurde überdies auch ein Nachmittagsgottesdienst, in der 
Frohnleichnams-Oktave, bei sehr schönen Blumenschmuck der Kapelle, 
eine erhebende Abendandacht gehalten .. . alles zum Gottesdienst Er- 
forderliche: Musik, Messedienst von den Studenten selbst besorgt. — 
Die Betheiligung an den kirchlichen Processionen in den Bitt-Tagen und 
zu Frohnleichnam versteht sich von selbst. Fünfmal gingen dieselben zur 
heiligen Beichte .. . Die heilige Osterbeichte war auch mit religiösen 
Exereitien-Vorträgen verbunden. Auch das in der ganzen 
Diözese feierlich begangene Centenarium S. Petri wurde am 
30. Juni durch Procession und Gottesdienst gefeiert und ... durch Nie- 
derlegung eines Peterspfennigs für den Vater der Christenhheit ge- 
schlossen.‘ 
5. Im Zeitalter des bürgerlichen Freisinns 
Das Unterrrichten und Erziehen wurde zusehends schwieriger: 
Anno 1870 schreibt der Direktor (G. Pr., 52—54) „Das Bestreben der 
Lehranstalt, die Gemüther der Jugend unbefangen und für ihre Aufgaben 
empfänglich zu erhalten, dauerten fort; doch entging es ihr nicht, daß 
durch die zunehmende Lesung minder objektiv gehaltener Blätter. 
durch gelegentlichen Verkehr mit Mitgliedern jugendlicher Vereine, 
durch öfteren Umgang mit Menschen, welche mit mehr Zuversicht als 
Einsicht über Zeit- und Unterrichtsfragen absprechen, die rücksichtslose, 
vertrauensvolle Hingabe an Lehrfach und Lehrer oft gerade bei begab- 
teren Schülern etwas gestört und eine Interesse an Allotrien geweckt 
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